Fr 30.11.2007
In Österreich arbeitet über eine halbe Million Menschen im Handel und in verwandten Berufen. Mit der übermäßig hektischen Vorweihnachtszeit nehmen Belastung und Stress für diese deutlich zu. Die im letzten Monat abgeschlossenen Kollektivvertrags-Verhandlungen brachten allerdings kein weihnachtlich-festliches Ergebnis für die Beschäftigten, obwohl der Abschluss höher als letztes Jahr ausfiel. Keine Fortschritte gab es im Bereich Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten und Überstunden. Im Gegenteil drohen weitere Verschlechterungen mit der Sonntagsöffnung. Dafür muss übrigens die Fußball-Europameisterschaft herhalten.
Erhöhung liegt unter Gewinnsteigerung
Viele Menschen mögen den Abschluß als relativ hoch positiv bewerten. Die Betonung muss jedoch auf "relativ" liegen. Tatsächlich liegen die 3,1 % (Mindestanhebung 45 Euro) über den 2,35 % vom Vorjahr. Doch angesichts der veröffentlichten Gewinnsteigerungen von 3,5 % im Handel (dem höchsten Wert in diesem Jahrzehnt) und den Verlusten für die Beschäftigten in den Lohnrunden der letzten Jahre sind 3,1 % nicht mehr so großartig. Der Vergleich mit anderen bestätigt dies leider: Der Abschluss bei den Metallern bringt 3,5 % Prozent der Ist-Löhne (plus einer Einmalzahlung bis zu 200,-, die jedoch nicht in die Erhöhung in Folgejahren einfließen wird). Damit ist das Verhältnis der beiden im Vergleich zum Vorjahr zuungunsten des Handels-KV sogar leicht gesunken. Und das, obwohl in vielen Bereichen im Sommer noch echte 4 % gefordert wurde. Auch die VerhandlerInnen der GPA-DJP haben ihre ursprüngliche Zielsetzung von an die 4 % letztlich relativ weit verfehlt. Daran ändert auch die Tatsache nichts grundlegend, dass die Mindestanhebung von 45 Euro für die niedrigeren Einkommen (bis zu EUR 1.400,–) eine Anhebung von etwas über 3,1 % bedeutet.
Unterschlagene Überstunden-Zahlungen
Allein wieviel sich die Unternehmen im Handel durch nicht abgegoltene Überstunden unter den Nagel reißen, ist dramatisch: etwa 200 Mio. Euro; das entspricht 2,5 bis 5 % der gesamten Gehaltssumme! Genau diese und andere Themen rund um die Arbeitsbedingungen waren aus den KV-Verhandlungen ausgeklammert worden. Dazu soll es 2008 gesonderte "Reform"-Verhandlungen geben.
Sonntagsöffnung durch das Fußballtor?
Zum Öffnungszeitengesetz, dass Verschlechterungen für die Beschäftigten brachte, kommt nun die "Sozialpartner"-Einigung, dass während der Fußball-Europameisterschaft 2008 an Sonntagen offen bleibt. Damit ist den Unternehmen ein weiterer Durchbruch gelungen. Weitere Vorwände wie die EM werden sich schnell wieder finden. Der Druck auf die Beschäftigten wird wachsen. Hinzu kommt, dass sich laut einer aktuellen GPA-Studie ein großer Teil der ArbeitgeberInnen bezüglich der Arbeitsbedingungen von Lehrlingen nicht an die Rechtslage hält.
Zerklüftete Arbeitszeiten
Ein weiteres wichtiges Problem für viele Handelsbeschäftigte sind die vielfach zerklüfteten Arbeitszeiten. Oft muss wegen zwei Stunden in den Betrieb gefahren werden, dann folgen einige Stunden Freizeit, die in Wahrheit keine ist (vor allem, wenn man weiter weg wohnt), um danach am selben Tag wieder einige Stunden voll zu arbeiten. Somit wird der Anteil echter Entspannungs- und Freizeitphasen deutlich verringert. Die Unternehmen wälzen die Folgen der umsatzschwächeren Tageszeiten auf die Beschäftigten ab. Daher wird von der Gewerkschaft eine zusammenhängende Mindestarbeitszeit von vier Stunden gefordert.
Gewerkschaftliche Organisierung kann Druck entwickeln
Weiterhin gibt es im Handel einen niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Die GPA-DJP berichtet allerdings von mehreren tausend neuen Mitgliedern in der letzten Zeit. Das ist eine positive Nachricht. Es bleibt zu hoffen, dass mehr Mitglieder auch einen verstärkten Druck bringen, wenn es um die "Reform" des Handels-KV und Fragen wie eine zusammenhängende Mindestarbeitszeit von vier Stunden gehen wird.
Als Nicht-Handelsangestellte/r kann man zwar keinen direkten Einfluss auf KV-Verhandlungen etc. nehmen. Auf eines kann jedoch geachtet werden: Falls aggressive ZeitgenossInnen im Geschäft VerkäuferInnen bzw. KassierInnen anschnauzen (was immer häufiger passiert), ergreifen Sie lautstark Partei für diese. Nicht sie sind schuld an Personalmagel und Stress! Sie sind Opfer der Zunahme kapitalistischer Ausbeutung.