Fr 07.05.2010
Am 5. Mai 2010 demonstrierten allein in Athen 150.000 bis 200.000 Menschen gegen das Sparpaket der PASOK-Regierung unter Ministerpräsident Papandreou, in Thessaloniki waren es 50.000, in Patras 20.000 und in Heraklion 10.000. Nachdem bereits am Tag zuvor Teile der Staatsangestellten in den Streik getreten sind, folgte ihnen der Großteil aller Beschäftigten im Land. Über drei Millionen Streikende ließen die Schulen und Läden geschlossen, die Produktion stand still, kein Flugzeug überquerte das Land.
Während das griechische Parlament seit Dienstag über die Verabschiedung des Sparpaketes berät und heute verabschiedet, traten selbst die Angestellten des Parlaments und die Journalisten in den Ausstand. Alle Gewerkschafts- und linken Organisationen hatten an diesem Tag zu einem 24-stündigen Generalstreik aufgerufen. Es war eine der größten Demonstrationen in den letzten Jahren, die in mehreren Zügen durch die Hauptstadt Griechenlands zog. Neben der KKE-nahen Gewerkschaftsfront PAME hatte auch der gemäßigtere Gewerkschaftbund PSEE (private Wirtschaft), dessen Vorsitzender selbst PASOK-Mitglied ist, einen Zug mit mehreren zehntausend TeilnehmerInnen in Richtung Parlament formiert. Ebenso der Dachverband des öffentlichen Dienstes ADEDY.
Wut bricht sich Bahn
Nachdem das Land in den Wochen nach der Verkündung der geplanten Sparmaßnahmen wie paralysiert war, folgte gestern der Aufschrei der Massen gegen sich verschlechternde Lebens- und Einkommensverhältnisse. Die massiven Kürzungen bei den Löhnen und die Erhöhung der Mehrwertsteuer bedeuten für viele GriechInnen einen Einkommensverlust von bis zu 30 Prozent. Bei einem durchschnittlichen Lohn von 800 € und einer Durchschnittsrente von 500 € sind diese Einschnitte katastrophal. In der Eurozone das Schlusslicht bei den Löhnen bildend, sind die Preise für Lebensmittel und Produkte so hoch wie in Deutschland.
Der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis spricht von „einem letzten Aufbäumen“, bevor die Sparmaßnahmen durchgesetzt werden. Heute ist die bürgerliche Presse voll von Meldungen über den tragischen Brand einer Bank, bei der 3 Angestellte ums Leben kamen. Diese gehörten sicher nicht zu den Spekulanten, die versuchen, ihre Profite weiter in die Höhe zu treiben.
Die Gewerkschaft der Bankbeschäftigten (OTOE) hat für den heutigen 6. Mai zum landesweiten Streik aufgrund des Todes ihrer KollegInnen aufgerufen. Die Gewerkschaft gibt dem Management der Bank und der Polizei die Schuld an der Tragödie. Das Management hatte den Beschäftigten mit Kündigung gedroht, sollten sie sich an dem Generalstreik beteiligen. Außerdem wurde die sonst übliche Vorgehensweise gebrochen, Banken, die an solchen Demonstrationsrouten liegen, aus Sicherheitsgründen zu schließen. Auch habe es nach Berichten eines Bankangestellten keine ausreichenden Flucht- und Brandschutzvorrichtungen gegeben. Während die bürgerlichen Medien davon berichten, dass die Feuerwehr durch autonome Demonstranten am Einsatz behindert worden sei, berichten Demonstrationsteilnehmer, dass die Polizei solche Demonstranten angegriffen hatten, die versuchten das Feuer zu löschen und in das Gebäude zu gelangen, um den dort Eingeschlossenen zur Hilfe zu kommen.
Medien versuchen nun die Todesfälle in den Mittelpunkt der Berichterstattung zu stellen und dadurch von den eigentlichen Zielen der Massenproteste abzulenken. Vereinzelt wird aber auch davon berichtet, dass sich Faschisten unter die DemonstrantInnen mischten, um Gewaltexzesse zu provozieren.
Es waren vor allem Jugendliche, die den radikaleren Teil der Demonstrationen bildeten und die versuchten, das Parlament zu stürmen, wobei sie mit Tränengas und Knüppeln von der Polizei zurückgedrängt wurden. Vor allem die Jugend ist von der weltweiten Wirtschaftskrise mit am stärksten betroffen. Dort vereint sich die Perspektivlosigkeit angesichts drohender Arbeitslosigkeit, Niedrigstlöhnen und immer schlechtere Bildung mit der Suche nach Alternativen und der Wut auf ein System, das ihnen keine Zukunft bieten kann.
Die kontraproduktive Wirkung solcher Brandanschläge und terroristischer Aktionen für die Arbeiterbewegung hat sich gestern auch in Athen gezeigt, als die Todesfälle Regierung und Staat eine Gelegenheit boten, vom eigentlichen Thema abzulenken und mit verschärfter Repression gegen die linken Bewegungen vorzugehen.
Kein Ruhen in Sicht
Dies war bereits der dritte Generalstreik in diesem Jahr und angesichts der sozialen Verwerfungen, die das von der Regierung forcierte Sparpaket hervorrufen wird, wird dieser nicht der letzte gewesen sein. Doch jetzt müssen weitere Schritte unternommen werden, die einen Weg aufzeigen, wie man die griechische Regierung durch den Druck der Massen zwingen kann, die Kürzungen zurückzunehmen. Xekinima (Schwesterorganisation der SAV/ CWI Griechenland), die auch im Bündnis der Radikalen Linken SYRIZA aktiv ist, wirft die Forderung nach einem 48-stündigen Generalstreik und rotierenden Massenstreiks in verschiedenen Wirtschaftsbranchen auf.
Ein großen Problem bei einem gemeinsamen Kampf, der in der Lage wäre die kapitalistische griechische Regierung zu stürzen ist das Fehlen einer sozialistischen Massenpartei, die auf der Grundlage eines marxistischen Programms steht. Immer noch ist die griechische Linke tief gespalten, so hielten die KKE und die Gewerkschaftsfront PAME gestern Kundgebungen von den restlichen Gewerkschaften getrennt ab. Xekinima fordert von KKE und SYRIZA eine Einheitsfront im Kampf gegen die Angriffe der Regierung.
Selbst die Maßnahmen der PASOK-Regierung, die bei einem Sitzverhältnis von 160 zu 140 im Parlament verabschiedet werden dürften, werden den drohenden Staatsbankrott nur herauszögern. Auch die deutschen „Notkredite“ von über 22 Mrd. €, über die der Bundestag morgen entscheiden will, werden keine Verbesserung für die Mehrheit der Bevölkerung darstellen. Die internationale Finanzspritze durch die EU und den Internationalen Währungsfonds (IWF) dient vor allem dazu, den griechischen Staat in die Lage zu versetzten, weiterhin Zinsen und Tilgungsraten zu zahlen. Und mit Sicherheit auch ausstehende Waffenlieferungen durch französische und deutsche Rüstungsunternehmen. Jeder Cent dafür soll von der Bevölkerung abgepresst werden – nicht nur in Griechenland - sondern international.
Für ein Europa der ArbeiterInnen
Denn nicht nur in Griechenland, auch in anderen Ländern Europas, wie Spanien, Portugal und Italien, schwebt der drohende Staatsbankrott über den Köpfen der Menschen. Auch in diesen Ländern haben die Regierungen bereits angekündigt, bereits geplante Sparmaßnahmen vorzuziehen und umzusetzen. Auch dort regt sich Widerstand gegen Verschlechterungen.
Das Schwierige an Staatsschulden ist, dass große, international tätige Banken als Gläubiger dahinter stehen. Diese denken nicht im Traum daran, auf einen Cent zu verzichten. Internationale Hilfspakete, die Staaten zur Zahlungsfähigkeit verhelfen sollen, werden selbstverständlich nicht von den Banken gezahlt, sondern von der Bevölkerung – europaweit, weltweit.
Im Falle Griechenlands ist einer der deutschen Gläubigerbanken die HRE (Hypo Real Estate), die durch Spekulationen und der Krise in wanken geraten ist. An dieser beteiligt sich der Staat bereits mit Milliarden auf Steuergeldern. Die Lösung kann also nicht sein, dass diese Banken „zahlen“, sondern die Profiteure müssen zahlen – europaweit, weltweit.
Das Kapital ist international organisiert, wir müssen es auch sein. Gerade jetzt ist es nötig, die Proteste über Ländergrenzen hinweg zu verbinden und gemeinsam gegen jeden Angriff zu kämpfen. Der DGB sandte Solidaritätserklärungen nach Griechenland, sowie VertreterInnen, um auf den Kundgebungen aufzutreten. Es gab gestern eine Protestaktion vor dem Bundeskanzleramt, die von Attac und dem Bündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise“ organisiert wurde.
Doch dies kann nur der Anfang sein. Was wir brauchen sind Massenparteien der Arbeiterinnen und Arbeiter, Jugendlichen, der Mehrheit der Bevölkerung. Eine Massenpartei, die konsequent mit einem marxistischen Programm die Interessen der Mehrheit vertritt und sich gegen die Herrschaft des Kapitals wendet. Nur so ist es möglich, die Macht des Kapitals zu brechen, Konzerne und Banken zu enteignen, Vermögen zu konfiszieren und unter demokratische Kontrolle zu stellen. Nur die internationalisierte Bewegung kann die Regierungen zwingen, Schuldenzahlungen einzustellen.
Deshalb besitzt die Forderung eine uneingeschränkte Gültigkeit – Gegen das Europa der Banken und Konzerne – Für ein Europa der Arbeiterinnen und Arbeiter.