Freiheit für Kurdistan

Alfred Ratz

Die Entführung von PKK-Chefs Abdullah Öcalan am 15.2. durch ein türkisches Geheimdienstkommando löste eine Welle von Demonstrationen, Besetzungen und anderen verzweifelten Aktionen von KurdInnen in ganz Europa und der Türkei aus. Dem PKK-Führer droht nun, wo er auf einer Gefängnisinsel im Marmarameer gefangen gehalten wird, die Todesstrafe.
Den europäischen „Demokraten“ war und ist egal was mit Öcalan und den KurdInnen geschieht. Die Türkei ist Nato-Partner und wichtigster Partner der USA im Nahen Osten. Im Kampf gegen die KurdInnen werden u.a. deutsche und britische Waffen eingesetzt und auch in Westeuropa werden die KurdInnen teilweise nicht als unterdrücktes Volk anerkannt. Trotz desVölkermords durch die Türkei, haben KurdInnen kein generelles Asylrecht.

Gemeinsame Sache gegen die KurdInnen

Die PKK ist in Deutschland verboten, und auch in Österreich wurde von verschiedenen politischen Kräften ein PKK-Verbot gefordert. Besonders die Boulevardpresse nahm die europaweiten KurdInnenproteste zum Anlaß für ausländerInnenfeindliche Hetze. Als aufgebrachte KurdInnen versuchten, die israelische Botschaft in Berlin zu stürmen, wurden vier von ihnen erschossen und weitere 15 zum Teil schwer verletzt. Keine (westliche) Regierung hat diesen Vorfall verurteilt - ein weiteres Anzeichen dafür, daß im Fall von Kurdistan - wo kein Öl zu holen ist und man dem NATO-Partner nicht vor den Kopf stoßen möchte, die sonst gern zitierten „Menschenrechte“ unwichtig sind.
Zwar wurde ein „faires Verfahren“ gefordert, aber obwohl ein solches ausgeschlossen ist, hat das praktisch keinerlei Konsequenzen. Kein Protest gegen die Verhaftung von 2000 Mitgliedern der prokurdischen HADEP, die bei den letzten Wahlen in den KurdInnengebieten mehr als 50% der Stimmen erhielt. Wie auch in der Vergangenheit wurde auch jetzt zur Unterdrückung kurdischer aber auch türkischer GewerkschafterInnen und KritikerInnen geschwiegen. In der Türkei gibt es mehr SchriftstellerInnen und JournalistInnen im Gefängnis als in jedem anderen Land der Welt (außer China).

Kein einiges Volk

Obwohl Öcalan gern als „Kurdenführer“ bezeichnet wird, ist dieses Volk keineswegs so einheitlich. Die Kurden werden von den Regierungen unter denen sie leben müssen, gegeneinander ausgespielt. So unterstützt z.B. der Iran die „irakischen“ Kurden, während Syrien lange Zeit die „türkischen“ Kurden, also die PKK unterstützte. Im Nordirak existieren die vom Iran unterstützte PUK und die KDP, die immer wieder mit der türkischen und irakischen Regierung zusammenarbeitet, besonders wenn es gegen die PKK geht. Die KDP repräsentiert v.a. die schmale Schicht von kurdischen Großgrundbesitzern und Regionalfürsten. Sie streben einen kurdischen Staat an, wo sie „ihre“ KurdInnen ausbeuten können.
Die Mehrheit der kurdischen Bevölkerung besteht jedoch aus ArbeiterInnen und armer Landbevölkerung, bei denen große Sympathien für sozialistische Ideen herrschen.

Die PKK

Die 1978 von Abdullah Öcalan gegründete „Kurdische Arbeiterpartei“ PKK versucht seit 1984 die Unterdrückung des kurdischen Volkes mit militärischen Mitteln zu bekämpfen. Die PKK, die Anfangs nur wenige Mitglieder und SympathisantInnen zählte, wurde zu einer Massenpartei. In ihren Anfängen berief sich die PKK auf den Marxismus bzw. auf stalinistische Taktiken die mit Marxismus nichts zu tun haben. Heute stellt die PKK aber nicht mehr „Sozialismus“ sondern die nationale Befreiung in den Vordergrund. Dazu strebt sie ein Bündnis aller „patriotischen“ Schichten und Klassen an. Es ist richtig, daß alle KurdInnen unterdrückt werden. Aber das ändert nichts daran, daß die kurdischen Kapitalisten und Großgrundbesitzer lieber mit dem türkischen Staat zusammenarbeiten, als mit der PKK.
Beide in den letzten Jahren von der PKK verfolgten Strategien - isolierter Guerillakrieg und diplomatische Lösung mit dem US/EU - Imperialismus - sind gescheitert. In der vom Westen geschaffenen „Schutzzone für die KurdInnen“ im Irak geht gerade jetzt türkisches Militär gegen die Bevölkerung vor. Eine Bewegung getragen von KurdInnen gemeinsam mit dem türkischen Proletariat in den Städten gegen den gemeinsamen Feind - den türkischen Staat - ist der Schlüssel zur Lösung.

Facts & Figures

Nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg wurden die von KurdInnen bewohnten Gebiete vom Imperialismus auf die neu entstandenen Staaten des Nahen Ostens aufgeteilt, ohne das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes zu beachten. Seitdem leben die über 20 Millionen KurdInnen aufgeteilt auf Türkei, Iran, Irak, Syrien und Armenien (kleinere kurdische Minderheiten existieren in Georgien und im Libanon) und Westeuropa. Lediglich in Armenien und Georgien sind sie als Minderheit anerkannt, in den anderen Staaten werden ihre Rechte mit Füßen getreten. In der Türkei werden die KurdInnen vom Regime als „Bergtürken“ bezeichnet, die kurdische Sprache ist verboten, obwohl sie in der Türkei von mindestens 15 Millionen Menschen gesprochen wird, und der Staat führt seit 15 Jahren einen blutigen Krieg gegen das kurdische Volk. Über 4000 Dörfer wurden zerstört, 40.000 Menschen ermordet und Millionen KurdInnen sind als Flüchtlinge über den Globus verstreut.

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