Sa 01.11.1997
Jahrelang hatte die Polizei völlig erfolglos nach dem rechtsextremen Briefbombenattentäter gefahndet. Jetzt wo Franz Fuchs von „Kommisar Zufall“ gefunden wurde, tischen uns Innenministerium und Kronen Zeitung täglich neue Märchen auf: Die Sprengsätze gegen Roma, FlüchtlingshelferInnen, PolikerInnen... hatten mit Politik gar nichts zu tun.
Der größte politische Kriminalfall der 2. Republik wird auf eine filmreife Geschichte reduziert: Franz F. - ein geistig Verwirrter - schickte Briefbomben weil er vor 20 Jahren von einer Slowenin um Herz und Geld betrogen worden sei. Österreich kann jetzt aufatmen, der mutmaßliche Täter hinter Gittern. Franz Fuchs sei ja ein Einzeltäter, der sich selbst aus der Gesellschaft ausgeschlossen habe. Die eindeutig rassistischen Bekennerschreiben in denen von „Tschuschenhorden“ und dergleichen die Rede ist, sollen plötzlich gänzlich „unpolitisch“ sein, nur weil eine Frau vor zwanzig Jahren Franz F. den Laufpaß gab?
Franz Fuchs ein Einzeltäter?
Die FPÖ ist die stärkste rechtsextreme Partei der Welt, Österreich das Land mit den schärfsten Anti-AusländerInnengesetzen Europas und die Krone die meistgelesene Zeitung des Landes, bringt fast täglich rassistische Ideologie unter die Bevölkerung. Heuer wurde in Österreich erstmals seit 1945 auf einen Flüchtling geschossen. Franz F., mutmaßlicher Briefbombenattentäter, ist ein Produkt dieser Gesellschaft, welche (nicht nur ihm) zu verstehen gibt, AusländerInnen seien ein Problem.
Das Innenministerium tut alles, um die Existenz einer rechtsradikalen Szene zu verleugnen und die Verantwortung der Politik zu negieren. Denn eine Partei die „Gesetze statt Ausländerhetze“ plakatiert, eine Regierung, die rassistische Gesetzte verabschiedet, eine „Opposition“, deren Ausländerfeindlichkeit permanent ist, bereiten erst den Boden, auf dem Briefbombenatentäter bomben können.
Der Sicherheitsdirektor Sika meint, man wurde gezwungen, in der falschen Szene - nämlich der rechtsextremen - zu suchen, denn Franz F. sei kein Rechtsradikaler und zudem ein Einzeltäter. Daß die Informationen aus den Bekennerschreiben zumindest teilweise einschlägig bekannten rechtsextremen Zeitschriften entnommen wurden, ist bewiesen. Ebenso liegt ein Gutachten des Sprachwissenschaftlers G.Lipold vor. Demnach wurden die Bekennerschreiben von mehreren Personen verfaßt.
Die Chuzpe der FPÖ
Tatsächlich hatte die FPÖ die Frechheit, Franz F. einen „linken“ Hintergrund anzudichten - wegen der SPÖ-Nähe seines Vaters. Viel stichhaltiger, als diese Sippenhaftung wäre wohl ein Vergleich zwischen verschiedenen Haider-Ausagen a la „ordentliche Beschäftigungspolik“ und den Auffassungen des Franz F. Die FPÖ forderte auch gleich Caspar Einem zum Rücktritt auf - wegen angeblichem Zurückhalten des Täterprofils.
Eine nähere Untersuchung dieser Rücktrittsaufforderung wirft ein interessantes Bild auf die Querverbindungen zwischen Polizei und Freiheitlichen. Ein gewisser Hans Steiner war - wie Sicherheitsdirektor Sika (der meinte Einem sei ein „Sicherheitsrisiko“) - Mitarbeiter des Buches „Der Briefbomber ist unter uns“. „Zu dieser Zeit wurden der FPÖ aber auch immer wieder Interna aus dem Innenminiserium zugetragen - Informationen, die die Freiheitlichen prompt für Angriffe gegen Einem nutzen.“ (falter 43/97). Hans Steiner schreibt jetzt im FPÖ-Parteiblatt „Neue Freie Zeitung“ Hetzartikel gegen Einem. Zufall?
Politisches Kleingeld
Den Befürwortern von Lauschangriff und Rasterfandung „nutzte“ der Bombenterror - er gab ein gutes Argument ab, daß in breiten Teilen der Bevölkerung griff. Und obwohl Fuchs durch Zufall und nicht durch die Rasterfahndung aufgegriffen wurde, muß er als Beispiel für diese herhalten. Innenminister Schlögl behauptete tatsächlich, daß mit der Rasterfahndung Franz Fuchs schon viel früher geschnappt worden wäre. Gleichzeitig beharrt der Innenminister darauf, daß Fuchs einfach ein Psychopath ohne politischen Hintergrund gewesen wäre. Mit welchem Raster hätte man denn gesucht, wenn das Handeln von Franz Fuchs einfach nur irrational war. Sicherheitsdirektor Sika muß hier selbst relativieren: Die Entdeckung von Fuchs war blanker Zufall. Er habe sich nur „akut bedroht gefüht und geglaubt die Rasterfahndung schnappt schon zu“. Hier geht es offensichtlich nur mehr darum aus dem Fall auch noch politisches Kleingeld zu schlagen.
Die Folgen der Bomben
Die Folgen und Verzweigungen der Causa Briefbomben sind weitreichend. Die Weigerung des Innenminiseriums den rechtsextremen Hintergrund von Fuchs zur Kenntnis zu nehmen und Mittäter zu suchen, beweisen, daß die lange Serie von Pannen während den Ermittlungen kein Zufall waren. Über die gesellschaftlichen Auswirkungen des Terrors meint Martin Schenk von SOS Mitmensch: „Der Terror blieb nicht wirkungslos. In Poysdorf hat er die Bevölkerung derart polarisiert, daß Maria Loley sich entschloß, nach Wien zu ziehen. Ähnliche Effekte zeigten sich in Oberwart“. Franz Fuchs und seine Komplizen waren letztendlich erfolgreich.
Der Kampf gegen den Rechtsextremismus - gleich welcher Ausformung - bleibt auch in Zukunft Aufgabe antífaschistischer Organisationen und Gruppierungen wie z.B Jugend Gegen Rassismus in Europa.