Di 09.05.2017
Emmanuel Macron, der bislang jüngste Präsident Frankreichs, ist ein Mann der zuvor niemals gewählt wurde und derzeit auch keine Partei hat. Er wird als „Außenseiter“ betrachtet, der sowohl die „linken“ (Sozialistische Partei) als auch die „rechten“ (Republikaner) besiegt hat und so in die zweite Runde am Sonntag des 7. Mai gegen Marine Le Pen vom Front National einziehen konnte. Doch ist er alles andere als ein unbeschriebenes Blatt und hat eine klare Haltung gegen die ArbeiterInnenklasse. (Siehe weitere Artikel vom CWI zum selben Thema).
Während viele jetzt ob der Niederlage der extremen Rechten aufatmen und pro-EU PolitikerInnen die Bedrohung gegen die EU und den Euro abklingen sehen bedeutet die Wahl Macrons kein Ende der tiefen Krise und der Spaltungen innerhalb der französischen Gesellschaft. Emmanuel Macron kommt aus einer der größten Bankenorganisationen der Welt und wurde von Francois Hollande in die Regierung geholt, obwohl er kein Mitglied der SP ist, um jene harsche neoliberale Politik durchzuführen die so große Probleme für Frankreichs ArbeiterInnen und Jugendliche verursacht hat.
Präsident Macron kann sich Massenopposition auf der Straße als auch bei den Parlamentswahlen im Juni gegenübersehen. Die untenstehende Stellungnahme von Gauche Révolutionaire (CWI Frankreich) beschreibt, dass die sieben Millionen Stimmen für Jean-Luc-Mélonchon ein riesiges Potential für sozialistische Ideen repräsentieren.
Riesige Wut über die Wahl eines Repräsentanten der Großkonzerne und der Banken - Organisiert den Widerstand!
Die Präsidentschaftswahlen in Frankreich haben eine historische Zurückweisung „traditioneller“ Parteien demonstriert. In der ersten Runde wurden sowohl die „sozialistische“ Partei von Präsident Hollande als auch der korrupte rechte Kandidat Fillon von Sarkozys Les Republicains ausgelöscht. Die Stärke der sozialen Wut in der Gesellschaft drückte sich durch sieben Millionen Stimmen für Mélenchon und sein Programm eines kompletten Bruchs mit der Sparpolitik wegen der sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen verschlechtert haben, aus. Doch diese Stimmen waren nicht ausreichend um zu verhindern, dass Marine Le Pen und ihr modernisierter Front National (FN) in die zweite Runde einziehen konnten. Sie konnte deshalb in der zweiten Runde gegen den klaren Kandidaten der herrschenden Klasse, Emmanuel Macron, antreten.
Letztendlich wurde Macron mit 65,8% der abgegebenen Stimmen gegen 34,2% für Le Pen gewählt. Man könnte meinen, dass die KapitalistInnen nun ihre willige Marionette an der Macht installiert haben und er nun ihre Politik der Austerität und Repression gegen ArbeiterInnen, Jugendliche, Erwerbslose und MigrantInnen mit neuer Kraft fortsetzt. Doch das ist keineswegs garantiert!
Rekordzahl von „WeißwählerInnen“
Nicht ausgefüllte oder ungültige Wahlzettel machten 12% aller Stimmen der zweiten Runde aus – ein historischer Rekord. Es hat die Medien zur Veröffentlichung der nicht Zahl der WeißwählerInnen gezwungen. Diese werden normalerweise nicht veröffentlicht. Wenn wir die Enthaltungen dazurechnen, sie belaufen sich auf 34% der WählerInnen, dann haben 16 von 47 Millionen registrierter WählerInnen (von 52 Millionen Volljähriger in Frankreich) nicht zwischen Le Pen und Macron „gewählt“.
Das ist ein klares Zeichen, dass Macron von einer sehr schwachen Basis aus regieren muss und die kommenden Monate und Jahre sehr instabil sein werden. Hinter den Prozentzahlen verbirgt sich eine noch weniger glorreiche Wirklichkeit. Macron erhielt 20,4 Millionen Stimmen und Le Pen 10,6 Millionen. Trotz der drohenden Machtübernahme durch Le Pen erhielt Macron nur die Stimmen von 43,6% aller für die Wahl registrierten WählerInnen. Umfragen vor den Wahllokalen haben außerdem ergeben: 43% jener, die Macron gewählt haben, taten dies um Le Pen zu blockieren. Nur 16% unterstützten sein Programm.
Macron: Politik gegen ArbeiterInnen und Jugendliche
Macron hat eine Mission: Die Maßnahmen gegen öffentliche Dienstleistungen, die von Sarkozy und Hollande 15 Jahre gesetzt wurden, fortsetzen, Kündigungen umsetzen und den Arbeitsmarkt flexibilisieren. Er hat bereits angekündigt, dass er in den nächsten fünf Jahren 120.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst streichen will. Und er wird ein Arsenal von antidemokratischen Mechanismen, die in der Verfassung der fünften französischen Republik festgeschrieben sind, nutzen, um Gesetze, die für die KapitalistInnen lebenswichtig sind, durchzusetzen – genauso wie Manuel Valls es in seiner Zeit als rechte Hand von Holland getan hat. Er will mit Dekreten regieren, was bedeutet, das Parlament und Debatten über geplante Gesetze zu umgehen. Das erste ist bereits für Juni oder Juli geplant – es soll weitere Veränderung zuungunsten von ArbeiterInnen im Arbeitsgesetz des Landes bringen. Danach sollen weitere zu Arbeitslosengeld, sozialer Sicherheit, usw. kommen.
Die Ablehnung solcher Maßnahmen ist massiv und hat sich während des Wahlkampfes gezeigt. Aber diese Wut und Ablehnung muss einen sozialen und politischen Ausdruck finden, der die Interessen von ArbeiterInnen, Jugendlichen und der Mehrheit der Bevölkerung nach vorne stellt. Denn es besteht die Gefahr, dass der Front National versuchen wird, von der Ablehnung gegenüber den Bossen zu profitieren und sie in die falschen Bahnen zu lenken, indem sie Rassismus und alle möglichen Formen von Diskriminierung verwendet.
Für die herrschenden Klassen besteht eine große Instabilität. Es ist jetzt Zeit, auf die Straßen zu gehen, um klar zu machen, dass wir diese durch und durch unsoziale Politik ablehnen. Die Führung der Gewerkschaftsdachverbände können nicht weiter schweigen wenn eine zehnfache Änderungen des Arbeitsgesetzes angekündigt werden, nachdem der Widerstand gegen das El-Khomri-Gesetz vor nicht einmal einem Jahr Millionen auf die Straße gebracht hat. Wir müssen uns organisieren und unsere kollektive Stärke zeigen, und können damit nicht bis Ende Juni warten.
Le Pen will die Oppositionskraft gegen Macron spielen. Nicht mit uns!
Für Le Pen und den FN war die Wahlkampagne nicht so einfach. Sie hofften auf der Welle der weitverbreiteten Unzufriedenheit reiten zu können und haben im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erreicht. Aber die Kampagne von Mélenchon hat viel von ihrer Unterstützung untergraben. Sie konnte in der zweiten Runde 10,6 Millionen Stimmen erreichen, also 3,5 Millionen mehr als in der ersten Runde. Möglicherweise kamen diese von den reaktionärsten, rechtesten Fillon-WählerInnen und jene des Chauvinisten Dupont-Aignon (der in der ersten Runde 1,7 Millionen Stimmen bekam). Es kamen bestimmt auch manche Stimmen von jenen, die verständlicherweise den Banker Macron verhindern wollten, indem sie (fälschlicherweise) für Le Pen stimmten, die weiterhin eine echte kapitalistische Kandidatin und der schlimmste Feind der „normalen Menschen“ bleibt.
Jetzt will sie versuchen, ihre Partei komplett zu verändern. Am Sonntag (den 8. Mai) hat Le Pen ihr Vorhaben ganz klar angekündigt: Die Gründung einer neuen Partei in den nächsten Monaten, die die Menschen, die gegen Macrons Politik sind, zusammenbringt. Aber das hat bereits Widerstand in der FN selbst erzeugt, speziell unter den UnterstützerInnen von Marion Maréchal-Le Pen, die eine Aussöhnung mit bestimmten Teilen der klassischen Rechten ablehnen. Die Herausforderung besteht für den FN darin, von der Wut, die sich aufgestaut hat zu profitieren, aber es ihren FührerInnen gleichzeitig auch zu ermöglichen, Karriere zu machen. Die Spannungen werden sich vervielfachen, besonders, wenn die wirkliche Opposition zu Macorn, jene von ArbeiterInnen und Jugendlichen, Forderungen aufstellt, die jenen des Front National (unter welchem Namen auch immer) widersprechen.
Die Wahlen zur Legislative 2017
Die nächsten bundesweiten Wahlen finden in einem Monat statt, am 11. und 18. Juni 2017. Dabei werden die Mitglieder der Nationalversammlung gewählt. Es ist klar, dass sie tatsächlich die 3. und 4. Runde sein werden, in denen die Wut und der Wille, sich zu wehren, Ausdruck finden wird.
Mehr als je zuvor ist es notwendig, dass ArbeiterInnen, Jugendliche und jene, die in den ärmeren Regionen Frankreichs leben, einen unabhängigen politischen Ausdruck finden, um die Parteien, die für den Kapitalismus antreten, zu konfrontieren: Macrons Bewegung „En Marche!“, die zerbröckelnde „sozialistische“ Partei (PS), die EELV (Europa Ökologie – Die Grünen) (die bereits eine Allianz mit Macrons Partei anstreben), die RepublikanerInnen und die FN.
Für Mélenchons Kamapgne sind KandidatInnen notwendig, die für einen Bruch mit der Kürzungspolitik stehen. Wir können keine Abmachungen mit Parteien, die diese umsetzen, wie die PS oder Teile der EELV, akzeptieren. Wir brauchen KandidatInnen, die gegen Kündigungen kämpfen, wie die KollegInnen bei Whirlpool oder Tati, die gegen den Abbau von öffentlichen Dienstleistungen, gegen die Zerstörung der Umwelt, für Lohn- und Pensionserhöhungen, Arbeitszeitverkürzung und mehr Jobs, kämpfen. KandidatInnen, die sich von den korrupten und karrieregeilen von „En Marche!“, der RepublikanerInnen, der PS und der FN völlig unterscheiden, würden das zeigen, indem sie nur den durchschnittlichen Lohn eines/einer FacharbeiterInnen annehmen würden.
Wir sind dafür, in jedem Wahlkreis nur eineN KandidatIn rund um dieses Programm aufzustellen. Es sollte möglich sein, für den/die selbeN KandidatIn zu kampagnisieren, egal, ob von Mélenchons La France insoumise („Unbeugsames Frankreich“, FI) oder der französischen Kommunistischen Partei (KPF), bei gleichzeitiger Wahrung ihrer eigenen Freiheit, sich auszudrücken, wenn sie das wollen. Ein Abmachung sollte getroffen werden, wenn schon nicht für eine gemeinsame Kampagne, dann zumindest eine Aufteilung der Wahlkreise. Dass ist entscheidend. Aber wenn die KPF, was scheinbar der Fall ist, fordert, in einer großen Mehrheit der Wahlkreise die HauptkandidatInnen zu stellen und der FI nur jene Gegenden zu überlassen, in denen Mélenchons Ergebnis bei der Präsidentschaftswahl schwächer war, dann wird leider kein anderes Abkommen möglich sein als jenes, das FI schon vorgeschlagen hat: 26 Wahlkreise zu finden, die für die KPF gewinnbar sind und 26 für FI, sodass es keine Konfrontation zwischen den beiden Bewegungen geben wird.
Man muss nicht abwarten, um eine kämpferische Linke aufzubauen!
Angesichts der Tatsache, dass die Politik im Interesse der Bosse fortgesetzt wird, hat die wirkliche Linke eine große Verantwortung und kann das Feld nicht dem FN überlassen. Wir müssen auf dem Schwung aufbauen, der durch die Kampagne um Mélenchon in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen ausgelöst wurde. Das Ergebnis von Mélenchon brachte Hoffnung für „gewöhnliche“ Leute und ein fortschrittliches Programm, das jene angreift, die wirklich für die Krise verantwortlich sind: Die Superreichen, die Banken, die BesitzerInnen von Aktienpaketen.
Mélenchon war am 23. April (1. Runde) nicht weit davon enfernt vor Le Pen zu liegen was die Medien in Alarmbereitschaft versetzte (neun MilliardärInnen besitzen aktuell 90% der französischen Medien). Die ungezügelte Offensive der JournalistInnen und der herrschenden Klassen gegen Mélenchon, die so weit ging, dass er mit Stalin verglichen wurde, zeigte ihre Angst, dass die Massen sein wirtschaftliches und soziales Programm übernehmen und versuchen würden, es in der Praxis umzusetzen.
Wir müssen eine neue politische Kraft mit einer Massenbasis aufbauen, die fähig ist, Wut und Widerstand rund um ein wirtschaftliches und soziales Programm zu organisieren, das jene identifiziert, die wirklich verantwortlich sind: Die KapitalistInnen und ihre RepsräsentantInnen. Hunderttausende von Mélenchons WählerInnen wollen einen Kampf um sein Programm führen. Was in den letzten beiden Wochen der Kampagne gefehlt hat, war eine besser strukturierte FI-Organisation, die fähiger gewesen wäre, sich als eine radikale und kämpferische Bewegung gegen pro-kapitalistische KandidatInnen zu verankern.
Es ist dringend nötig, sich in diese Richtung zu bewegen, denn die Kandidatur für die Wahlen zur Legislative werden Organisierung brauchen. Und vor Allem werden die Wahlen bereits eine Möglichkeit sein, zu verhindern, dass Macron eine Mehrheit in der Nationalversammlung bekommen. Der Wahlkampf ist eine Möglichkeit, einen massenhaften Kampf gegen seine Politik aufzubauen, der Demonstrationen und Streiktage beinhalten wird.
Wir sind für eine solche politische Massenorganisation des Kampfes, eine neue, wirklich demokratische Partei, die ArbeiterInnen, Jugendliche und all jene, die genug haben vom Kapitalismus zusammen bringt. Dafür gibt es nicht eine vielzahl von Lösungen sondern nur eine! Wir müssen einen Kampf führen, um die kapitalistische Diktatur zu beenden, indem wir der KapitalistInnenklasse die Produktionsmittel wegnehmen und die großen Sektoren der Wirtschaft in öffentliches Eigentum unter der Kontrolle und Verwaltung durch gewählte VertreterInnen der Bevölkerung überführen. Eine neue Kraft kann aufgebaut werden mit Massenmobilisierungen und der Diskussion eines Anti-Kürzungs-Programmes, aber auch durch die Verteidigung des demokratischen Sozialismus gegen den Kapitalismus und seiner Diktatur des Profits.
Mit Mélenchons’ Ergebnis und der FI-Kampagne wurde ein großer Schritt in diese Richtung gemacht und wir können sagen, dass die KapitalistInnen von jetzt an einer echten Opposition gegenüberstehen und dass sie wachsen und sich aufbauen wird.
Auf diese Art und Weise wird Gauche Revolutionnaire in der nächsten Periode weiterkämpfen! Mach mit!