Di 02.09.2008
Ein Jahr nach dem Aufruf der LCR (Ligue Communiste Révolutionnaire) zum Aufbau einer linken Alternative, traf sich Ende Juni erstmals das “Nationale Koordinations-Komitee” der Initiative für eine neue anti-kapitalistische Partei. Daran nahmen 900 Delegierte von 300 regionalen Komitees aus ganz Frankreich teil. Über den Entstehungsprozess, das Potenzial, die Zukunft, aber auch über verpasste Chancen der Le Nouveau Parti Anticapitaliste (NPA) berichtet Olaf van Aken, Mitglied der “Gauche révolutionnaire” (Schwesterorganisation der SLP in Frankreich). Das Interview führte Martin Ramberger.
Kannst Du uns die Situation in Frankreich seit den Wahlen kurz schildern.
Im Juni 2007, nach dem Wahlsieg Sarkozys zum Präsidenten Frankreichs, herrschte bis in den Herbst eher eine niedergeschlagene Stimmung unter den ArbeiterInnen und den Jugendlichen. Doch das hat sich schnell geändert, als das erste Angriffspaket von der neuen Regierung verabschiedet wurde. Das hat Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitssystem, Arbeitszeitverlängerung und Angriffe auf das Streikrecht vorgesehen. Für die meisten war klar, dass können sie nicht hinnehmen. Es gab Widerstand, viele verschiedene Streiks im Herbst. Die massiven SchülerInnenstreiks und EisenbahnerInnenstreiks waren die wichtigsten.
Wie kam es zur Entstehung der NPA?
LCR, der Hauptinitiator des Projektes, hat schon öfters mit der LO (Lutte Ouvrière) gemeinsam kandidiert (Anm. zwei in Frankreich relativ starke Organisationen mit trotzkistischer Tradition). Bei den letzten Wahlen leider nicht. Aber sie sind zusammenrechnet auf über 5% (davon 4,1 % für die LCR) gekommen. Dieses Ergebnis ist schon bemerkenswert für die radikale Linke in Frankreich. Es ist auch Ausdruck für die anti-kapitalistische Stimmung und das Potenzial, das für den Aufbau einer neuen sozialistischen ArbeiterInnenpartei existiert. Die Beliebtheit von Olivier Besancenot, Präsidentschaftskandidat und Bundessprecher der LCR ist extrem gestiegen und viele Leute meinen, er sollte eine wichtigere Rolle in der französischen Politik spielen. Im August letzten Jahres dann erfolgte der Aufruf der LCR für den Aufbau der NPA. Es bildeten sich in ganz Frankreich über 300 regionale Komitees.
Was sind Schwächen des Projekts?
Es war ein Fehler, dass es keinen Versuch der LCR/NPA gab in die Bewegung vom letzten Herbst zu intervenieren, auf die ArbeiterInnen und Jugendlichen zu zugehen, sie in ihrem Kampf zu unterstützen und konkrete Vorschläge für den weiteren Aufbau und die Verallgemeinerung der Bewegung zu machen. Sie ließ die Bewegung im Herbst einfach verstreichen. Mit einer offensiven Orientierung auf diese Kämpfe wäre es möglich gewesen, streikende ArbeiterInnen und Jugendliche zusammenzubringen und somit neue Schichten in der neu entstehenden Partei zu organisieren. Eine weitere Schwäche der NPA ist, dass es bisher noch wenig Programmdebatten innerhalb der NPA gab.
Wie steht “Gauche révolutionnaire”(GR) zur NPA?
Wir haben den Aufbau einer neuen antikapitalistischen Partei von Anfang an begrüßt und sind auch Teil der Komitees in verschiedenen Städten. Aber wir fordern eine Programmdiskussion bzw. dass man sich für zukünftige Streiks mit konkreten Forderungen und einer Kampfstrategie vorbereitet, damit die NPA bei der nächsten Streikwelle auf die streikenden ArbeiterInnen zugehen kann. Dazu gehört auch eine stärkere betriebliche bzw. gewerkschaftliche Vernetzung. Wir denken, dass es nötig ist, eine Partei aufzubauen, die ein Kampfinstrument für ArbeiterInnen und Jugendliche gegen die Angriffe der Regierung und der Kapitalisten wird. Eine Partei, die die Tagesforderungen der ArbeiterInnenklasse mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft verknüpft. Eine Partei ohne Orientierung auf die kommenden Klassenkämpfe und die ArbeiterInnenklasse allgemein, eine Partei, die sich auf antikapitalistische Forderungen beschränkt, wird sich längerfristig nicht aufbauen können.
In den Komitees und den regionalen und landesweiten Treffen setzen wir uns daher für ein sozialistisches Programm ein und schlagen gleichzeitig konkrete Schritte und Kampagnen für den Aufbau der NPA vor. Wir werden zum Beispiel vorschlagen, dass die NPA eine konsequente Kampagne gegen die im Herbst anstehende Teilprivatisierung der Post führt. Vor dem Hintergrund, dass Olivier Besancenot der bekannteste Briefträger Frankreichs ist, wäre eine solche Kampagne bestens geeignet, um den Kampf der Postbeschäftigten zu unterstützen und breitere Schichten in der NPA zu organisieren und in den Kampf gegen Sarkozys Politik zu ziehen.