Mo 11.03.2013
Es war nicht so, dass die ÖsterreicherInnen am Abend des 4. März 1933 in einer funktionierenden Demokratie schlafen gingen, und am nächsten Tag plötzlich in einer Diktatur erwachten. Die austrofaschistische Diktatur hatte sich schon spätestens seit 1927 angekündigt. Umgesetzt wurde sie von der christlich-sozialen Regierung mittels Salamitaktik: So stärkte die Bundesverfassungsnovelle 1929 zunächst die Autorität der Regierung gegenüber dem Parlament, 1932 dann beschnitt die Regierung die Kontrolle durch Justiz und Presse; nach der sogenannten „Selbstausschaltung des Parlaments“ 1933 regierte Bundeskanzler Dollfuß zuerst mit Notverordnungen, um schließlich jede Opposition auch physisch auszuschalten: „Es ist klar, daß zunächst viel Schutt, der sich in den Jahren seit dem Bestande der Republik angehäuft hat, weggeräumt werden muß“, schrieb er dem „Duce“ Benito Mussolini. Dieser „Schutt“ wurde im Februar 1934 letztendlich weggeschossen, aufgehängt, interniert. Da war sie jetzt, die österreichische Diktatur – nur 15 Jahre nach den revolutionären Ereignissen am Ende des 1. Weltkrieges und nachdem die Elemente von ArbeiterInnen-Demokratie durch die bürgerliche Demokratie – unter Mithilfe der Sozialdemokratie – beseitigt wurden.
Und all das ging – wie auch im Deutschland der Weimarer Republik – zwar inklusive Verfassungsbruch, aber doch auf dem „Boden der (bürgerlichen) Demokratie“ vonstatten.
Auch nach 80 Jahren ist die bürgerliche Demokratie gegen diktatorische Tendenzen genauso wenig immun wie 1933. Die rechts-nationalistische ungarische Regierung unter Viktor Orbán ist nur das offensichtlichste Beispiel dafür: Solange die Interessen der „Wirtschaft“ nur gewahrt bleiben, duldet die „Demokratie“ á la EU sogar ein mehr oder weniger offen antidemokratisches Regime in ihren Reihen.
Nicht weiter verwunderlich, denn seit jeher schon legen die Herrschenden ihr demokratisches Mäntelchen ab, sobald das letztlich auf Profitmaximierung gegründete Gesellschaftsmodell der bürgerlichen Demokratie die Begehrlichkeiten der „freien Märkte“ nicht mehr befriedigen kann. Erst recht in Krisen und bei sich zuspitzenden sozialen Konflikten setzen sie auf die diktatorische Karte.
Heutzutage wird diese allerdings nicht mehr im Stechschritt paramilitärischer Parteiverbände gezogen, sondern sie kommt als „alternativloser Sachzwang“ daher und schickt als pseudodemokratische Speerspitze eine sogenannte „Expertenregierung“ vor, wie zuletzt in Spanien, Griechenland oder Italien. „Sie kommt immer dann, wenn sonst gar nichts mehr geht“, gab selbst die „Financial Times Deutschland“ zu, und „Le Monde diplomatique“ bemerkte, dass „da im Prinzip nur verschleiert [wird], dass es sich um eine Regierung der Banker handelt“. Solche demokratisch durch nichts legitimierte TechnokratInnen-Kabinette sind es auch, die grausamste Sparprogramme verordnen und zu ihrer Durchsetzung bürgerliche Grundrechte quasidiktatorisch außer Kraft setzen. Dazu stellen sie noch offen faschistische Parteien wie etwa die „Goldene Morgenröte“ gleichsam als Rute ins Fenster. Und all das unter dem beifälligen Kopfnicken einer EU-Troika, die auch nie jemand gewählt hat. Schließlich gelte es am Ende in Europa eine „marktkonforme Demokratie“ herzustellen, meinte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.
Allerorten werden dieser Tage vor unseren Augen Gesetze ständig verschärft, Überwachungssysteme ausgebaut und im Namen einer nationalen Sicherheit die Staatsapparate aufgerüstet – und das alles angeblich zum Schutz der Demokratie.