Mi 01.10.1997
Die Pensionsdebatte: Seit Jahresbeginn dreht sich das innenpolitische Karussell hauptsächlich um sie. Zuerst ging es noch um Kürzungen des Bundesbeitrages im ASVG -Bereich (= Arbeiter und Angestelle) und des “Ruhegenusses”, der Beamtenpension. Der Plan der dahinter stand, war das Budget “EURO-fit” zu halten.
Für die aktuellen Kürzungspläne holte sich das Sozialministerium mittels Gutachten bei Professor Rürup Unterstützung. Obwohl der Herr Professor bereits als Sozialabbaugehilfe der deutschen Regierung bekannt war, gab die Gewerkschaftsseite zu dieser Vorgangsweise ihren Sanktus. Die Studie wurde am 3. Juli veröffentlicht. Seitdem geht es nicht mehr um Kürzungen, sondern um eine “Strukturreform” im Pensionssystem: Länger Arbeiten - weniger Leistungen. Wir nennen das Sozialabbau. Das Konzept von Wirtschaftskammer und Regierung ist klar: Der Gedanke einer solidarischen Pensions- und Sozialversicherung ist passé. Langfristig soll die Altersvorsorge immer stärker in den Privatbereich abgeschoben werden. Riesige Geschäfte winken: Schon jetzt boomen die privaten Versicherungen wegen der allgemeinen Angstmache. Gleichzeitig würde die “private Vorsorge” die Unternehmer aus der Verantwortung entlassen - schließlich zahlen sie derzeit für jeden Arbeitnehmer Arbeitgeberbeiträge in die Pensionskasse.
Als erste fixe Maßnahme der Regierung zur “Finanzierung” der Pensionen wurden 1,5 Milliarden vom Arbeitsmarktservice (AMS) in die Töpfe der Pensionsversicherung transferiert. Dem grünen Wirtschaftssprecher, Alexander Van der Bellen, fiel dazu nichts anderes ein, als die Regierung darauf hinzuweisen, daß solche Transaktionen “nicht Maastricht konform sind!”.
Daß das Geld im Topf des AMS fehlt und somit wieder der Ruf nach weiteren Verschlechterungen für Arbeitslosen- und Notstandsbezieher nachsichzieht, ist ihm nicht eingefallen. So dreht sich die soziale Spirale immer weiter abwärts. Bei explodierenden Gewinnen werden die Probleme weiter auf dem Rücken der Unselbständigen ausgetragen.
Der Hauptbrocken aber ist die geplante Erhöhung des Durchrechnungszeitraumes für die Bemessungsgrundlage der Pensionen. Nach dem Plan der Regierung soll die Erhöhung gestaffelt werden und all jene “bestrafen”, die entweder in die vorzeitige Alterspension, da sie ihre Jahre beisammen haben, oder in die Invaliditätspension (!) gehen.
Der arbeitende Mensch als Kostenfaktor soll möglichst lange gewinnbringend eingesetzt werden können - ein Modell, das übrigens unter Garantie auch die Zahl der Arbeitslosen weiter steigen läßt. Nach einer Berechnung der GPA würden alleine diese Maßnahmen für den durchschnittlichen Arbeitnehmer Einbußen zwischen 4% und bis zu 11% bedeuten. Für eine bunte Koalition vom ‘Profil’, über ‘Kronenzeitung’ bis hin zur Wirtschaftskammer sind solche Wortmeldungen in den letzten Wochen der Anlaß, eine regelrechte Hetze gegen die Gewerkschaften loszutreten. Es ist positiv, daß sich der ÖGB hier der Konfrontation stellt und richtigerweise auf die negativen Folgen der geplanten “Reform” für die ArbeitnehmerInnen hingewiesen hat. Die Frage ist, ob auf die verbalen Auseinandersetzungen Taten folgen. Der Druck Richtung Kampfmaßnahmen wächst an der Basis, auch wenn Gewerkschaftsboß Verzetnitsch derlei noch immer als “Sandkastenspiele” bezeichnet.