Fr 13.07.2007
Generationen von SchülerInnen kannten die Stadt Pisa wegen der Schieflage ihres Turms. Heute ist der Name dieser Stadt Sinnbild für die Schieflage im österreichischen Bildungssystem.
Das alte Spiel mit den Sündenböcken
Einhelliger Tenor der meisten negativen Befunde (zumindest zur Bundeshauptstadt): zu viele “Ausländerkinder”, die nicht richtig Deutsch können, drücken das Leistungsniveau. Es ist zweifelsohne ein Problem, wenn SchülerInnen aufgrund Schwächen irgendwelcher Art dem Unterricht nicht folgen können. Aber die SchülerInnen sind nicht das "Problem", sie sind das Opfer einer falschen Bildungspolitik! In Österreich werden SchülerInnen bereits früh schultechnisch schubladisiert. Konkret bedeutet das eine Aussiebung, wer in die Sonderschule, Hauptschule, ins Gymnasium, die HTL, HAK etc. gehen muss. Ist einmal ein "Schulweg" eingeschlagen, gibt es nur mehr schwer einen Richtungswechsel.
Was ist die Gesamtschule? Oder was sollte sie zumindest sein?
Alle Kinder und Jugendliche besuchen eine gemeinsame Schule. Unabhängig davon, ob sie behindert oder als "schwache" oder "starke" SchülerInnen eingeschätzt werden. Das konservative Argument der "Gleichmacherei" zieht dabei nicht. Gesamtschule bedeutet nicht, dass alle unabhängig von ihren Neigungen und Fähigkeiten "gleich" unterrichtet werden. In den bunt gemischten Klassen soll stärker auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen SchülerInnen eingegangen werden. Klar ist, dass das nicht mit einer/m LehrerIn pro Klasse funktionieren kann. Dafür braucht es BegleitlehrInnen, die sich in ihren Fähigkeiten ergänzen. Diese Rahmenbedingungen zu schaffen ist vor allem eine politische Entscheidung.
Diese Forderungen scheinen völlig utopisch? Stimmt nicht, denn sie sind in den sogenannten Eliteschulen schon lange Realität. Dort gibt es kleine Klassenverbände, BegleitlehrInnen, Laptopklassen, Vertiefungs- und Förderungsangebote uvm. Eine Gesamtschule hieße folglich: jene – bewährten – Methoden und Ressourcen, die bislang nur einer kleinen Elite zur Verfügung standen, für alle Kinder zugänglich zu machen.
Gesamtschule bedeutet auch, die Eigenverantwortung und soziale Kompetenz der SchülerInnen in den Vordergrund zu stellen. Die SchülerInnen sollen einander gegenseitig unterstützen und helfen. Die LehrerInnen werden gemäß der modernen Pädagogik vom Vortragenden zur/m LernbegleiterIn. Auch das ist kein völlig neuer Ansatz. Schon in der Wiener Schulreform der 20er Jahre wurde dem Konzept der Drillschule jenes der Lernschule erfolgreich entgegengestellt.
GÖD-Führung fährt reaktionären Kurs
In der LehrerInnenausbildung wird (zumindest in Wien) Wert auf pädagogische Ansätze gelegt, die die SchülerInnen in den Mittelpunkt des Unterrichts rücken. Das kann in einer Gesamtschule besser umgesetzt werden als in Großklassen. Umso verwunderlicher ist, dass sich der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft (GÖD), Fritz Neugebauer, so vehement gegen eine Gesamtschule ausspricht.
Nicht umsetzbar? In vielen Ländern ist die Gesamtschule bereits Realität und bewährt sich. Die unterschiedlichen Erfahrungen zeigen, dass gerade Defizite einzelner SchülerInnen besser und schneller ausgeglichen werden können. Und die Gesamtschule ist ein sozialpolitisches Steuerungsinstrument, um die Chancen von SchülerInnen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten besser auszugleichen. Je länger diese Gesamtschule schließlich dauert, desto besser können sich die Jungendlichen entwickeln und auf den späteren Lebensweg vorbereiten.
Öffentlich und kostenlos für Alle!
Die SLP fordert daher die öffentliche und kostenlose Gesamtschule mit integrierter Berufsausbildung in Lehrwerkstätten für alle Kinder und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr und ein Ende des Privat- und Eliteschul(un)wesens. Alle Kinder und Jugendlichen haben unabhängig von ihrer Herkunft das gleiche Recht auf gute Bildung!
Was den Schwachen guttut,...
Unter dem Motto “ Was den Schwachen guttut, nützt auch den Starken”
listete Martin Schenk in der Tageszeitung “Die Presse” (!) einige bemerkenswerte Fakten zur Schuldebatte auf:
“In Finnland (sechs Prozent), Schweden (13 %) und den Niederlanden (elf %)
finden sich deutlich weniger Schüler am unteren Ende der Leistungsverteilung als in Österreich (21 %). Gleichzeitig erreichen 15 % der finnischen, elf Prozent der schwedischen und neun Prozent der niederländischen Schüler mit Level fünf den obersten Leistungsbereich im Lesen (in Österreich acht Prozent). Die Förderung von Spitzenleistungen muss nicht auf Kosten der Förderung von schwachen Schülern gehen.”
... nützt auch den Starken.
(Quelle: Die Presse, 22.6.2007)