Di 27.08.2013
Die späten 80er Jahre des 20. Jahrhunderts waren von den Massenaufständen in Osteuropa geprägt. Es begann in Polen mit dem Streik der WerftarbeiterInnen und endete im Zusammenbruch der stalinistischen Staaten 1989/90. Ohne ArbeiterInnenpartei, ohne eine politische Kraft, die für echten für echten, demokratischen Sozialismus zu kämpfen bereit war, führte die Bewegung in eine Restauration des Kapitalismus. In vielen Ländern nutzten stalinistische Wendehälse die Gunst der Stunde. Jelzin, Naserbajev und viele andere biederten sich den bürgerlichen Regimes im Westen an und sicherten sich bei der Einführung der Marktwirtschaft enorme Reichtümer. Armut, Korruption, Deindustrialisierung und mafiöser Kapitalismus waren die Folge.
Das politische Bewusstsein wurde stark zurückgeworfen. Trotz verschiedener sozialer Kämpfe dominierten Nationalismus, Unterdrückung der Roma, verheerende Bürgerkriege und der Aufstieg obskurer populistischer Parteien. Doch die Illusionen in den Kapitalismus begannen zu bröckeln. Große Streiks und Massendemonstrationen nehmen zu. Auch das antikapitalistische Bewusstsein steigt. Bewegungen wie in Rumänien Anfang 2012, in Slowenien oder 2013 in Bulgarien zeigen deutlich, das kämpferische Proteste kein Phänomen nationalistischer Hooligans sind. Obwohl in vielen dieser Länder linke Gruppen noch klein sind, ziehen die Protestbewegungen oft linke Schlüsse.
In Polen konnte die Regierung 2009 noch stolz auf einen Wirtschaftsaufschwung verweisen. Dieser basierte auf einer Währungsabwertung, der massiven Ausweitung prekärer Arbeitsverhältnisse und dem Geld polnischer MigrantInnen. Nun hat die Krise Polen erreicht. Im Jänner 2013 lag die Arbeitslosigkeit bereits offiziell bei 14,2 %. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 28,5 %. Bereits zum Jahresende 2012 einigten sich die Gewerkschaften auf einen Generalstreik. 2012 wurde in Polen das Pensionsalter auf 67 für Männer und Frauen angehoben. Dagegen gab es tagelange Demonstrationen. Am 26. März 2013 kam es zu einem regionalen Generalstreik in Schlesien im Süden Polens. Mehr als 100.000 ArbeiterInnen, vor allem Berg- und Stahlarbeiter, beteiligten sich an dem dreistündigen Streik. Eine zentrale Forderung war die Eindämmung der unsicheren Arbeitsverträge und die Beibehaltung des Frühpensionssystems für SchwerstarbeiterInnen. Der „schlesische Generalstreik“ war als Generalprobe für einen gesamtpolnischen Generalstreik organisiert. Gut möglich, dass die Wut der Menschen noch vor dem Sommer zum Generalstreik führt. „Alternatywa Socjalistyczna“, die Schwesterpartei der SLP und polnische Sektion des CWI, ist ein aktiver Teil der Proteste und versucht auch, diese mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus zu verbinden. In Polen war auch der Widerstand gegen ACTA enorm. Am 17. Juli 2010 gab es die größte osteuropäische Regenbogenparade. „Alternatywa Socjalistyczna“ mobilisierte aktiv und trat vor allem für eine Verbindung der LGTBQ-Bewegung mit anderen sozialen Bewegungen ein. Dafür gibt es konkrete Ansätze: So kommt es z.B. immer wieder vor, dass schlesische Bergarbeiter Aktionen der LGTBQ-Bewegung aktiv unterstützen und als Schutz vor rechtsextremen Übergriffen begleiten.
In Bulgarien musste im Februar die Regierung zurücktreten. Eine massive Strompreiserhöhung brachte die Menschen auf die Straße. Auch die niederösterreichische EVN verdient an der bulgarischen Armut. Nach tagelangen Protesten mit Massendemonstrationen nahm die Regierung die Strompreiserhöhungen zurück und trat ab. Allerdings ging die ex-Regierungspartei aus den Wahlen wieder als stärkste Partei hervor. Noch am Wahlabend gab es in Sofia Proteste. Die Pressekonferenz der Parlamentsparteien wurde gestürmt, die Vertreter der faschistischen Atakapartei vertrieben, und eine Annullierung des Wahlergebnisses verlangt. Ein Wahlbetrug ist gut möglich, aber es zeigt sich ein Dilemma: Ohne neue linke Partei kann selbst eine Protestbewegung ihre Erfolge nicht politisch absichern.
Für uns "im Westen" ist es wichtig, uns nicht gegen die KollegInnen im Osten ausspielen zu lassen: ÖGB & Co. sollten die Proteste aktiv unterstützen und dabei auch gegen die österreichischen Konzerne und Banken, die in Osteuropa verdienen, vorgehen. Mit den aktuellen Kämpfen knüpft die osteuropäische ArbeiterInnenklasse an die Tradition der Massenkämpfe von 1989 an. Das CWI wird überall versuchen, die aktuellen Kämpfe zu unterstützen und mit einer sozialistischen Perspektive zu verbinden. In Russland, Polen Tschechien und Ungarn tun wir das bereits vor Ort, weitere Länder werden folgen.