Cuba-Drinks für sieben Euro?

Musikfestivals zwischen Kapitalismuskritik und Kommerz
Sebastian Kugler

"Rock for sustainable capitalism?"

17:30: "Change has never come from above! It always came from people like you and me!" brüllt der Bassist von Anti-Flag ins Mikrophon. "Let's see some unity! Everybody! Raise your fist in the air!" Ungefähr 2000 Fäuste schnellen gleichzeitig in die Höhe und Anti-Flag spielen den nächsten Song, in dem Kapitalismus und Krieg angeprangert werden.
19:45: Rise Against spielen vor einem riesigen Transparent auf dem, weiß auf schwarz, in Großbuchstaben, "RISE" steht. Zwischen zwei Songs prangert der Sänger die Verhaftung der 10 TierschutzaktivistInnen in Österreich an.
23:45: Ein Transparent mit einem gigantischen roten Stern wird gehisst. Verstärker werden mit verkehrten USA-Flaggen und Che Guevara- Fahnen geschmückt. "Good Evening, we're Rage Against The Machine from Los Angeles, California", sagt Zack de La Rocha, seines Zeichens Sänger der Band und eine der wichtigsten antikapitalistischen Symbolfiguren der letzten Jahre. Zigtausende brüllen "It has to start somewhere/ It has to start sometime/ What better place than here?/ What better time than now?/ All hell can't stop us now!" und heben die Faust. Vor den Zugaben verlässt die Band die Bühne und die ersten beiden Strophen der "Internationale" werden auf Russisch eingespielt. Rage Against The Machine spielen noch zwei Songs und beenden damit das Nova Rock 2008.
Für einen Moment könnte man meinen, dass das nur der Auftakt war. Man könnte meinen, dass die Leute kurz vor einem spontanen Aufstand sind. Aber nichts davon. Die Musik ist aus, der rote Stern weg und alles ist so, als wäre gerade Elton John aufgetreten, nur schmutziger. Das ist nur einer der paar Schönheitsfehler, die das eben Erlebte etwas unglaubwürdig erscheinen lassen. Es kommt nun mal nicht gut, wenn man gerade beherzt zum Aufstand gegen das System aufruft und direkt neben einem die Symbole der Sponsoren (Coca Cola, Sony, etc.) prangen und ein paar hundert Meter werden die Bandshirts um 35(!) Euro verkauft.

Abzocke

Die Widersprüchlichkeiten lassen sich noch ins Unendliche fortführen. Fakt ist, dass die Maschinerie des Kapitalismus auch vor Festivals keinen Halt macht, im Gegenteil. Die Karten für die großen Festivals Österreichs kosten dieses Jahr von 100 Euro aufwärts. Essen gibt's am Nova Rock nicht unter 3 Euro. Für etwas, das halbwegs satt macht, muss man mindestens 4,50 Euro bezahlen. Bier um 4,50 Euro und als besondere Ironie, Drinks an der Cuba-Bar ab 7 Euro. Che rotiert wohl in seinem Grab mit Lichtgeschwindigkeit.
Die Festivalbesucher sind meist junge Menschen, also SchülerInnen und Studierende. Das heißt, dass sie dank Studiengebühren etc. oft ohnehin schon genug Geldprobleme haben. Viele SchülerInnen gehen in den Ferien extra arbeiten, um sich einen Festivalbesuch finanzieren zu können.
Am Festival selbst wird den Besuchern noch bei jeder anderen Möglichkeit das Geld aus der Tasche gezogen. Neben den bereits erwähnten horrenden Lebensmittelpreisen kosten auch die für die An- und Abreise unverzichtbaren Shuttlebusse Geld.

Monopolstellung

Seit 2005 dominieren zwei Veranstalter das österreichische Geschäft. Die Firma Nova Music von Ewald Tatar, die Nova Rock organisiert, und die Firma Musicnet, deren Steckenpferd das Frequency Festival ist. Die Grenzen dieser Firmen sind schon längst verschwommen, die Firmen arbeiten eng über die Promotionagentur Freundliches Marketingservice (FMS) zusammen. Außerdem sind sie durch denselben internationalen Partner auch finanziell verbunden: Der Hamburger Konzertveranstalter FKP Scorpio besitzt von beiden Firmen ungefähr ein Drittel der Anteile. Trotz der Beteuerung beider Seiten, dass Nova Music und Musicnet zwei getrennte Unternehmen seien, ist eindeutig, dass hier eine Hybridfirma die Kontrolle über das gesamte Festivalgeschehen in Europa hat - Nova Music und Musicnet teilen sich sogar dasselbe Büro im 8. Bezirk. Betreiber alternativer Festivals (zum Beispiel in Wiesen) kämpfen schon ums Überleben.
Damit stört der Kapitalismus auch den Musikgenuss auf den Festivals. Die logische Folge dieses Monopols ist nämlich, dass jedes Jahr mehr oder weniger dieselben Bands kommen, die Geld hineinbringen. Platz für Geheimtipps oder alternative Bands gibt es in diesem System kaum.
Die Festivals müssten demokratisch organisiert werden, genauso wie die Auswahl der Bands. Beispielsweise könnte man mit dem Kauf einer Karte eine Möglichkeit bekommen, bei der Planung und Organisation mitzubestimmen. Dafür muss sich natürlich auch jeder diese Karten leisten können.

*Sebastian Kugler, aktives Mitglied der SLP, ist Sieger des diesjährigen 56. Jugendredewettberbs. Er trat mit einem Klassenkollegen in der Kategorie "Sprachrohr" an und die beiden zeigten anhand eines kabarettistischen Vorstellungsgesprächs, mit welch schwierigen Bedingungen junge ArbeitnehmerInnen heutzutage zu kämpfen haben und wie sehr sie der Willkür ihres Chefs ausgeliefert sind.

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