Sa 01.12.2001
Am 7. Juni hat Britannien gewählt, der erwartete Sieg für ,,New Labour” ist eingetreten - bei einer Wahlbeteiligung von nur 59%. Bedeutet der Sieg der Labour Party für die britischen ArbeiterInnen Hoffnung oder stellt er eine Drohung dar?
Tatsache ist, dass die Labour Party in der letzten Legislaturperiode weniger in den öffentlichen Sektor investiert hat als die letzte konservative Tory-Regierung; Tatsache ist auch, dass Jack Straw, Labour Innenminister, sogar für die Tories zu radikal und autoritär in einem Regierungskabinett wäre. Fazit: New Labour setzte da an, wo die Tories aufhörten; oft war ihre Politik noch neoliberaler, was sich in Unterstützung durch Konzerne und fast alle Medien für New Labour niederschlug. Die Einführung von Studiengebühren in der Höhe von 1.000 Pfund/Semester (öS 23.000) und die Privatisierungen der letzten Jahre gehen auf ihr Konto. Trotzdem trug die Labour Party den erwarteten Sieg davon. Gewählt wurde sie von Tory-KernwählerInnen, aber auch von ArbeiterInnen die zwar keine Hoffnung, aber auch keine Alternative sahen.
Die Tories unter dem farblosen Thatcher-Schützling William Hague fuhren die erwartete Niederlage ein. Da der Unterschied zwischen New Labour und den Torries mit bloßem Auge nicht mehr erkennbar ist, gerieten letztere in eine Sinnkrise. Um wieder heraus zu kommen versuchten sie zunehmend auf rechten Populismus zu setzen.
Establishment - Nein danke
Die britischen Wahlen folgen einem internationalen Trend: ob USA oder Britannien, ob Israel, Peru oder Wien - die KandidatInnen gleichen sich meist bis ins kleinste politische Detail und überall sinkt die Wahlbeteiligung. Die Ablehnung des politischen Establishments ist überall konstatieren - in Britannien wählten nur 38 % der JungwählerInnen. Weltweit sind die Nichtwähler- Innen inzwischen die größte Partei.
Wegen der Zerschlagung des Sozialstaates und einem Mangel an politischen Alternativen kann die extreme Rechte - wie in Italien oder Österreich - aus diesem Resavoir schöpfen. Die faschistische BNP erhielt bei dieser Wahl ihr bestes Ergebnis seit 1945 und schnitt besonders gut in Oldham ab - jener Stadt in der es vor der Wahl zu Nazi- und Polizeiübergriffen und Straßenschlachten gekommen war. Nicht unwahrscheinlich also, dass bei weiteren - von Blair schon angekündigten - Privatisierungen und Kürzungen im öffentlichen Sektor die britischen WählerInnen auf die rechtsradikale Rhetorik der Tories ansprechen werden.
Linke Alternative
Gerade deswegen ist es notwendig, eine neue, linke Kraft jenseits neoliberaler New-Labour-Politik aufzubauen. Dass es grundsätzlich auch möglich ist, erfolgreich gegen New Labour zu kandidieren, hat die Kandidatur des vermeintlichen Linkspopulisten Ken Livingstones bei den BürgermeisterInnenwahlen in London letztes Jahr bewiesen. Er hat es jedoch sträflich verabsäumt Schritte in Richtung einer neuen Partei zu setzen.
Die Socialist Party, die englischen Sektion des CWI, ist ein weiterer Beweis, dass New Labour zu schlagen ist. Sie stellt insgesamt fünf GemeinderätInnen, die sich trotz britischen Mehrheitswahlrechtes gegen die KandidatInnen aller anderen Parteien durchsetzten. Die Socialist Party hat auch bei den britischen Unterhauswahlen vom 7. Juni inner- wie außerhalb der Socialist Alliance (SA), der diverse linke Gruppierungen angehören, kandidiert. Die SA erhielt insgesamt 57.553 Stimmen, die SLP von Arthur Scargill (nur zufällige Kürzelgleicheit mit der österreichischen SLP), eine andere reformistische Organisation, erhielt 57.289. In Schottland erzielte die SSP, eine neue linke Partei 72.518 Stimmen. Die Socialist Party stellte 12 % aller SA-KandidatInnen, aber wegen der guten Verankerung und des engagierten Wahlkampfes 15,5 % der Stimmen der SA. Der SP-Kandidat Dave Nellist in Coventry North East erzielte mit 7,5% das beste SA-Ergebnis.
Klar ist jedoch, dass eine neue ArbeiterInnenpartei an sich nicht einfach aus dem Zusammenschluss bestehender Organisationen entstehen kann, sondern vielmehr aus den Bewegungen der ArbeiterInnenklasse vor allem auch aus den Gewerkschaften. Hier haben die letzten Jahre wieder eine Zunahme von Streiks gezeigt. Auch in den Gewerkschaften regt sich Widerstand gegen New Labour. Die UNISON, die Gewerkschaft öffentlichen Dienstes und größte Einzelgewerkschaft Englands, hat auf Antrag von SP-Mitgliedern beschlossen, ihre traditionelle finanzielle Bindung an New Labour neu zu diskutieren.
Die Rolle, die die SA beim Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei spielen kann, ist, diesen Prozess zu beschleunigen - oder ihn zu bremsen. Denn dass auch ein Projekt wie dieses die arbeitenden Bevölkerung nicht automatisch vertritt, zeigt das Beispiel Hackney. Dort wie anderswo wurde an linke BetriebsrätInnen, die versuchten, einen eigenen Kandidaten (ein SP-Mitglied) zu stellen, die Anforderung gestellt, innerhalb der SA zu kandidieren. Als dies nicht akzeptiert wurde, entschloss sich die SA zu einer Gegenkandidatur. Aufgrund von Vereinnahmungs- versuchen der SA seitens der SWP (britische Sektion der ,,Linkswende”) droht die Socialist Alliance mehr ein starres Gefüge mit toten Strukturen denn eine neue, dynamische und sozialistische Bewegung zu werden. Damit künftige Bewegungen der ArbeiterInnenklasse nicht an diesem Projekt vorbeigehen, ist eine - von einigen Organisationen innerhalb der SA angestrebte - Veränderung notwendig.