Fr 18.05.2012
Trotz des Verbotes der Kundgebung des „Grundrechtekomitees“ für Versammlungsfreiheit viele hundert Menschen vor Ort. Die Polizei konnte Besetzungen nicht räumen und griff zu rabiaten Maßnahmen. TeilnehmerInnen blieben friedlich und konterkarierten damit die Einsatzstrategie gezielter Provokation und Eskalation. Einschüchterungsmaßnahmen setzen Grundrechte außer Kraft
Der heutige Aktionstag war von einem entschlossenen und geschlossenen Protest geprägt, der der Polizei nicht die Bilder und vor allem nicht die Legitimation für ihren massiven Einsatz lieferte.
Die Stadt Frankfurt kann mittlerweile als Notstandszone bezeichnet werden, indem für alle offensichtlich bürgerlich-demokratische Grundrechte außer Kraft gesetzt werden. Bereits ab den Nachtstunden wurden ankommende Busse abgefangen und in langwierigen Prozessen kontrolliert. Nach zermürbenden Stunden des Wartens bekamen alle Reisenden präventiv, ohne eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit irgendeiner Art begangen zu haben, ein Aufenthaltsverbot für die Stadt Frankfurt bis einschließlich Sonntag, 18 Uhr. Das bedeutet, dass sie nicht einmal an der genehmigten Demonstration am Samstag teilnehmen könnten. Sollten sie dennoch die Stadt betreten, würden die Personen in Gewahrsam durch die Polizei genommen.
Es wurde von einigen Bussen berichtet, die in der Nacht die Rückreise angetreten haben. Bündnisbusse von Blockupy, die am Morgen bereits aus Berlin ankamen, versuchten S-Bahn-Stationen der umliegenden Städte anzufahren. Dabei wurden sie von dutzenden Einsatzwagen „eskortiert“, die verhindern sollten, dass die BlockupiererInnen zu einer Station gelangen. Nach zehn und mehr Stunden gelang es ihnen dann endlich, zum DGB-Haus zu gelangen.
Verbote zunichte machen – Paulsplatz und Römerberg besetzt
Morgens, zehn Uhr am Gewerkschaftshaus: Lage besprechen, Informationen sammeln und austauschen, die nächsten Aktionen besprechen. Anfangs befinden sich ein paar dutzend AktivistInnen vor Ort, die Zahl steigt. Plötzlich erreicht die Anwesenden die Nachricht, dass die Polizei auf der Vorderseite mit 15 Mannschaftswagen Position bezieht. Kurz danach fahren ebenso viele auf der Rückseite vor, auf der sich auch die Volksküche und die Organisation befindet. Ein Wagen will auf das Gelände fahren. Sofort wird reagiert, man stellt sich in den Weg. Polizei, die unbefugt das Gelände eines Gewerkschaftshauses betritt? Das hat für alle den bitteren Beigeschmack einer anderen Zeit, in der Gewerkschaftsorganisationen von der Staatsmacht drangsaliert und angegriffen wurden. Die Absicht war offensichtlich: reine Provokation.
Nachdem diese ins Leere verlief, verließen die Einsatzkräfte den Platz, um in der Nähe des Hauptbahnhofes und in der Innenstadt Stellung zu beziehen. Die Ansage lautet: In Zweiergruppen in das Bahnhofsgebäude kommen und dort auf weitere Treffen um davon ausgehend eine zahlreiche Aktion zu machen. Zum Beispiel zum Paulsplatz gehen, auf dem eine Kundgebung für die Versammlungsfreiheit verboten wurde.
Die PolizistInnen im Inneren werden sich der Anwesenheit unerwünschter und kriminalisierter Personen schnell Gewahr und der Plan wird dahingehend geändert, mit der U-Bahn zum Römer zu gelangen, um die verbotene Versammlung abzuhalten.
Auf der von attac und DIE LINKE organisierten Protestkundgebung befinden sich 500 Personen, als die Polizei den Kessel und damit alle Zugänge zum Platz abriegelt. Die Stimmung war ausgelassen. Die zu erwartenden Durchsagen der Polizei, dass alle an einer nicht genehmigten Versammlung teilnehmen würden, gingen in einem Pfeifkonzert unter, über ein Megaphon kamen Redebeiträge, die sich gegen die Maßregelung richteten und den legitimen Protest gegen die Herrschaft der Troika betonten. Zwischendurch ertönte die Internationale, bevor das erste Zelt unter Jubel den Platz erreichte.
Etwa eine Stunde später zog die Polizei ihren Ring um das Camp enger und rückte vor. In kleinen Gruppen standen sie zwischen den Protestierenden, um zu provozieren. Als es dann zum ersten Angriff auf das Camp kam, wurde dieser entschlossen durch Kettenbildung abgewehrt – die BeamtInnen wurden wieder auf ihre Position zurückgeschoben. Selbst ein zweites Mal gelang es ihnen nicht, obwohl sie vorrückten, während ein großer Teil der PlatzbesetzerInnen ein Plenum im Zentrum der Besetzung abhielt. Ein paar Rufe genügten. Die Reaktion war wieder schnell und eindeutig. Mittlerweile wurden in der Mitte einige Zelte aufgestellt. Die Polizei ging mittlerweile dazu über, die Megaphonreden durch Durchsagen von einem Lautsprechermast zu stören.
Dann folgte die begeisternde Nachricht. Der Römerberg, ein Platz direkt neben dem besetzten Paulsplatz, wurde von 500 AktivistInnen besetzt, zehn Zelte wurden aufgeschlagen. Viel Jubel ging herum, das machte Mut. Einige verbanden den historischen Ort der Paulskirche mit der Märzrevolution und dem Kampf um demokratische Rechte.
Später behelmte sich ein Stoßtrupp der Polizei und brach in einer keilförmigen Formation durch die Ketten der DemonstrantInnen, um zu den Zelten zu gelangen und diese zu beschlagnahmen. Sicherlich wollten sie auf der einen Seite Hindernisse für eine folgende Räumung aus dem Weg schaffen. Hauptzweck der Aktion war wieder die Provokation.
Nach einer derart massiven Hetzkampagne in den Medien, der Aussetzung von Teilen der Verfassung und einem so kostspieligen Einsatz, um die Banken zu schützen, brauchen sie die Eskalation als Rechtfertigung dafür. Doch selbst in diesem Moment blieb es bestimmt, doch ruhig. Die vielzähligen KollegInnen der Presse bekamen gute Bilder von einem schwarzen Block, der blockiert, provoziert und grundlos Gewalt anwendet – den Polizeieinheiten.
Diese Aktion hatte jedoch den Effekt, dass sich immer mehr Menschen aus der Besetzung entfernten und eine schnelle Räume durch zahlenmäßige Unterlegenheit drohte. Daraufhin entschieden sich nach und nach Bezugsgruppen, den Ort zu räumen. Mittlerweile waren über vier Stunden vergangen und man war sich einig, in einer erfolgreichen Aktion gegen das Verbot angegangen zu sein.
Die Abziehenden vom Paulsplatz gingen zum Römerplatz, um die dort mittlerweile umringte Besetzung zu verstärken. Trotz lockerer Reihen der Polizei, ließ man sie nicht durch, also sammelten sie sich davor. Offensichtlich waren die älteren Herren der Einsatzkräfte, die dort in Lücken standen dazu gedacht, zum Durchbrechen einzuladen, um endlich ein paar gute Bilder als Beweis für die Gewaltbereitschaft zu bekommen. Doch weit gefehlt, denn diese Rechnung ging nicht auf. Als dies immer offensichtlicher wurde, rückten unvermittelt schwer gepanzerte Einheiten vor und postierten sich in mehreren Reihen von den Menschen. Ohne Anlass wurde dann der Befehl erteilt, sie rückwärts zu drängen. Dies war der Moment, an dem die Strategie des Samthandschuhs vorbei war. Noch ohne Trängengas und Knüppel, aber sehr brutal wurden die Reihen zurückgedrängt. Während dieser Besetzungen befanden sich in der Stadt mehrere hundert Personen am Hauptbahnhof und am Unigelände in Bockenheim in weiteren Polizeikesseln.
Die folgende Räumung des Römerbergs lief dann schon unter Einsatz der Schlagstöcke und brutalen Abtransports ab. Es zeigte sich, wer nicht „Herr der Lage“ war. Die Polizei und deren Befehlshaber. In einer spontanen Demonstrationen liefen die Geräumten am Main entlang zum Haus des DGB.
Dort gab es die Info, dass die Friedländer Anlage (Park) oder der Campus in Bockenheim besetzt werden sollen und dass es dort weitere Infos gebe. In Bockenheim, so wurde dann kommuniziert, stehe ein Zirkuszelt für die Übernachtungen bereit, es gebe dort Informationen und wäre, wenn es gehalten werde, der zentrale Anlaufpunkt für die Ankommenden und sich schon in der Stadt befindlichen.
Für morgen wird es um etwa 9 Uhr vor dem Gebäude der Europäischen Zentralbank Blockadeaktionen geben, deren weitere Konkretisierung morgen im Vorfeld besprochen wird. Um 13 Uhr ist eine Aktion vor der Deutschen Bank „Landraub-Kundgebung“ nicht genehmigt worden. Es sind dennoch viele TeilnehmerInnen dort zu erwarten. Am restlichen Nachmittag werden viele Informations- und Diskussionsveranstaltungen durchgeführt. Die SAV Frankfurt führt unter anderen eine zum Thema „Europa nach den Wahlen in Griechenland und Frankreich“ um 19.30 Uhr im DGB-Haus in der Wilhelm-Leuschner-Straße 69-77 im Sitzungsraum 2 durch.