Sa 02.10.2021
Wer kennt sie nicht? Gebrochene Versprechen von Politiker*innen. Im Falle des neuen US-Präsidenten Biden wiegen sie besonders schwer. Unsere Schwesterorganisation Socialist Alternative schreibt: „In der Öffentlichkeit kandidierte Biden mit Versprechungen wie einem Mindestlohn von 15$, Ausweitung des 'Affordable Care Act' (Gesundheitsversicherung), Erlass der Studierenden-Schulden und umfassenden Reformen bei Strafjustiz und Migration. Doch die ersten 100 Tage Biden sind vorbei. Und trotz seiner Erfolge bei der Bereitstellung dringend benötigter Soforthilfe wie Konjunkturschecks und befristeten Steuergutschriften für Kinder warten die Menschen immer noch auf umfassendere langfristige Reformen.“
Die historisch niedrige Obergrenze von 15.000 Flüchtlingen unter Trump wurde nur aufgrund öffentlichen Drucks erhöht; und selbst das ist viel weniger als im letzten Obama-Jahr. Wie steht es um Bidens Versprechen der Rücknahme von Trumps Körperschaftssteuer-Senkung (35 auf 21%)? Bislang wurden Steuern für Großunternehmen um keinen Cent erhöht. Kürzlich hat das Weiße Haus angedeutet, dass es zu einem Kompromiss auf 25% bereit wäre. Wir erinnern uns, dass bei einer Mehrheit der Demokraten in Haus, Senat UND Oval Office angeblich alles gut würde...
Wenn wir Trumps Auftreten beiseite lassen, gibt es tatsächlich auch direkte Fortsetzungen der Trump-Ära unter Biden. Gut sichtbar ist dies in der Außenpolitik: Rückzug aus wenig erfolgreichen bis desaströsen Einsätzen und Verlagerung bzw. Verschärfung des Konflikts mit dem aufstrebenden chinesischen Imperialismus.
Es ist verständlich, sich nach besonders fürchterlichen Jahren eine Verschnaufpause zu wünschen. Doch mit dem etablierten Parteiensystem gibt es so oder so keine „guten alten Zeiten“. Biden ist lediglich das „back to normal“ aus Sicht der besitzenden Klasse und ihrer Polit-Elite. Er steht für jene kapitalistische Normalität, die unter anderem Trump hervorbrachte. Dennoch spürt diese Präsidentschaft den Druck der Forderungen der arbeitenden Bevölkerung, ausgelöst durch die Milliarden für Unternehmen, Bidens Versprechen und ein neues Selbstbewusstsein als Systemerhalter*innen. Diese bitter nötigen Veränderungen wird es nur durch Soziale- und Klassenkämpfe von unten geben.