So 03.06.2018
Die Welt wird instabiler und kriegerischer. Auch Deutschland mischt dabei mit: Noch nie wurden mehr deutsche Waffen in Krisengebiete geliefert als letztes Jahr. Dazu kommt eine aggressivere Außenpolitik und die Militarisierung der von Deutschland dominierten EU.
Krieg in Syrien, Krieg im Jemen, Krieg in Afghanistan, Krieg im Irak, bewaffnete Konflikte in Nigeria, Myanmar, Somalia, Ukraine, Südsudan, Libyen, Mali, in der Türkei… . Die Liste ließe sich fortführen. Weltweit nehmen gewaltsame Konflikte angesichts der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus zu. Aus Konkurrenzkampf wird irgendwann Krieg. Deutsche Waffenhändler haben ihren Umsatz 2017 um 6,6 Prozent gesteigert. Der größte deutsche Waffenhersteller, Rheinmetall, hat seinen Gewinn in der Rüstungssparte sogar um 18 Prozent erhöht. Um das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen zu umgehen, das den Export in kriegsführende Länder verbietet, wurden insgesamt 39 Rheinmetall-Filialen und ganze Fabriken im Ausland gegründet, von wo aus an Kriegsparteien geliefert wird. Auch nach Saudi-Arabien, in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Ägypten, die einen blutigen Krieg im Jemen führen: Saudische Flugzeuge made in Germany (Tornado und Eurofighter) werfen Bomben und Raketen made in Germany (Sidewinder-Raketen von Diehl) auf jemenitische Städte und Dörfer. Zehntausende sind vom Hunger bedroht, weil saudische Kriegsschiffe made in Germany (Patrouillenboote der Lürssen-Werft) eine Seeblockade errichtet haben.
„Deutsche“ Interessen
Zuletzt genehmigte die Bundesregierung zahlreiche Rüstungsexporte in die Türkei. Unter anderem wahrscheinlich die von der Türkei angeforderte Modernisierung von Leopard 2 Panzern, die in Erdoğans Feldzug gegen die KurdInnen in Afrin eingesetzt wurden. Bei dem offensiven Wegschauen der Bundesregierung zur beginnenden Annexion der nordsyrischen Gebiete durch die Türkei, spielt noch etwas anderes eine Rolle: Die Türkei hat ihre Beziehungen zu Russland ausgebaut. Für die NATO ist die Türkei aber wegen deren geostrategischer Lage im Nahen Osten ein äußerst bedeutender Verbündeter. Auch wenn es zwischen den NATO-Partnern Deutschland und Türkei zu Spannungen kommt: Beide wissen, was sie voneinander haben. Für die Türkei ist Deutschland der größte Exportmarkt, und nur aus China wird mehr in die Türkei importiert als aus Deutschland. Zahlreiche deutsche Konzerne nutzen die Türkei als Produktionsstandort, an dem niedrige Löhne gezahlt werden. Für Deutschland ist die Türkei zudem als Pufferstaat zwischen Nahost und Europa wichtig, alleine schon, um Millionen Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa zu stoppen.
Europa militarisiert
Die EU selbst ist nach den Vorstellungen der europäischen Kapitalfraktionen geformt, von denen das deutsche Kapital das höchste Gewicht hat. Eine gemeinsame Handels- und Außenpolitik erhöht das Gewicht Deutschlands auf dem Weltmarkt. Oder wie es die SPD auf ihren Wahlplakaten formulierte: „Warum Europa? Weil wir gemeinsam stärker sind als allein.“. Das gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch militärisch. Im November 2017 wurde der Europäische Militärpakt Pesco (Permanent Structured Cooperation, ständige strukturierte Zusammenarbeit) beschlossen. Unter deutscher Führung sollen zunächst ein europäisches Sanitätskommando, Logistik-Drehscheiben und ein Trainingszentrum für Militärausbilder aufgebaut werden. Die 23 unterzeichnenden Staaten verpflichten sich unter anderem, ihre Rüstungsausgaben regelmäßig zu erhöhen, Rüstungsprojekte zu koordinieren und SoldatInnen für die sogenannten „Krisenreaktionskräfte“ bereitzustellen.
Deutschland holt auf
Die EU – und Deutschland – holt damit militärisch nach, was ihrer wirtschaftlichen Rolle in der Welt entspricht. Das steckt dahinter, wenn Deutschland die Auslandseinsätze der Bundeswehr immer mehr ausweitet. Seit September 2017 hat der Bundestag elf Auslandseinsätze abgenickt. Mehr SoldatInnen sollen nach Mali und Afghanistan. Auch die Mission im Irak soll ausgeweitet werden. Zur Zeit ist die Bundeswehr mit insgesamt 3600 SoldatInnen in vierzehn Einsätzen unterwegs.
Die Zeiten, in denen die USA die alleinige „Weltpolizei“ war, sind nach deren wirtschaftlicher Schwächung im letzten Jahrzehnt vorbei. China, Russland, die EU-Länder – mal gemeinsam, mal einzeln -, sowie regionale Mächte mischen fleißig mit.
Imperialistischer Konkurrenzkampf
Aus der unipolaren Ordnung nach dem Kalten Krieg ist längst ein multipolares Chaos geworden. Immer häufiger kollidieren die gegensätzlichen Interessen auch innerhalb der NATO. Teile des us-amerikanischen Kapitals würden Russland gerne deutlich mehr isolieren, als es einigen Kapitalisten in der EU, und vor allem in Deutschland, lieb wäre. Es mehren sich die Stimmen, seitens Deutschland wieder eine engere Kooperation mit Russland einzugehen.
Trotzdem hat die SPD ohne Murren zugestimmt, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO (zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen fürs Militär ausgegeben werden) ins Regierungsprogramm aufzunehmen. Damit würden sich die Militärausgaben in Deutschland in den nächsten sechs Jahren fast verdoppeln.
Deutschland ist die viertstärkste Wirtschaftsmacht der Welt. Durch die Niederlage im II. Weltkrieg, die anschließende Teilung Deutschlands in zwei Länder mit unterschiedlichen Systemen, und durch die, aus schrecklicher Erfahrung, stark verwurzelte Opposition gegen Bundeswehreinsätze und Rüstungsexporte, konnte der deutsche Imperialismus militärisch bis heute nicht so agieren wie er gerne wollte. Aber er ist schon länger dabei, dies Schritt für Schritt zu ändern.