Arbeiter*innenbewegung in die Offensive!

Die Teuerungskonferenz des ÖGB am 8. Juni muss der Auftakt für einen klassenkämpferischen Kurswechsel der Gewerkschaften werden.
ISA-Stellungnahme

Am 8. Juni organisiert der ÖGB eine Teuerungskonferenz um Vorschläge gegen die Preissteigerungen zu diskutieren. Seit dem Herbst, und noch stärker im Frühjahr ist die Inflation Thema, doch die Abschlüsse bleiben weit hinter dem Nötigen zurück. Gerade angesichts der kapitalistischen Dauerkrise - Corona, Teuerung, Klimakrise, Pflegenotstand,  - wird es höchste Zeit, dass die Gewerkschaftsbewegung ihren Kurs ändert um zu verhindern, dass wir weiter unter einer Politik im Interesse von Banken und Konzernen leiden. 

Zusätzlich wird der Ukrainekrieg drastische Auswirkungen in Österreich haben. Die Regierenden und Bosse in Österreich haben in den letzten Jahren darauf gesetzt durch Geschäfte, billiges Gas und Billiglöhne in Osteuropa fette Extraprofite einzustreichen und stehen jetzt vor einem Scherbenhaufen. Dazu kommt die galoppierende Teuerung. Einem großen Teil der österreichischen Bevölkerung droht ein drastischer Abfall des Lebensstandards und das Abrutschen in die Armut. Außerdem bringt die Kriegstreiberei der Regierenden in Ost- und Westeuropa an den Rand noch größerer kriegerischer Auseinandersetzungen. 

Statt eines Kurswechsel phantasiert die Gewerkschaftsspitze immer noch von der “Sozialpartnerschaft” und hofft auf “faire” Verhandlungslösungen. Ihre gesamte politische Perspektive basiert auf der Illusion dieses chaotische System bestmöglich mitzuverwalten und ein bisschen was für Beschäftigte rauszuholen. Angesichts einer immer tieferen Krise des gesamten Systems führt das vor allem dazu, dass wir der Willkür von Bossen und Regierung widerstandslos ausgesetzt sind. Die Teuerungskonferenz muss zum Startpunkt werden diesen Kurs grundlegend zu ändern. In diesem Artikel wollen wir herausarbeiten welchen Kurswechsel es bräuchte und welche Ansatzpunkte es für kämpferische Betriebsrät*innen, aktive Beschäftigte, Basisinitiativen, Linke und Sozialist*innen dafür gibt. 

Lohnverhandlungen: verpasste Chancen und ein notwendiger Kurswechsel

Die letzten Lohnrunden zeigten deutlich das Versagen des aktuellen Kurses der Gewerkschaftsführung. Obwohl es einige Mobilisierungen (Papier, Elektro, Chemie, Erwachsenenbildung) gab und auch die Lohnabschlüsse am oberen Ende der sozialpartnerschaftlichen Erwartungen waren (zwischen ca. 3,5-5,9%) bleiben diese Abschlüsse immer stärker hinter dem was notwendig ist zurück und bedeuten bei einer offiziellen Inflationsrate von 7,2 % (bei vielen Gütern des täglichen Bedarfs weit höher) einen drastischen Reallohnverlust. Aber vor allem bedeuten sie eine verpasste Chance Kampfkraft und Widerstand aufzubauen. Die Gewerkschaftsspitze beendete alle Verhandlungen ohne Streiks oder andere weitergehende Kampfmaßnahmen zu organisieren. Für die Unternehmen zeigt das: sogar bei unglaublicher Teuerung verzichtet die Gewerkschaft auf das Kampfmittel Streik. Dieses deutliche Zeichen der Schwäche durch die Gewerkschaften wird aber nicht zu einem “freundlichen Entgegenkommen” durch die Firmen führen sondern im Gegenteil dazu, dass sie immer aggressiver ihre Profitinteressen durchsetzen werden, bei Löhne, Gehältern, Zulagen und Arbeitszeit.

Umso wichtiger ist ein sofortiger Kurswechsel. Vor allem im Rahmen der Herbstlohnrunde stehen wichtige Verhandlungen bevor. Der Metallbereich ist noch immer der Bereich mit der größten Kampfkraft und schon im letzten Jahr gab es Warnstreiks - die leider viel zu früh abgebrochen wurden. In diesem Jahr gäbe es das Potenzial durch einen offensiven Kurs die Grundlage für hohe Abschlüsse auch in allen anderen Bereichen zu legen - dieser scheitert nicht an den Kolleg*innen in den Betrieben! Kämpferische Betriebsrät*innen und Kolleg*innen in der Industrie sollten sich möglichst schnell organisieren und genau so einen Kurs bei den Verhandlungen einfordern und aktiv selbst vorbereiten und dabei nicht auf die Führung der Gewerkschaften warten. Auch die Kolleg*innen im privaten Gesundheits- und Sozialbereich (SWÖ, Sozialwirtschaft Österreich) zählen zu den kämpferischten und streikerfahrensten Beschäftigten Österreichs. Gerade der drei-Jahres Abschluss unmittelbar vor der Pandemie (den die Gewerkschaftsspitze hinter dem Rücken vieler Kolleg*innen abgeschlossen hat und der zu Recht viel Unmut erzeugt hat) zeigt die Notwendigkeit eigenständiger Organisierung an der Basis. Ein Vorteil ist, dass es in der gesamten Branche bereits sehr viele kämpferische Betriebsrät*innen, aktive Beschäftigte und Basisinitiativen gibt: sie sind die Grundlage um dieses Mal die dringend notwendigen Verbesserungen durchzusetzen. Dazu müssen diese Kräfte sich vernetzen um zu verhindern, dass Strategie und Abschluss der Gewerkschaftsspitze wieder hinter den Notwendigkeiten der Beschäftigten zurückbleiben. 

Um die Kampfkraft zu stärken ist es auch notwendig die kommenden Lohnrunden zusammenzuführen und gemeinsame Forderungen aufzustellen. So können auch die besser organisierten und stärkeren Branchen schwächeren (wie dem Handel) zu guten Abschlüssen verhelfen. Die Teuerungskonferenz sollte der Startpunkt für die konkrete Organisierung solcher Schritte sein: wenn die Gewerkschaftsspitze nicht bereit ist, das zu tun müssen wir von unten Initiativen in diese Richtung setzen: gegenseitige Besuche bei Aktionen, Betriebsversammlungen und bis zur Abhaltung gemeinsamer Demonstrationen und Streiks. 

Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich

Durch jahrelanges Kaputtsparen und katastrophales Pandemiemanagement steht die Branche in Teilen vor dem Kollaps und es ist die Aufgabe der gesamten Arbeiter*innenbewegung das zu verhindern, denn wir alle brauchen sie! Die Regierungen haben keinerlei Interesse daran diese Situation durch Investitionen zu lösen - im Gegenteil durch die Kündigungen und die Krise der öffentlichen Versorgung werden Sparmaßnahmen und eine Verlagerung zu privater Versorgung durch die Hintertür durchgesetzt. Die Pflegereform ist hier keine Trendwende sondern lediglich ein Zugeständnis an den Druck der Kolleg*innen, das nichts an den realen Problemen ändert (vollständige Analyse: https://www.slp.at/artikel/pflegereform-ein-tropfen-auf-dem-hei%C3%9Fen-stein-10852). Deshalb ist die Strategie der Gewerkschaftsführung - die vor allem auf moralische Appelle und symbolische Aktionen setzt - auch so katastrophal gescheitert. Genau darin liegt auch die Schwäche und das Problem bei den Mobilisierungen rund um den Corona-Bonus, von Elementarpädagog*innen und aus der Pflege. Gerade weil die Regierung kein Interesse daran hat die Situation zu verbessern muss sie durch Druck von unten dazu gezwungen werden. Doch das ist dem bisherigen Kurs der Gewerkschaftsspitzen unmöglich. Dazu brauchen wir einen Aktionsplan der die Kolleg*innen aktiviert, einbezieht, zusammenbringt und der als Kampfmittel die Öffentlichkeit informiert und Streiks organisiert - zuerst kürzere und dann immer längere. Gerade aufgrund einer möglichen neuen Corona-Welle im Herbst ist es dringend notwendig diesen Aktionsplan noch vor dem Sommer einzuleiten. 

ÖGB-Teuerungskonferenz und eine Perspektive für einen verallgemeinerten Klassenkampf

Die Teuerungskonferenz des ÖGB am 8. Juni wäre ein idealer Anlass um einen gemeinsamen Aktionsplan für unterschiedliche dringende Herausforderungen für Beschäftigte in Österreich aufzustellen: einen politische Antwort auf Teuerung und sinkenden Lebensstandard, aber auch auf Pflegenotstand, Krieg und Klimakrise. 

Wir haben an anderer Stelle ein ausführlicheres Programm gegen Teuerung erstellt (https://www.slp.at/artikel/10-punkte-programm-gegen-inflation-teuerung-10833). Aber zentrale Forderung eines solchen Programms wären: der gemeinsame Kampf für eine automatische Anpassung der Löhne an die Inflation, die Abschaffung von unsozialen Massensteuern wie Umsatzsteuer und Ersetzung durch eine Besteuerung von Superreichen und Konzernen, Milliardeninvestitionen in Gesundheit, Bildung und Soziales und der Aufbau einer öffentlichen erneuerbaren Energieversorgung um die Abhängigkeit von russischem Gas und Profitgier österreichischer Energiekonzerne zu verhindern.

Es ist ein großer (aber leider erwartbarer) Fehler, dass auf der Teuerungskonferenz dieser Aktionsplan noch nicht vorliegt. Wenn die Gewerkschaftsspitzen ihre Arbeit nicht machen, dann müssen wir, Betriebsräte, Beschäftigte, Aktivist*innen, das selbst machen. Ein Zuwarten und weitere faule Kompromisse können wir uns schlicht nicht leisten. Dringend notwendig so einen Aktionsplan zu entwickeln und die Forderung “Geld für Soziales, Bildung und deutliche Lohnerhöhungen statt für Konzerne und Aufrüstung” muss in der gesamten Arbeiter*innenbewegung aufgestellt und durchgesetzt werden. 

Die Teuerungskonferenz muß zum Auftakt für regionale Betriebsrät*innen und Aktivist*innenkonferenzen in allen Bundesländern gefolgt von Betriebsversammlungen werden, bei denen ein Forderungskatalog und ein Aktionsplan zur Durchsetzung erarbeitet wird. Die nächsten Lohnverhandlungen können so mit einer allgemeinen Offensive der Arbeiter*innenbewegung kombiniert werden um eine Politik im Interesse der Vielen auf unterschiedlichsten Ebenen umzusetzen. 

Diesen Kurs müssen wir erkämpfen

Doch die sozialpartnerschaftliche Führung des ÖGB verhindert diesen entschlossenen Kampf für unsere Interessen. Für einen Kurswechsel braucht es eine kämpferische Strategie und Führung. Wir müssen die Teuerungskonferenz, sowie die bevorstehenden Lohnrunden und andere Proteste nützen um Schritte in diese Richtung zu gehen. Erfahrungen wie, die der Basisinitaitive “Sozial, aber nicht blöd” (vor allem im privaten Gesundheits- und Sozialbereich) oder “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit” (vor allem in Krankenhäusern) zeigen, dass es so einer eigenständigen Organisierung an der Basis schnell gelingen kann Druck aufzubauen und dadurch den Kampf für Verbesserungen einzuleiten. Kämpferische Betriebsrät*innen und aktive Beschäftigte sollten die Teuerungskonferenz nützen um sich zu vernetzen und darüber zu diskutieren wie man einen kämpferischen Kurs durchsetzen kann. 

Ein Schritt in diese Richtung können auch Anträge in Betriebsratsgremien im Vorfeld der Teuerungskonferenz sein, entlang folgender Linien:

  • Der ÖGB und die Teilgewerkschaften müssen jetzt rund um ein Programm gegen Teuerung und sonstige Auswirkungen der verschiedenen Krisen in die Offensive kommen. Dazu gehören sowohl Forderungen an die Politik wie auch eine Offensive im Rahmen der Herbstlohnrunden. Die Teuerungskonferenz muss der erste Schritt zur Erarbeitung eines Aktionsplanes sein. 

  • Die Eckpunkte eines solchen Aktionsplanes müssen sein:

    • Noch im Juni eine bundesweite Betriebsrät*innenkonferenz zur Diskussion von Forderungen und Aktionen, gefolgt von Großdemonstrationen in allen Landeshauptstädten

    • Sollte die Regierung keine wirksamen Maßnahmen einleiten, wird der Sommer zur Vorbereitung einer Offensive im Herbst genutzt bei dem offensive und gemeinsame Forderungen im Rahmen der Lohnverhandlungen mit allgemeinen Forderungen an die Politik verbunden werden.

    • Auftakt dieser Offensive sollte ein eintägiger bundesweiter Aktions- und Streiktag Anfang September sein als erster Schritt sein

Sozialistische Perspektive für die Gewerkschaftsbewegung

Die letzten zwei Jahre Pandemie haben endgültig gezeigt, dass die sozialpartnerschaftliche Orientierung der Gewerkschaftsspitze eine Katastrophe für Beschäftigte bedeutet. Grundsätzlich liegt das an der einfachen Tatsache, dass ihre gesamte politische Orientierung innerhalb der Grenzen dieses Systems verbleibt und dementsprechend ein Mitverwalten dieses Systems die einzige Perspektive ist. Doch dieses kapitalistische System beruht darauf, dass viele Reichtum schaffen aber nur wenige davon profitieren. Um das zu verändern braucht die Gewerkschaftsbewegung dringend eine klassenkämpferische und systemverändernde Perspektive, die über die Grenzen des Kapitalismus hinausgeht - anders können wir die zunehmenden Krisen nicht bewältigen. Eine Politik, die über die Systemgrenzen hinausgeht bedeutet z.B. der Kampf für eine automatische Anpassung der Löhne und Arbeitszeiten an Inflation und Arbeitslosigkeit, für eine Gesundheitsversorgung ohne Kostendruck und für eine ökologische Transformation der Industrie durch Enteignung und öffentliche Kontrolle zur Rettung von Jobs und Umwelt. Eine kämpferische Arbeiter*innenbewegung ist auch die einzige Grundlage für den Aufbau einer politischen Alternative - den ganz egal wer die nächste Regierung führt an der Politik im Interesse von Banken und Konzernen wird sich auch unter einer SPÖ-Regierung nichts ändern (genauso wenig wie das bis 2017 der Fall war). Nur die unabhängige Organisierung der Arbeiter*innenklasse (im Interesse von Beschäftigten, Jugendlichen, Pensionist*innen und Arbeitslosen aber unabhängig von Firmen, Bossen und Superreichen) kann die Perspektive einer neuen Arbeiter*innenpartei und einer echten Alternative eröffnen.