Di 14.12.2010
Außergerichtliche Tötungen, willkürliche Verhaftungen und Folter sind auchüber ein Jahr nach Massaker an der Tagesordnung - Sicherheitskräfte gehenstraffrei aus - Bei Abschiebung drohen Menschenrechtsverletzungen.
Im Zusammenhang mit der jüngst bekannt gewordenen, offenbar unmittelbar bevorstehenden Abschiebung eines Asylwerbers aus Österreich nach Guinea warnt Amnesty International vor den Konsequenzen und weist auf die desaströse Menschenrechtslage in dem westafrikanischen Staathin.
"Guina ist ein menschenrechtlicher Albtraum. Folter, Todesstrafe und außergerichtliche Massentötungen sind dort an der Tagesordnung. Die EU und die afrikanische Staatengemeinschaft haben deswegen ein Waffenembargo gegen Guina und gezielte Sanktionen gegen die Mitglieder der herrschenden Militärregierung verhängt", sagt Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt.
"Wer Menschen in ein Land ohne Rechtsstaatlichkeit und ein von schwersten Menschenrechtsverletzungen geprägtes Klima abschiebt, macht sich direkt einer mit hoher Gewissheit drohenden schweren Menschenrechtsverletzung mitschuldig. Dies gilt insbesondere für Flüchtlinge, die sich in diesem Chaos trotz aller persönlichen Risiken in der Vergangenheit politisch oder menschenrechtlich engagiert haben."
"Das Innenministerium muss in so heiklen Fällen jedenfalls sicherstellen, dass vor drohenden Abschiebungen nach Guinea der Fall von unabhängigen Rechtsberatern sorgfältig geprüft werden kann und zwingend eine aktuelle Entscheidung einer unabhängigen und dafür qualifizierten Asylinstanz einholen, wenn es menschenrechtlichen Minimalanforderungen genügen will", fordert Patzelt.
"Blutiger Montag" 2009: Im Herbst des Vorjahres schlugen die Sicherheitskräfte Massenproteste gegen das durch einen Putsch ins Amt gelangte Staatsoberhaupt Moussa Dadis Camara mit aller Brutalität nieder. Zehntausende hatten sich am 28. September im Stadion der Hauptstadt Conakry zu einer Protestkundgebung versammelt, als die Garde des Präsidenten und andere schwer bewaffnete Einheiten anrückten und gegen die Demonstranten vorgingen. Mindestens 150 friedliche Demonstranten wurden außergerichtlich hingerichtet und mehr als 1.500 weitere verletzt. Zahlreiche Frauen wurden öffentlich vergewaltigt.
"Nach dem Massaker vom September wurden die Organisatoren der Kundgebung verhaftet und in Geheimhaft gefoltert. Menschen, die nach den Leichnamen ihrer Familienmitglieder und Freunde suchten, wurden in Militärlager verschleppt und geschlagen", führt Patzelt vor Augen.
"Weder wurden die Schützen angeklagt noch Ermittlungen gegen die Verantwortlichen eingeleitet. Die Sicherheitskräfte agieren in Guina ohne jeden rechtlichenRahmen."
Zur langen Liste der Menschenrechtsverletzungen in Guinea, die im Jahresbericht von Amnesty International zur weltweiten Lage der Menschenrechte dokumentiert sind, kommen Folter, sexuelle Gewalt gegen Frauen, andere Misshandlungen, willkürliche Haft, Geheimhaft, Straffreiheit für Sicherheitskräfte sowie Einschüchterung und Bedrohung von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten, die über regierungskritische Demonstrationen berichteten oder die als regierungsfeindlich eingestuft worden waren.
Eine 2007 eingerichtete Untersuchungskommission, die schwere Menschenrechtsverletzungen aus den Jahren 2006 und 2007 aufklären sollte, führte keine einzige Ermittlung durch.
Unruhen rund um Wahlen 2010: Im Zuge der Stichwahlen um das Präsidentenamt im Herbst, den ersten freien Präsidentschaftswahlen in dem westafrikanischen Staat seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1958, kam es zu schweren Unruhen. Polizei und Armee gingen neuerlich mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Demonstranten vor. Als Oppositionsführer Alpha Condé zum Wahlsieger erklärt worden war, wurde der Notstand und eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Augenzeugen berichteten von Polizisten und Soldaten, die auf Demonstranten schossen, darunter Kinder und Jugendliche. Ärzte berichteten von Leichen, deren Wunden an Kopf, Brust und Bauch darauf hindeuten, dass die Sicherheitskräfte eher darauf abzielten, Demonstranten zu töten als Menschenansammlungen zu zerstreuen. Mindestens 50 Menschen wurden willkürlich verhaftet. Ihnen drohen Folter und Misshandlungen.
Amnesty International forderte die Regierung von Guinea dringend auf, die Serie außergerichtlicher Tötungen, willkürliche Verhaftungen und Folter zu beenden, und eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle zu veranlassen. Mit Blick auf die unsichere Entwicklung in Guinea warnt das österreichische Außenministerium bis auf weiteres vor Reisen in das Land.