2. Weltkrieg: Euer Krieg, unsere Opfer

In den Medien ist viel zu Hitler zu finden. Krupp, IG-Farben, Steyr & Co kommen praktisch nicht vor.
Tilman M. Ruster

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Am 1. September 1939 begann der 2. Weltkrieg, der unendlich viel Leid über unzählige Menschen brachte. Anlässlich des 75. Jahrestags des Kriegsbeginns wird es ein breites Gedenken geben. Glauben wir der Mehrheit der TV-Dokus, Zeitungs-Artikel und Kinofilme, aber auch der vorherrschenden Darstellung in Schulen und Unis, war vor allem einer schuld: Hitler. Gemeinsam mit einer Bande gewissenloser, boshafter Handlanger habe er die Deutschen und ÖsterreicherInnen getäuscht, verführt und in Völkermord und totalen Krieg getrieben.

Der 2. Weltkrieg wird in diesem Geschichtsbild zu einem Kampf zwischen „Gut und Böse“, in dem am Ende die Moral über die Schurken siegt.

Viel Aufwand wird in die Verbreitung eines solchen Geschichtsbilds gesteckt. Mit der Begrenzung „des Bösen“ auf eine kleine Schicht, der Millionen MitläuferInnen zur Verfügung und einige WiderständlerInnen entgegenstanden, können der deutsche und österreichische Staat gut leben. Besonders die Eliten versuchen sich bis heute „rein“zuwaschen. Der Mythos der Attentäter des 20. Juli 1944 stellte angeblich „die Ehre des deutschen Soldaten“ wieder her. Selten wird dabei erwähnt, dass Stauffenberg und seine Mitstreiter eine Militärdiktatur und die Fortführung des Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion planten. Hier kommen wir auch einem echten Kriegsmotiv näher: Die deutschen Eliten, bzw. die deutsche Bourgeoisie, hatten Angst vor dem „Kommunismus“. Die Abschaffung des Kapitalismus 1917 in Russland und die folgenden Revolutionen in Europa, die nur knapp und mit heftiger Gewalt niedergeworfen werden konnten, waren Traumata für die KapitalistInnen. Für sie galt es also gleich zwei Feinde zu besiegen: die Sowjetunion und die ArbeiterInnenbewegung im eigenen Land.

So kam es auch in Ungarn, Italien, Österreich, Spanien bzw. Japan, China und einer Reihe anderer Länder zu Diktaturen und Faschismus. Die KapitalistInnen unterstützten den Weg der Faschisten an die Macht. Hitler war z.B. der erste deutsche Politiker, der (dank großer Spenden) per Flugzeug in ganz Deutschland Wahlkampf machen konnte. Die SA erhielt schon früh Ausrüstung und Geld im großen Stil von Industriellen und Banken, die dafür einen Schutz gegen rebellische ArbeiterInnen erhielten.

Der 2. Weltkrieg war aber auch eine Antwort auf die verheerende Wirtschaftskrise der 1920er und 1930er Jahre. Es war auch, und für einige teilnehmende Staaten vor allem, ein Krieg um Rohstoffe und Absatzmärkte. Und tatsächlich wurden Viele in diesem Krieg enorm viel reicher. Das finanzielle Erbe aus Völkermord und Krieg verwalten bis heute die Nachfahren von z.B. Steyr oder Krupp, die auch dank ZwangsarbeiterInnen in ihren teils firmeneigenen Konzentrationslagern gigantische Profite aus der Kriegsproduktion scheffelten.

All das spielte in der öffentlichen Aufarbeitung des 2. Weltkriegs schon einmal eine größere Rolle. Die 68er beschäftigten sich stärker und kritischer mit der Geschichte ihrer Eltern-Generation und brachten vieles zutage, das heute in Medien und Geschichtsunterricht gerne wieder vergessen wird. Aber das neue alte Geschichtsbild passt wohl besser zu der Art, wie die heutigen Konflikte dargestellt werden:

Glauben wir den großen Medien, geht es in der Ukraine auch wieder um „Gut gegen Böse“. Tatsächlich sind die Herrschenden bis heute dazu bereit, ihre Konkurrenz untereinander mit Krieg zu „lösen“. Auch in der Ukraine oder dem sich anbahnenden Konflikt im Südpazifik geht es letztlich darum, welche KapitalistInnen in der Region Profite machen dürfen.

 

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