Fr 18.08.2017
Zum Kampf gegen die Rechte sind Massendemonstrationen und eine linke Alternative nötig
Die feindselige nationalistische Gewalt „weißer“ Rassisten, zu der es am Wochenende in Charlottesville und weiteren Orten der USA gekommen ist, hat wie ein kollektiver Weckruf gewirkt. Gegen rassistische Gewalt, einschüchterndes Vorgehen von Bürgerwehren und eine bigotte Politik der Regierung muss eine mächtige linke Gegenmacht aufgebaut werden.
Neben den Gewerkschaften, Bürgerrechtsbewegungen, migrantischen, sozialistischen und anderen progressiven Organisationen müssen Führungspersönlichkeiten wie Bernie Sanders einen Zahn zulegen, um in allen Städten Massenproteste zu koordinieren, mit denen rechtsextreme Kräfte isoliert und zurückgedrängt werden können. Um die große Mehrheit der arbeitenden Menschen gegen Rassismus und Fanatismus zu vereinen, sollten diese Proteste mit einem klaren Programm gegen Trump und konzerngeleitete Politik verbunden werden.
Rechtsextreme Gefahr
Seit der Wahl von Trump haben Gruppierungen der „white nationalists“ und Neonazi-Gruppen sowie die „alt-right“ (loser Zusammenschluss von Rechtsextremisten in den USA; Erg. d. Übers.) Demonstrationen organisiert, die in zunehmendem Maße rassistischer und aggressiver werden. Auch wenn sie gemessen an der Zahl ihrer Anhängerschaft weiterhin klein sind, so gewinnen diese „white nationalists“ und Neonazi-Gruppen an Mitgliedern. Sie treten mit immer größerer Entschlossenheit auf. Die mehrere hundert „weißen“ Nationalisten, die vergangenes Wochenende in Charlottesville eingefallen sind, um am „Unite the Right“-Treffen (dt.: „Vereint die Rechte“) teilzunehmen, verfolgten die Absicht, ihre Bewegung auf eine neue Ebene zu heben.
Nach dem brutalen Mord des Neonazis James Fields an Heather Heyer, die am Samstag von ihm mit einem Auto überfahren wurde, verkündete Trump in den bundesweit ausgestrahlten Fernsehnachrichten, dass er die Gewalt und den Hass „von vielen Seiten“ verurteile. Dass er es unterlassen hat, namentlich die „white nationalists“ und die Neonazi-Gruppen zu verurteilen, löste bei Millionen von Menschen umgehend Empörung aus. Wenigstens eine Internetseite der „alt-right“ begrüßte Trumps Äußerungen als „really, really good“.
Der weithin hörbare öffentliche Aufschrei gegen diesen Auswuchs an Gewalt und Fanatismus in Charlottesville zeigt, wie die politischen Kräfte in der US-Gesellschaft tatsächlich verteilt sind und sich gegen die extreme Rechte im Land richten. In den Städten des ganzen Landes kommt es zu spontanen Massenprotesten. Neben einem Plan für bundesweit koordinierte Massenproteste muss die Linke – wo immer dies möglich erscheint – demokratische örtliche Bündnisse zur Verteidigung der arbeitenden Menschen schmieden, um unsere Bewegung und unsere Wohnviertel physisch gegen Übergriffe zu verteidigen.
Immer klarer wird hingegen, dass antirassistischer Protest allein nicht reichen wird, um das Erstarken von Nationalismus und Rassismus in der Gesellschaft zu beenden. Wollen wir den Aufstieg des „weißen“ Nationalismus aufhalten oder effektiven Widerstand gegen Trump leisten, dann braucht es dafür eine bewusste politische Strategie, mit der die extreme Rechte isoliert werden kann.
An den Wurzeln des „Trumpismus“ ansetzen
Zwar versuchen sich die meisten VertreterInnen der „Republikaner“ von den Gruppen zu distanzieren, die der „alt-right“ zuzurechnen sind. In Wirklichkeit hat die Politik der Regierung, die sich durch codierte Intoleranz und Rassismus auszeichnet, das Erstarken rassistischer und reaktionärer Ansichten jedoch befördert. Eine seit Jahrzehnten von beiden Parteien betriebene und von den Konzernen unterstützte Politik, die unter dem Motto „hartes Durchgreifen“ stand, unter dem Deckmantel des „Anti-Terrorismus“ die Islamfeindlichkeit anheizte und eingewanderte Arbeitskräfte in immer größerer Zahl abgeschoben hat, hat ein rassistisches Klima geschaffen, das den Kräften der „weißen“ Nationalisten in die Hände spielt.
Grundsätzlich kann das Erstarken extrem rechter, reaktionärer und neofaschistischer Kräfte nur als ein internationales Phänomen verstanden werden; als Resultat der tiefgreifenden Krise des globalen Kapitalismus. Überall auf der Welt haben die kapitalistisch ausgerichteten Regierungen eine dramatische Zunahme der Ungleichheit zu verantworten. Es existieren Inseln des extremen Wohlstands, die umgeben sind von einem rasch größer werdenden Meer an Armut, ökonomischer Unsicherheit und sozialer Ausgrenzung. Da ihr eigenes System in der Krise steckt und angesichts des Widerstands der Arbeiterklasse greift ein Teil der herrschenden Klasse auf Rassismus, Nationalismus und Fanatismus zurück, um das Teile-und-Herrsche-Prinzip zur Anwendung kommen zu lassen.
Gleichzeitig hat das Versagen der Linken und der Arbeiterbewegung, die bislang keine entschlossene politische Alternative der Arbeiterklasse anzubieten hatten, dafür gesorgt, dass Rechtspopulisten wie Trump zum Zuge kommen konnten. Bei den letzten Wahlen erschien Trump als einzige Alternative „gegen das Establishment“, gegen die Herrschaft der „Wall Street“ und der korrupten politischen Elite. Zuvor war dem linkspopulistischen Wahlkampf von Bernie Sanders durch das Partei-Establishment der Demokraten ein Riegel vorgeschoben worden. Trump war es somit möglich, mit demagogischen Appellen an Millionen von „weißen“ WählerInnen aus Arbeiterklasse und Mittelschicht heranzutreten. Diese haben mit sinkenden Lebensstandards zu kämpfen und sind wütend aufgrund eines Polit-Establishments, das korrupt ist und unantastbar scheint. Das war der politische und gesellschaftliche Kontext, der es Trump ermöglicht hat, Zustimmung für seine zynischen Appelle an Nationalstolz zu bekommen. Er hat MigrantInnen zu Sündenböcken gemacht, ist offen frauenfeindlich aufgetreten und hat versprochen, „den Sumpf in Washington trockenzulegen“.
Nötig ist eine linke Alternative
Wenn die eigentliche Ursache des „Trumpismus“ die Krise des Kapitalismus ist, dann muss jede Bewegung, die im Kampf gegen Rechts effektiv sein will, den starken Widerstand gegen Rassismus und Bigotterie mit einem ebenso entschlossenen Programm gegen Armut, Erwerbslosigkeit, Wohnungsnot und die chronische Unterfinanzierung von Bildung, Infrastruktur und öffentlichen Dienstleistungen verbinden. Finanziert werden muss all dies durch höhere Steuern für Reiche. Will man die Unterstützung für Trump und die „alt-right“-Gruppen beschneiden, so muss man – kurz gesagt – eine Massenbewegung aufbauen, die eine klare, links ausgerichtete, politische Alternative anbieten kann.
Das dafür vorhandene Potential ist bereits sichtbar, wenn man an die breite Unterstützung denkt, die Bernie Sanders erhalten hat und immer noch bekommt. Das gilt vor allem für die „red states“, in denen Trump viele Stimmen erhalten hat. Der Mann, der sich selbst als demokratischen Sozialisten bezeichnet, ist zum beliebtesten Politiker Amerikas geworden. Er ist die bekannteste Stimme gegen Trump. Die Popularität von Sanders geht auf seinen Aufruf zu „einer politischen Revolution gegen die gesellschaftliche Klasse der Milliardäre“ zurück und auf seine Forderungen nach „Medicare for All“, kostenloser Hochschulbildung, einem breit angelegten Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen, das durch eine Reichensteuer finanziert wird, und auf seine Attacken nicht nur auf Republikaner, sondern auch auf das von den Konzernen finanzierte Establishment der Demokraten.
Leider hat Sanders es nicht vermocht, sein radikales Programm in Verbindung zu setzen mit dem Bedarf an einer neuen politischen Massenpartei der Arbeiterklasse. Das wäre ein entscheidender Schritt zur Vereinigung des wachsenden Widerstands gegen Trump mit einer zusammenhängenden Massenbewegung.
Massenproteste und lokale Verteidigungs-Bündnisse
Die Märsche von „Unite the Right“ in Charlottesville haben bei Millionen von arbeitenden Menschen Empörung ausgelöst. Sie suchen nach einer effektiven Möglichkeit der Gegenwehr. Verständlicherweise hat die heftige Gewalt der Neonazis dazu geführt, dass ein Teil der Aktiven sich verstärkt dafür ausspricht, auch mit physischen Mitteln darauf zu reagieren. Auf den Demonstrationen, die überall im Land stattfanden, war der Slogan zu hören: „Any time, any place, punch a nazi in the face“ (dt.: „Immer und überall – Nazis auf die Fresse!“).
Damit mag man an nachvollziehbaren Gefühlen ansetzen, riskiert aber, dass sich antirassistische AktivistInnen selbst isolieren. Das Potential, das wir haben, um die Massen in den Kampf gegen Rechts mit einzubeziehen, wir dadurch beschnitten. Wir brauchen aber die Unterstützung der Massen, um erfolgreich sein zu können. Unsere Macht, um Trump und die „alt-right“-Kräfte zu bezwingen, liegt in dem real existierenden Potential begründet, die Mehrheit der Gesellschaft gegen sie mobilisieren zu können. Wenn progressive Führungspersönlichkeiten wie Sanders sich mit aller Energie – zusammen mit Bürgerrechtsgruppen, SozialistInnen und Arbeiterorganisationen – für koordinierte, friedliche und massenhafte Demonstrationen einsetzen, dann können hunderttausende (möglicherweise sogar Millionen) von Menschen auf die Straße gebracht werden. Das wäre eine entschiedene Machtdemonstration gegen Fanatismus und Rassismus.
Gleichzeitig hat die bittere Erfahrung gezeigt, dass wir uns – wenn es um die Verteidigung unserer Bewegung geht – nicht auf die Polizei verlassen können. Noch viel weniger gilt dies für die schwarzen und migrantischen Bevölkerungsgruppen, die Opfer von rassistischer Einschüchterung und Gewalt werden. Um uns gegenseitig zu schützen, müssen wir damit beginnen, uns auf unsere eigene kollektive Stärke und Fähigkeit zur Selbstorganisation zu besinnen. Wo immer dies nötig ist, sollte die Anti-Trump-Bewegung demokratisch aufgebaute Bündnisse in den Wohnvierteln und Betrieben organisieren, um unsere Demonstrationen zu begleiten und zu verteidigen und um gefährdeten Wohnvierteln zur Hilfe zu kommen.
Seit Trumps ersten Stunden im Amt hat Socialist Alternative ganz vorne gestanden, um den Widerstand gegen seine rassistische, sexistische und konzernfreundliche Agenda mit aufzubauen. Dabei haben wir zu jedem Zeitpunkt versucht, die Bewegung gegen Trump und seine rechtsextremen Gefolgsleute mit einer Strategie und eine Programm zu verbinden, um die arbeitenden Menschen in einer multiethnischen Massenbewegung miteinander zu vereinen. Unsere zentrale Botschaft lautet: Wenn wir die Rechte effektiv bekämpfen wollen, dann darf es nicht dabei bleiben, einfach nur „Nein“ zu sagen.
Stattdessen müssen wir die Verteidigungskämpfe von heute mit einem Programm und einer Strategie verbinden, um die Kontrolle der Konzerne über die Gesellschaft herauszufordern und die ökonomische und soziale Unsicherheit zu beenden. Denn das ist die Grundlage, auf der Rassismus, Nationalismus und Fanatismus wachsen können.