Di 22.02.2011
Die Arbeitsbedingungen in China sind katastrophal. Gibt es Proteste?
Grad mal 3% gehören zur Mittelschicht und nur 0,4% kontrollieren 70% des Vermögens. Die Kluft zwischen arm und reich ist in den letzten 30 Jahren extrem gestiegen. Der größte Teil der ArbeiterInnen sind WanderarbeiterInnen – sie kriegen keine Sozialleistungen, nicht mal die wenigen, die es gibt. Sie dürfen nur in den Sonderwirtschaftszonen leben. Das freut die Unternehmen, weil sie extrem abhängig und ausbeutbar sind. Die offizielle Gewerkschaft tut nichts und es ist verboten, eigene, unabhängige Gewerkschaften zu gründen. Die ArbeiterInnen müssen 10-12 Stunden pro Tag arbeiten. Pro Monat haben sie einen, bestenfalls zwei Tage frei. Obwohl es illegal ist, gibt es Widerstand. Bis 1982 gab es zumindest in der Verfassung – d.h. auf dem Papier – das Recht zu streiken, aber das wurde abgeschafft. Gegen Streiks nützen die Unternehmen die regionale Polizei, die häufigen Betriebsbesetzungen werden brutal von Polizei und privaten Sicherheitsdiensten angegriffen. Aber es gibt trotz all dieser Repression Kämpfe. Im Sommer 2010 gab es eine Streikwelle. In vier Fabriken von Honda haben ca. 8.000 ArbeiterInnen zwei Wochen lang gestreikt – sie forderten Lohnerhöhungen und das Recht, ihre GewerkschaftsvertreterInnen im Betrieb selbst zu wählen (normalerweise sind sie Teil des Managements, häufig die Personalchefs). Dieser Streik war ein Signal und es kam in einer Reihe anderer Betriebe zu einer Streikserie. Die Regierung hatte Panik, dass eine Massenbewegung losbrechen könnte und musste einige Zugeständnisse machen. Sie hat Druck auf die Unternehmen gemacht, die Löhne zu erhöhen – dafür haben diese Zuckerln von der Regierung gekriegt, es hat sie also nichts gekostet. Bezüglich der Gewerkschaft war die Regierung voll auf Linie der Unternehmen – also gegen demokratische Gewerkschaften. Die Lohnerhöhungen sind allerdings von der hohen Inflation schon wieder aufgefressen.
Welche Forderungen sind zur Zeit wichtig?
Das sind unabhängige Basisgewerkschaften und grundlegende demokratische Rechte – Pressefreiheit, das Recht sich zu organisieren. Und das Ende des Einparteiensystems. Die ArbeiterInnen brauchen ihre eigene politische Vertretung. Demokratische Rechte und soziale Rechte – das ist untrennbar verbunden und es braucht die ArbeiterInnenklasse um demokratische Rechte zu erkämpfen. Weder die ausländischen noch die chinesischen KapitalistInnen haben Interesse an Demokratie. Die „Kommunistische“ Partei ist real ein Gegner der ArbeiterInnenklasse und der Armen. Natürlich gibt es gerade unter Jugendlichen Hoffnungen und Illusionen in den Kapitalismus. Aber ich schätze, dass 20-30 % der Jugendlichen sich für linke, für sozialistische Ideen interessieren. Kaum jemand hofft dabei auf die KP, das ist vorbei. Viele wollen was anderes, neues. Es gibt verschiedene linke Ideen in China – aber es sind v.a. Debatten im Internet. Denn die Repression ist enorm. Es gibt viele MaoistInnen, aber nicht in der KP. Es gibt aber auch andere, z.B. trotzkistische Ideen. Aber man kann sich das nicht wie in Europa vorstellen, mit Organisationen. Jede politische Arbeit ist natürlich illegal, unter enormer Gefahr und Bedrohung. Für einen kritischen Artikel schicken sie einen unter dem Vorwurf „Verrat von Staatsgeheimnissen“ für ein paar Jahre ins Gefängnis. Die Repression ist enorm – aber das hält die Menschen nicht davon ab, sich zu wehren.