Im Windschatten der Protestwelle gegen die Regierung streikten von 15-23.8 in der Türkei über 20.000 TextilarbeiterInnen. Diese verdienen durchschnittlich € 450/Monat, leben also unter der Armutsgrenze. Über die Hälfte der Beschäftigten bekommt nur einen Mindestlohn von € 380/Monat. Nach Beginn der Wirtschaftskrise wurden im bis 1.4. gültigen Abkommen Bonuszahlungen gekürzt und Lohnerhöhungen verschoben. Trotz wirtschaftlicher Erholung wollten UnternehmerInnen die längst überfälligen Erhöhungen nicht bezahlen. Drei Gewerkschaften in rund 30 Textilfabriken riefen zum Streik auf.
Vorwärts 222 - Oktober 2013
Artikel in dieser Ausgabe:
Jeder Mensch ist irgendwann im Leben auf den Gesundheits- und Sozialbereich angewiesen. Da könnte man meinen, dass die Arbeit der Menschen dort einen dementsprechenden Wert haben sollte. Falsch gedacht. Der Gesundheits- und Sozialbereich ist, sieht man von den wenigen Spitzenpositionen ab, durchwegs ein Niedriglohnsektor. Das Durchschnittseinkommen für Beschäftigte in diesem Bereich liegt bei ca. 1.564 Euro netto und damit ca. 17% unter dem österreichischen Durchschnitt. Dazu kommt, dass 70 % der Beschäftigten Teilzeit arbeiten.
„Ware Gesundheit“ und „Mehrklassen-Medizin“ sind leider allzu bekannte Schlagworte. Selbst in den reichen Staaten ist die soziale Spaltung in diesem zentralen Lebensbereich deutlich spürbar. Gewaltige Fortschritte in Forschung und Medizin-Technik ermöglichen heutzutage die Überwindung vieler Krankheiten und hohe Lebenserwartungen. Allerdings untergräbt der krisenhafte Kapitalismus dieses Potential. Es wird berichtet, dass in Griechenland Verletzte von der Rettung liegengelassen werden, wenn sie nicht versichert sind.
Arbeitsbedingungen und Einkommen im Gesundheits- und Sozialbereich sind durchwegs desaströs. Um diese aufrechterhalten zu können, setzen Regierung und Management der Einrichtungen auf die Moralkeule. Die PatientInnen/KlientInnen würden ja darunter leiden, wenn gestreikt würde. Das Engagement der Beschäftigten wird zynisch ausgenutzt um Verschlechterungen zu rechtfertigen.
Der Bedarf an sozialer Arbeit wächst. Immer mehr Menschen verlieren ihre Jobs, leiden unter Stress und Zukunftsangst, rutschen in Armut und/oder sind zumindest vorübergehend Unterstützungsbedürftig. Die von SozialarbeiterInnen verrichtete Arbeit bekämpft nicht nur bloß Symptome des Übels Kapitalismus. Sie ist auch ein Fass ohne Boden. Kaum glaubt man eine Wunde geschlossen zu haben, brechen drei neue auf.
- Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen: 200.000; ca. 2/3 Frauen
- Gesundheitsausgaben 2011: 10,8 % des BIP. Im OECD-Schnitt wachsen die Gesundheitsausgaben stärker als die Wirtschaftskraft – in Österreich sind sie in den letzten Jahren gesunken.
- Einstiegsgehalt der BAGS-'Verwendungsgruppe 1' in NÖ und Burgenland: Vollzeit brutto 1.403,9 €. Bei 36(!) Dienstjahren sind es nur 1.816,7 €.
- Aktuelles Sparpaket: bis 2020 minus 11 Mrd. €. Allein 1.37 Mrd. € durch Schließung von Spitals-Abteilungen.
Österreich hat die höchste Arbeitslosigkeit seit 1945; besonders Jugendliche sind betroffen. Auf jede offene Stelle kommen mehr als 10 Jobsuchende. Doch die Verantwortung wird den Arbeitslosen zugeschanzt. Sie müssten sich besser bilden, mehr bemühen etc., Arbeitslose werden in Zwangsmaßnahmen gesteckt und zu Gratisarbeit gezwungen. Scheinlösungen der SPÖ („Ausbildungsgarantie“ etc.) helfen nicht.
Die Reduzierung der Arbeitszeit auf 30 Stunden wöchentlich bei vollem Lohn und Personalausgleich schafft umgehend ca. eine halbe Million Jobs. Noch viel mehr kommen mit Schaffung der einzigen Form von Sicherheit durch massive öffentliche Investition in soziale Sicherheit hinzu. Nicht law-and-order-Politik schafft Sicherheit, sondern Wohnungen, ausreichend Sozialleistungen, gute Bildung und Gesundheit für alle.
Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden darf keine Teilzeitbeschäftigung sein, sondern muss bei vollem Lohn stattfinden. Die letzte Arbeitszeitverkürzung gab es in Österreich vor 43 Jahren. Die Vermögen und Gewinne sind seither weit stärker gestiegen als die Reallöhne. Das Geld für eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn ist da. Eine kleine superreiche Elite, nämlich 1 % der privaten Haushalte, sitzt auf einem Vermögen von sagenhaften 469 Milliarden. Unternehmen sitzen auf einem riesigen Berg von nicht investiertem Kapital.
Der Kampf für Arbeitszeitverkürzung stand seit jeher in der ArbeiterInnenbewegung ganz oben. Zum 1. Mal wurde 1840 in Wellington (Neuseeland) erfolgreich für den 8-Stunden-Tag gestreikt. 1856 wurde der 8 Stunden-Tag in Melbourne (Australien) bei vollem Lohn eingeführt. Voran ging eine Demonstration der Steinmetze und Gebäudearbeiter am 21.4. zum Parlament. 1889 proklamierte die neu gegründete Sozialistische Arbeiter-Internationale den 1. Mai zum Kampftag für den 8-Stunden-Tag. In Österreich wurde 1889 im Bergbau Seegraben zum ersten Mal der 8-Stunden-Tag vereinbart.