Mi 06.02.2019
Die Auseinandersetzungen rund um die Bezahlung und die Arbeitszeit im privaten Sozial- und Pflegebereich, haben sich in den letzten Tagen zugespitzt:
- Am 29.1. gab es in Wien, Graz und Linz einen teilweise recht kämpferischen Aktionstag
- am 31. 1. wurden um 03:00 in der Früh die Verhandlungen zum Sozialwirtschaft-Österreich KV unterbrochen. Die Arbeitgeber boten 2,5%
- Am 3.2. gab der ÖGB seine „Streikfreigabe“ für den Sozial-und Pflegebereich der dem Sozialwirtschafts-Kollektivvertrag (SWÖ-KV) unterliegt. Damit sagt der ÖGB möglichen streikenden SWÖ-Arbeitnehmer*innen seine politische und finanzielle Unterstützung zu. Wird im Rahmen eines SWÖ-Streiks bei Kolleg*innen das Entgelt gekürzt, gibt´s für ÖGB-Mitglieder teilweisen Ersatz durch Streikgeld.
- Am 4.2. gingen in Innsbruck die kämpferische Basisinitiative „Resilienz“ gemeinsam mit vielen kämpferischen Betriebsrät*innen auf die Straße. Das die GPA-djp Tirol als Mitveranstalterin gewonnen wurde ist ein wichtiges Zeichen und ein politischer Erfolg. Offenbar meinen auch einige Kolleg*innen im Gewerkschaftsapparat, dass mit einer reinen sozialpartner*innenschaftlichen Politik keine Verbesserungen für den Sozial- und Pflegebereich erkämpft werden können. Es zeigt auch, dass es möglich ist, die richtige Politik innerhalb der Gewerkschaften umzusetzen.
Am 7. Februar wird der SWÖ-Kollektivvertrag und am 6.2. der Caritas-Kollektivvertrag weiter verhandelt. „Sozial, aber nicht blöd“, eine kämpferische Basisinitiative im Sozial- und Pflegebereich, will im SWÖ-Bereich und bei der Caritas mit möglichst vielen Kolleg*innen für Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen aktiv werden. Die SLP bzw. SLP-Mitglieder die im Sozial-und Pflegebereich arbeiten, bauen die Initiative mit vielen anderen kämpferischen Kolleg*innen mit auf. In den letzten Jahren organisierte „Sozial, aber nicht blöd“ Kampagnen (vor Allem mit Unterschriftenlisten) für sehr weitgehende Lohn- und Gehaltserhöhungen. Angesichts des sehr geringen Verdienstes, insbesondere von Frauen, in der Pflege und im Sozialbereich eine dringende Notwendigkeit. Mit der zunehmenden Arbeitsverdichtung und der steigenden Burnoutgefahr ist auch die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn immer wichtiger geworden.
Heuer ist die Situation anders: Diesmal hat das Verhandlungskomitee aus Vertreter*innen der Gewerkschaften vida und GPA-djp sehr weitreichende Forderungen aufgestellt: 6% mehr Gehalt bzw. mindestens 150 Euro, 35-Stundenwoche bei vollem Lohn und Gehalt, 6 Urlaubswoche für alle, 900 Euro für PflichtpraktikantInnen und vieles mehr. Das würde für viele von uns einen massiven Sprung im Lebenstandard bedeuten.
Die Forderungen sind absolut unterstützenswert! Allerdings: nur mit Verhandlungen ist es komplett unrealistisch dieses Ziel zu erreichen! Es wäre falsch noch einen Tag länger mit Mobilisierungen auf der Straße und im Betrieb zu warten.
Am 29.01.2019 haben die Gewerkschaften einen Aktionstag in vielen Landeshauptstädten organisiert. Der Aktionstag zeigte die Stärken und Schwächen der Branche. In Wien gab es am 29.1. einen Sternmarsch mit 3 Treffpunkten, in Graz und Linz eher Medienaktionen.
In Wien beteiligte sich „Sozial, aber nicht blöd“ und viele SLP-Mitglieder am Zumarsch des Wiener Behindertenbereichs. Eine Gruppe SLPler*innen beteiligte sich am Zumarsch des Pflegebereichs. Im Zumarsch des Wiener Behindertenbereichs wurde „Sozial, aber nicht blöd“ sehr herzlich aufgenommen. „Sozial, aber nicht blöd“ hatte insgesamt einen großen, bunten und lautstarken Block, wahrscheinlich den größten Block seit Gründung der Initiative. Außerdem gab es noch wesentlich mehr Demoschilder mit unseren Anliegen als in den Jahren davor, was die vielen Fotos auf Facebook und dem „Sozial, aber nicht blöd“-Blog deutlich machen. Es zeigt sich, dass sehr viele Kolleg*innen bereit sind aktiv zu werden und lieber streiken wollen, als einen schlechten Abschluss zu akzeptieren. Die kämpferische Stimmung wurde auch bei den Blöcken einzelner Betriebe deutlich. Einige Betriebsrät*innen haben sich schon vor ein paar Jahren entschlossen, dem passiven Kurs der Gewerkschaftsspitzen zumindest im eigenen Betrieb etwas entgegen zu setzten. Aus diesen Betrieben beteiligten sich ungleich mehr Kolleg*innen als aus anderen. Ein Beispiel dafür sind die Kolleg*innen von „Bildung im Mittelpunkt“ mit einem sehr gut organisierten, kämpferischen Betriebsratsteam, mit „Sozial, aber nicht blöd“-Aktivistin und KOMinternArbeiterkammer-Rätin Selma Schacht an der Spitze. An vielen Standorten des Betriebs wurde ab 13:00 die Kinder- bzw. Hortbetreuung nach der Schule eingestellt oder stark reduziert, um auf die als Betriebsversammlung organisierte Demonstration zu gehen. Sogar der ORF griff die Stimmung auf und berichtete über die Mobilisierung der BIM-KollegInnen.
Bedauerlich war die schwache Mobilisierung der Gewerkschaftsspitzen – zum Beispiel durch die späte Ankündigung des Termins, obwohl er seit Wochen feststeht. Offensichtlich wollte die Gewerkschaftsspitze die Arbeitgeber*innen nicht durch eine frühe Mobilisierung verschrecken. Einige Spiztengewerkschafter*innen hofften, schon bei der Verhandlung am 23.1. ein Ergebnis zu erreichen. Offensive Gewerkschaftspolitik schaut anders aus! Mit einer entsprechenden Mobilisierung im Vorfeld , wären die Chancen auf einen guten Abschluss am 23.1. eher gestiegen. Auch an Informationen für die betroffenen Mitglieder, zum Beispiel durch Briefe oder Mails an die betroffenen KollegInnen, hat es stark gehapert.
Die SLP beteiligte sich mit einem eigenen Flugblatt in dem wir auf die Notwendigkeit von Streiks hinwiesen und Vorschläge für eine Verbesserung des Sozialbereichs zum Beispiel durch eine demokratische Vergesellschaftung machten.
In Oberösterreich gab es eine Gewerkschaftliche Medienaktion, bei der ein Aktivist von „sozial, aber nicht blöd“ und SLP-Mitglied bedrängt und zum Verlassen der Kundgebung aufgefordert wurde, wie der untenstehende Artikel berichtet. Offensichtlich fürchten sich manche Spitzenvertreter*innen der Gewerkschaften GPA-djp und vida vor einer Ausweitung einer kämpferischen Bewegung im Sozialbereich.
In den nächsten Tagen geht es darum, den Druck auf die Arbeitgeber*innen zu erhöhen:
- Im Sozialbereich machen nur die wenigsten Betriebe Profite, wir können also mit einem Streik weniger wirtschaftlichen Druck erzeugen. Umso mehr brauchen wir die Solidarität der Klient*innen und der Angehörigen! Diese müssen jetzt informiert und eingebunden werden.
- Jetzt ist auch ein guter Zeitpunkt um öffentliche Aktionen rund um die Dienststellen zu starten, um die Öffentlichkeit auf unsere Forderungen aufmerksam zu machen.
- Gut organisierte, gut besuchte Betriebsversammlungen, mit demokratischen Debatten, in denen die Kolleg*innen die Möglichkeit haben, ihre Vorschläge – aber auch ihre Bedenken – einzubringen, müssen ein nächster Schritt sein. Diese Betriebsversammlungen sollten auch Streikbeschlüsse fassen.
- Letztlich wird es darum gehen, mit einem möglichst gemeinsamen und geschlossen Streik Mitte Februar unsere Ziele zu erkämpfen. Die Kolleg*innen von Caritas und Diakonie sollten diesmal auch Teil der Streikbewegung sein.
- „Beim Streik bin ich dabei, auf eine Alibidemo geh ich nicht mehr“ konnte man letztes Jahr oft hören. Doch viele Kolleg*innen, die beim Warnstreik im Februar 2018 sehr aktiv waren, sind immer noch vom vorzeitigen Streikabbruch und von der Mini-Erhöhung von 2,5% enttäuscht. Auf der anderen Seite ziehen viele andere Kolleg*innen die richtige Schlüsse aus dem wenig effizienten Streik letztes Jahr, beginnen, sich mit anderen zu vernetzen und versuchen Basisinitiativen aufzubauen.
Jetzt kommt es darauf an möglichst viele KollegInnen zusammen zu bringen und auch innerhalb der Gewerkschaften so einen Druck aufzubauen, dass so ein vorzeitiger Streikabbruch nicht noch einmal passieren kann. Ein erster Schritt dazu könnte eine gemeinsame öffentliche Kundgebung im Falle eines Streiks sein.
- Die Betriebsversammlungen müssen auch eine klare Botschaft an die Verhandler*innen erhalten: Es ist besser weiter zu streiken, als wieder einen niedrigen Abschluss zu schlucken. 6% sind keine Phantasiezahl, sondern eine reale Notwendigkeit für viele Kolleg*innen. In jedem Fall muss jedes Verhandlungsergebnis einer Urabstimmung unterzogen werden.
Komm zu den Treffen und Aktionen von „Sozial, aber nicht blöd“:
Oberösterreich:
Streik-Workshop – Samstag, 09.02, um 17:00 Uhr im Luft*raum in der Langgasse 9, 4020 Linz
https://www.facebook.com/events/602719386845570/
Sozialbereichs-Block auf der Donnerstagsdemo:
14. Februar, 18.00 Uhr, Volksgarten Linz
Graz:
Wie weiter im Sozialbereich – Sozial aber nicht blöd-Treffen
Dienstag, 12.02., um 20:00 im Cafe Erde
Andreas Hofer Platz 3, 8020 Graz