Mo 11.09.2017
Am 22. Juli fand in Barcelona/Spanien der Vereinigungskongress zwischen dem CWI und Izquierda Revolucionaria (IR, Revolutionäre Linke) statt - zweifellos ein großer Fortschritt für die Kräfte des revolutionären Marxismus. Vor zehn Jahren begann die größte Krise des kapitalistischen Systems seit der Großen Depression, die 1929 begann und führte zu tiefgreifenden Veränderungen bei den Klassenkämpfen weltweit. Das Vertrauen in die Fähigkeit des Kapitalismus, die grundlegenden Probleme der Menschheit heute zu lösen, schwindet täglich und stellt seine weltweite Dominanz nicht nur unter Linken, sondern in wachsenden Teilen der ArbeiterInnenklasse in Frage. Und das seit dem 2. Weltkrieg herrschende politische System Westeuropas, der USA und anderer kapitalistischer Länder bekommt immer größere Risse. Die Krise hat einen Anstieg der sozialen Ungleichheit ausgelöst, welche der Auslöser der Massenmobilisierungen der letzten Jahre war. Millionen Menschen weltweit gingen auf die Straße, um ihren Unmut auszudrücken.
Die reformistische Politik, die von der Führung der Sozialdemokratischen Parteien und der Gewerkschaften mehrere Jahrzehnte lang praktiziert wurde und wird (bevor erstere zum offenen Neoliberalismus übergingen), erwies sich als unfähig, Antworten auf die Forderungen dieser Proteste zu geben – und auch neue politische Formationen wie SYRIZA scheiterten kläglich, den Unmut dauerhaft zu kanalisieren, weil sie sich kein revolutionäres Programm gaben.
Für die Kräfte des revolutionären Marxismus hat eine neue Etappe von Möglichkeiten begonnen, eine führende Rolle in den großen Massenbewegungen zu spielen, die ihren Schatten vorauswerfen. Gegen die Krise des Kapitalismus braucht die ArbeiterInnenklasse heute mehr denn je ein Programm und eine Organisation, die die millionenfache Wut in eine Kraft verwandeln hilft, um den Kapitalismus zu stürzen und eine neue Gesellschaft aufzubauen. Die Vereinigung von CWI und IR stärkt unsere Fähigkeit, diese Aufgabe zu erfüllen, und wir hoffen, dass sie anderen RevolutionärInnen als Beispiel dient, in der kommenden Periode gemeinsam zu arbeiten, um dieses Ziel zu erreichen.
Bei dieser Vereinigung hat es sehr geholfen, dass IR 1976 als spanische Sektion des CWI entstanden war und sich viele Jahre lang an den Erfahrungen, Methoden und taktischen Orientierungen von Militant (der britischen Sektion des CWI, heute Socialist Party) orientiert hat. 1992, im Rahmen einer im CWI international geführten Debatte über die großen Ereignisse jener Epoche – insbesondere der Zusammenbruch der UdSSR und die folgende Welle der Reaktion – vollzog sich eine Spaltung im CWI, die uns heute, im Licht der folgenden Ereignisse, als großer Fehler erscheint. IR wurde Teil der abgespaltenen Organisation, der IMT (in Österreich: Der Funke), und blieb es für 17 Jahre, bis grundlegende politische Differenzen sowie unsere Feststellung, dass das interne Regime der IMT bürokratisch degeneriert war, zu unserem Austritt führten. Unsere Arbeit in der SchülerInnengewerkschaft Sindicato de Estudiantes (SE) im spanischen Staat wurde von der internationalen Führung der IMT offen abgelehnt, ebenso unsere Beteiligung an der Bewegung von Fabrikbesetzungen in Venezuela. Letztendlich entschloss sich eine Mehrheit der damaligen spanischen, venezolanischen und mexikanischen IMT-Sektionen, die politische Arbeit unabhängig fortzusetzen, um die Orientierung und Methoden, die wir in den 1970er Jahren gelernt hatten, fortsetzen zu können. Dank dieser Traditionen konnten wir den Sindicato de Estudiantes aufbauen und zum besten Kampfinstrument machen, das die spanische Jugend seit dem Bürgerkrieg gehabt hat. SE ist in der Lage, hunderttausende SchülerInnen auf die Straße zu bringen und errang im November 2016 einen historischen Sieg, als wir die bürgerliche PP-Regierung zwangen, ihre Konterreform im Bildungssektor zurückzunehmen. Zudem hat IR innerhalb der organisierten ArbeiterInnenbewegungen Venezuelas und des spanischen Staats kleine, aber sehr effektive revolutionäre Kräfte aufgebaut.
Obwohl wir nur in drei Ländern vertreten waren, behielten wir unsere internationalistische Orientierung bei. Unser Interesse, die großen internationalen Ereignisse vollständig zu verstehen – insbesondere die Massenbewegungen für Sanders und Corbyn sowie die Rückschläge für das Establishment, die das schottische Referendum und der Brexit darstellten – brachte uns dazu, die Position und Dokumente des CWI wieder ausführlicher zu studieren. Dabei stellten wir fest, dass unsere Einschätzungen der aktuellen Etappe des Kapitalismus, der Strategie zum Aufbau einer revolutionären Partei und der Orientierung auf die Massenbewegungen übereinstimmten. In Umsetzung unserer internationalistischen Prinzipien schlugen wir dem CWI vor, einen Diskussionsprozess zwischen beiden Organisationen zu beginnen. Die Ergebnisse dieser Debatten wurden innerhalb von IR diskutiert und unsere Mitglieder entschlossen einstimmig, sich dem CWI anzuschließen. Der Vereinigungskongress stellt also den letzten Abschnitt dieses Prozesses dar.
Wir gehen mit gestärkten Kräften und neuem Enthusiasmus an die Aufgabe heran, die MarxistInnen weltweit zu vereinen und eine Internationale aufzubauen, die eine wahrhaft sozialistische Weltrevolution anführen kann.