"Wer kann so leben? Wer kann so sterben?"

Scharon fängt einen neuen Krieg gegen die PalästinenserInnen an
CWI

"Während die USA versuchen, einen Waffenstillstand im Nahen Osten zu vermitteln, bereiten die israelischen Militärplaner einen Großangriff auf palästinensische Städte und Flüchtlingslager vor, der nach israelische Vertretern breiter und tiefer wäre als die Anfang dieses Monats durchgeführte Offensive." (International Herald Tribune, 26. März 2002)

Dieser "Großangriff" wurde sogar durchgeführt, bevor der unglückliche saudische "Friedensplan" und der Versuch des US-Gesandten Zinni, einen Waffenstillstand in der Region zu erzwingen, in Schwung kamen. Alle größeren Städte der Westbank (Nablus, Dschenin, Ramallah) sind die neuesten Orte brutaler Militärgewalt, Ermordungen und des Versuchs des israelischen Regimes, ein ganzes Volk niederzuwerfen. Die israelische Armee (Israeli Defence Forces, IDF) hat Luftabwehrraketen zum Beschießen von Gebäuden eingesetzt. Die Infrastruktur für die Elektrizitäts- und Wasserversorgung wurde zerstört. Durchsuchungen von Haus zu Haus führten zur kaltblütigen Ermordung junger palästinensischer Polizisten und willkürlicher Tötung weiterer palästinensischer ZivilistInnen. Tausende wurden zusammengetrieben. "Wer kann so leben? Wer kann so sterben?" fragt Dr. Atari vom Krankenhaus Ramallah.

Das Komitee für eine Arbeiterinnen-Internationale (Committee for a Workers' International, CWI) fordert den sofortigen und bedingungslosen Abzug aller IDF-Streitkräfte aus Westbank und Gaza.

Die Lage auf der Westbank hat Millionen Menschen auf der ganzen Welt entsetzt. Es gab wegen der Frage Demonstrationen quer durch Europa. Diese Proteste erschienen zwergenhaft im Vergleich zu den massiven Mobilisierungen, die in den arabischen Länder des Nahen Ostens stattgefunden haben. Diese riesige Wut droht die prowestlichen Regime in Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien zu untergraben. Als Ergebnis von Scharons Krieg steigen die Ölpreise und die wachsende Instabilität bedroht die Weltwirtschaft. Iran und Irak haben gedroht, die OPEC zu zwingen, die Ölversorgung der USA und des Westens zu unterbrechen. Als Ergebnis dieses Drucks war die US-Regierung gezwungen, mit der jüngsten Rede von Bush zu intervenieren.

Der Imperialismus ist verantwortlich

Die Verantwortung für diese Spirale hin zum Krieg liegt in den bluttriefenden Händen des US-Imperialismus und seiner Juniorpartner in Europa (die sich gerade erst darüber klar geworden sind, dass die Region auf der Kippe zu einem Blutbad dahintaumelt), des israelischen Kapitalismus, der arabischen Regime und der palästinensischen Führung. Über die Jahrzehnte haben ihre Methoden vom Einsatz brutaler Militärunterdrückung bis zum Einsatz vergifteter Pillen in Form von "Friedensabkommen" gereicht, die zu nacktem Verrat an den PalästinenserInnen und ihrer Versklavung führten. Die Gründe dafür sind klar. Wirkliche palästinensische Staatlichkeit zuzugestehen würde entscheidende strategische und wirtschaftliche Interessen des Imperialismus in der Region bedrohen. Es würde die Macht, das Prestige und die Profite der kapitalistischen Elite im Nahen Osten bedrohen.

Jede IDF-Kugel, die ihr Ziel auf der Westbank trifft - und was das betrifft, auch jeder Selbstmordattentäter, der sich in Israel in die Luft sprengt - beleuchten blutig, dass der Kapitalismus und Imperialismus für die nationale Frage im Nahen Osten keine Lösung haben. Die schwierigen Fragen von Land, Wasserrechten, dem Status von Jerusalem und dem Rückkehrrecht der Flüchtlinge und auch Garantien für die wirtschaftliche und physische Sicherheit der israelischen JüdInnen können erst angegangen werden, wenn die zynische kapitalistische Elite und der US-Imperialismus aus ihren Macht- und Einflussstellungen in der Region vertrieben sind. Dies wird Massenbewegungen der arabischen ArbeiterInnenklasse und armen BäuerInnen, der unterdrückten PalästinenserInnen und der israelischen jüdischen ArbeiterInnenklasse erfordern. Diejenigen, die diese Ideen in Frage stellen oder sogar lächerlich finden, sollten ihren Fernseher einschalten oder ihre Zeitung aufschlagen: der Kapitalismus hat nur tägliches Blutvergießen zu bieten! Das Komitee für eine ArbeiterInnen-Internationale (CWI) und seine Schwesterorganisation in Israel - Ma'avak Sozialisti - haben das jüngste Aufflammen der Gewalt detailliert analysiert (siehe CWI-Stellungnahme vom 19. März). Aber die Explosion der Gewalt in den letzten paar Wachen erfordert weiteren Kommentar, besonders wenn sich die Lage möglicherweise zu einem größeren Krieg im Nahen Osten entwickelt.

Die Scharon-Regierung nutzte die tödliche Welle von Selbstmordanschlägen, die mit dem Ende des jüngsten von Streit geprägten arabischen Gipfeltreffen begann, als Vorwand für die jüngste Besetzung. Zweifellos gab es weitverbreitet Entsetzen unter israelischen JüdInnen als Reaktion auf die jüngsten Selbstmordattentate, besonders den Anschlag letzten Mittwoch in einem Hotel in Netanja, bei dem 25 Menschen starben (die größte Zahl an Opfern bei einem Anschlag seit dem Beginn der zweiten Intifada) während der Passah-Feier. 127 der 415 während der zweiten Intifada getöteten israelischen JüdInnen wurden im März getötet. Als Ergebnis hatte Scharon zweifellos mehr Zuversicht, dass er den Angriffsbefehl geben könne. Militärvertreter sprachen von einem "Fenster der Gelegenheit", was die Sympathie der Weltöffentlichkeit betraf, die ihnen den Wiedereinmarsch in der Westbank erlaube.

Verzweifelte Bedingungen

Trotz der verzweifelten Bedingungen für die Mehrheit der PalästinenserInnen und das tägliche Abschlachten ihrer Brüder, Schwestern und Eltern durch das israelische Regime und trotz der Anerkennung der Gründe, warum palästinensische Jugendliche zu diesen Taktiken greife, glaubt das CWI, dass Selbstmordattentate eine unrichtige und falsche Politik sind. Es stimmt, dass viele PalästinenserInnen die Taktik der Selbstmordattentate als erfolgreiche Taktik betrachten, die die israelische Gesellschaft erschüttert habe, sie hat aber nicht die Opposition unter den israelischen JüdInnen gegen die Besetzung vergrößert, sondern sie in die Hände der reaktionärsten Elemente der israelischen Rechten getrieben.

Obendrein wird diese Taktik gegen die überwältigende Militärmacht der israelischen Armee keinen Erfolg haben. Langfristig werden die PalästinenserInnen am meisten unter dieser Taktik leiden.

Scharon hat Arafat zum "Feind" erklärt und die palästinensische Behörde zu "einer Koalition des Terrors", während sich Israel "im Krieg" befinde. Als Vorbereitung auf diese jüngste Militäroffensive befahl die Scharon-Regierung die Mobilisierung von 31.000 ArmeereservistInnen. Dies ist eine größere Zahl als während dem Golfkrieg 1991 mobilisiert wurde. Selbst die Ankündigung des Ausmaßes der Mobilisierung soll als Warnung an die PalästinenserInnen und den Rest der Welt dienen. Der israelische Verteidigungsminister Ben-Eliezer sagte direkt nach dem Einmarsch dem israelischen Radio: "Wir verteidigen unsere Heime...Wir werden unsere Heime mit aller Macht verteidigen". Egal was die öffentlichen Verlautbarungen des israelischen Regimes sind, ihre jüngste Militäroffensive soll die Überbleibsel der palästinensische Behörde zerschlagen; die örtliche Führer von Hamas, Al-Aqsa[-Brigaden] und Tanzeem[-Milizen] fangen, töten oder vertreiben und den PalästinenserInnen eine völlige und demütigende Kapitulation aufzwingen. Die Besetzung aller größeren Städte durch die IDF ist auch - neben der Erzeugung von Hunderten von Toten und Verwundeten und entsetzlicher Brutalität - eine symbolische Botschaft an das palästinensische Volk, dass "Oslo tot ist" und es die palästinensische Behörde nicht gibt. Aber dies ist keine "Lösung" und wird die palästinensische Wut nicht verringern, sondern langfristig kräftig anheizen.

Scharons Befehl, in Arafats Gebäudekomplex in Ramallah einzufallen und ihn auf ein Kellergeschosszimmer ohne Elektrizität, Nahrung oder Wasser zu beschränken, zeigt sein klares Ziel, die Palästinenserbehörde zu zerstören. Er bot Arafat ein Fahrkarte ohne Rückfahrkarte aus Ramallah an, mit der klaren Erklärung, dass der Vorsitzende der palästinensische Behörde nie würde zurückkehren können. PalästinenserInnen werden das als den ersten Schritt zur Vertreibung aller PalästinenserInnen von Westbank und Gaza interpretieren. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Arafat dieses "Angebot" akzeptieren wird. Das würde als völlige Niederlage und das Ende seiner Rolle als PalästinenserInnenführer gesehen werden. Arafat erkennt das und möchte wahrscheinlich persönlich als Märtyrer in Erinnerung bleiben. Deshalb hat er bis jetzt erklärt, dass er nur als Toter oder Verwundeter seinen Gebäudekomplex verlassen werde.

Scharon ging weiter, indem er Dschibril Radshoub (Chef des palästinensischen Vorbeugenden Sicherheitsdienstes) und andere führende Personen der palästinensischen Behörde zur Verhaftung ausschrieb. Hunderte von palästinensischen Polizisten und Arafats Sicherheitsleuten wurden getötet. Die meisten Polizeistationen wurden zerstört. Die Forderung, dass "Arafat gegen die Terroristen vorgehen muss" ist daher eine Farce. Selbst wenn Arafat die Autorität hätte, das zu tun, ist es klar, dass diese Forderung umgeben von israelischen Truppen und bei zerstörter Infrastruktur der palästinensischen Behörde unmöglich zu erfüllen ist. Dass andere Führer der palästinensische Behörde aufs Korn genommen werden straft auch Scharons Behauptung Lügen, dass das israelische Regime mit gemäßigten PalästinenserInnen verhandeln werde, sobald es sich mit der palästinensische Behörde befasst habe. Selbst aus dem Blickwinkel jener Teile der israelischen herrschenden Klasse (und des US-Imperialismus), die Hoffnungen hatten, dass eine neue Schicht gefügigerer PalästinenserInnenführer gefunden werden könne, ist dies eine sehr kurzsichtige Herangehensweise.

Eines der öffentlich erklärten Ziele der Wiederbesetzung ist die Zerstörung der "Terroristen"zellen. Dahinter liegt die völlig falsche Idee, dass irgendwie die palästinensische Bevölkerung in die Unterwerfung gezwungen werden könne. Während der letzten IDF-Besetzung der Flüchtlingslager Anfang März kristallisierte sich eine grundlegende Änderung in der Stimmung der PalästinenserInnen heraus. Es gab ein weitverbreitetes Gefühl, dass ihre Zerstörung drohe und dass sie daher im Kampf gegen die Wiederbesetzung nichts zu verlieren hätten. Wie Uri Avneri, ein israelischer Friedensaktivist, kürzlich in der International Herald Tribune kommentierte: "Wenn ein ganzes Volk vor Wut kocht, wird es ein gefährlicher Feind, weil die Wut keine Befehle befolgt. Wenn sie in den Herzen von Millionen Menschen vorhanden ist, kann sie nicht per Knopfdruck ausgeschaltet werden" (28. März 2002) Diese Stimmung spiegelt sich im riesigen Wachstum der Unterstützung unter PalästinenserInnen für die irrige Idee der Selbstmordattentate wider. Früher war es die Spezialität von Hamas und ein Ausdruck von religiösen Märtyrertum, jetzt sehen selbst säkulare PalästinenserInnen Selbstmordattentate als einen der wenigen Wege, auf denen die israelische Besatzung besiegt werden kann.

Das riesige Gewicht der israelischen Militäraktion hat zwar zu einen vorübergehenden Rückgang der Selbstmordattentate geführt, hat aber die sogenannten bewaffneten Milizen im PalästinenserInnengebiet oder ihre Infrastruktur keineswegs zerstört. Wie die Washington Post erklärte: "Israelische Terrorismusexperten haben darauf hingewiesen, dass des Infrastruktur der Selbstmordattentate wenig mehr als die Kenntnis über das Herstellen von Bomben und ein paar sehr grundlegende Hilfsmittel erfordert. Wenn ein Sprengstoffgürtel in einem Geräteschuppen, Hühnerstall oder einer Garage zusammengebaut werden kann, dann fängt die Zerstörung der "Infrastruktur des Terrorismus" an, praktisch undurchführbar zu klingen, mehr als Parole als als Schlachtplan" (2. April 2002)

Die IDF hat rücksichtslose und wahllose von-Haus-zu-Haus-Suchen in der Westbank durchgeführt. Zu der Zeit, wo die SoldatInnen bei den PalästinenserInnenwohnungen ankommen, sind die Mitglieder der palästinensischen Milizen gewöhnlich verschwunden. Wenn das israelische Regime davon redet, die "Infrastruktur des Terrors" ins Visier zu nehmen, reden sie praktisch von der ganzen palästinensischen Bevölkerung. "Die Strategie ist extrem, weil die Zielbevölkerung massiv ist, Israelische Beamte müssen alle männlichen Palästinenser im Alter von 18 bis 60 als potenzielle Bedrohung betrachten. Ungefähr drei Millionen PalästinenserInnen leben in Gazastreifen und Westbank. Nach CIA-Zahlen sind etwa 800.000 davon Männer zwischen 15 und 64" kommentierte die online-Nachrichtenagentur Stratfor in einem Artikel mit dem Titel "Israels verzweifelte Offensive" (2. April 2002) diese Zahl muss praktisch mindestens verdoppelt werden, weil sich jetzt junge Frauen den Selbstmordattentätern und den Milizen anschließen. Alles, was das israelische Regime daher anbieten kann, ist ein vorübergehende Rückgang der Selbstmordanschläge, zu dem extrem hohen Preis der Wiederbesetzung. Obendrein kann, wie der israelische Verteidigungsminister kürzlich im israelischen Parlament zugab "der Terrorismus nicht mit militärischen Manövern gestoppt werden. Die Operationen zielen nur darauf ab, den Terrorismus zu behindern und so viele Anschläge wie möglich aufzuhalten".

Massenopposition

In den Anfangsstadien dieser Wiederbesetzung war das Ausmaß der Massenopposition unter den PalästinenserInnen geringer als während der vorigen Besetzung im März. Dies war teilweise das Ergebnis des Ausmaßes der gegenwärtigen Militäroperation, im Vergleich zu der frühere Besetzungen zwergenhaft erschienen. Aber es gibt auch eine Tendenz unter den Milizführern, zu sagen, dass der Kampf ihnen überlassen werden solle. Beim Fehlen einer Strategie zur Entwicklung der Massenbeteiligung an der Intifada während der letzten achtzehn Monate durch den Aufbau von demokratisch kontrollierten Komitees, werden PalästinenserInnen die Schlussfolgerung gezogen haben, dass die gegenwärtige Herangehensweise kleine Gruppen von bewaffneten Männern und Frauen den Kampf führen zu lassen, der einzige Weg nach vorn sei. Dies zeigt die Schwäche der Taktik der palästinensischen Führung an, die sich geschichtlich auf die Taktik der individuellen bewaffneten Angriffe und diplomatischen Druck auf westliche imperialistische Länder gestützt haben, um ihre Ziele zu erreichen. Es bedeutet, die Mehrheit der PalästinenserInnen auf die Rolle von reinen BeobachterInnen im Kampf gegen die Wiederbesetzung zu verweisen.

Die stärkste potenzielle Waffe, die die PalästinenserInnen haben, ist der Massenkampf und der Appell an die Solidaritätsaktion der ArbeiterInnen und Jugendlichen auf der ganzen Welt. Trotz der Opfer nach der IDF-Operation im März war damals die palästinensische Moral so hoch wie nie, gerade weil es wichtige Elemente von Massenopposition gegen die IDF-Operation gab. Wenn die Wiederbesetzung weitergeht, dann wird der Druck von unten wachsen, Massenproteste gegen die IDF zu machen. Die Gefahr besteht, dass diese Proteste, wenn sie sich entwickeln, unkoordiniert, spontan und unorganisiert sein können und daher von Gegenangriffen und Isolation bedroht sind. Die falsche Taktik der PalästinenserInnenführung hat auch die Massenproteste unter den PalästinenserInnen in Israel aus den selben Gründen (bisher) zurückgehalten. Die Möglichkeiten eines vereinigten Kampfes von israelischen JüdInnen und PalästinenserInnen gegen die Besetzung zeigte sich während der am A-Ram-Militärkontrollposten vor Ramallah organisierten Demonstration am Mittwoch, 3. April. Viertausend israelische JüdInnen und PalästinenserInnen nahmen an dieser mutigen und radikalen Demonstration teil, auch Mitglieder von Ma'avak Sozialisti (Sozialistischer Kampf), dem CWI in Israel. Zu den Protestierenden gehörten viele junge Menschen, die nie vorher an politischen Protesten teilgenommen hatten. Unmittelbar nach dem Netanja-Bombenanschlag verhärtete sich zwar die öffentliche Meinung, aber innerhalb von ein paar Tagen kamen weitverbreitete Zweifel unter den israelischen JüdInnen an den Zielen der Scharon-Regierung und der gegenwärtigen Militäroperation an die Oberfläche. Das liegt daran, dass es ziemlich klar ist, dass es keine klare Militär- oder politische Strategie für die "Lösung" der Krise gibt. Offene Spaltungen traten in der israelischen herrschenden Klasse auf, bei denen Schimon Peres ein Ende von Arafats faktischer Gefangenschaft und Isolierung von internationalen Diplomaten forderte. Eine neue Plattform, die von führenden Intellektuellen unterzeichnet war, forderte einen sofortigen Abzug aus den Besetzten Gebieten ohne Vorbedingungen. Neben dem Fehlen einer klaren Strategie auf Seiten der Regierung wird die sich verschlechternde Wirtschaftslage die Opposition gegen die Scharon-Regierung vergrößern. Die jüngste Runde von Haushaltskürzungen berief sich auf 1,5 Milliarden Dollar (obwohl natürlich Militärausgaben nicht angetastet wurden). Der Schekel (NIS) - Israels Währung - ist auf dem niedrigsten Stand jemals gegenüber dem Dollar. Die Regierung verspricht mehr Strafen für die israelischen ArbeiterInnen und Jugendlichen - die Einführung einer neuen Steuer, um für den Krieg zu bezahlen.

Die arabische Welt in Flammen

Der Rest der arabischen Welt wurde durch diese jüngste Besetzung in Brand gesetzt. CNN berichtet, dass am Montag, 1. April, mehr als eine Million ÄgypterInnen gegen die israelische Aktion auf der Westbank in verschiedenen Städten demonstrierten. Dies in einem Land, wo Demonstrationen dieser Art verboten sind und brutal unterdrückt werden. Es gab Demonstrationen in Syrien, Libanon und Jordanien. Im Jemen zog sich der proamerikanische Präsident auf seine Farm am Roten Meer zurück und bat, allein gelassen zu werden. Walid Kazziha, ein Professor an der Amerikanischen Universität in Kairo, gab einer allgemeinen Sicht aller arabischen Kommentatoren Ausdruck, als er sagte, dass es nie ein größeres Ausmaß an Wut auf den US-Imperialismus, Israel und die arabischen Führer gegeben habe. In arabischen Fernsehsendern war das erste, was der Mann auf der Straße sagte: Was machen diese arabischen Regierungen, was machen diese arabischen Führer?" (Financial Times, London, 4. April 2002)

Der Massendruck auf die arabischen Führer fängt an, sich in größeren Spaltungen unter ihnen auszudrücken. Der jüngste arabische Gipfel in Beirut war aus ihrem Blickwinkel ein völliger Fehlschlag. Ein Drittel der arabischen Führer nahmen nicht teil. Besonders beachtenswert war das Fehlen von König Abdullah von Jordanien und Präsident Mubarak von Ägypten. Ihre Regime haben die engsten Verbindungen zu Israel und dem US-Imperialismus in der Region und daher ist das Potenzial für Massenaufstände gegen sie am größten. In Jordanien ist die Mehrheit der Bevölkerung palästinensisch. Die ägyptischen und jordanischen Regime versuchen verzweifelt, so zu scheinen, als würden sie die palästinensische Sache unterstützen. Aus ihren eigenen Gründen heraus entschieden sich die ägyptischen und jordanischen Führer, nicht zum Gipfel in Beirut zu gehen, aber sie versuchten, das damit zu verdecken, indem sie so taten, als würden sie "Solidarität" mit den PalästinenserInnen üben, nachdem Arafat von Scharon das Recht verweigert wurde, zum Gipfel zu gehen. In den letzten paar Tagen hat Mubarak alle nichtdiplomatischen Verbindungen zwischen Ägypten und Israel abgebrochen. Syrien hat 20.000 Soldaten ins Bekaa-Tal verlegt und Hizbollah-Kämper haben angefangen, zum ersten Mal seit dem IDF-Abzug aus dem Südlibanon 2000 in die nördlichen Siedlungen Israels Raketen abzuschießen.

Der arabische Gipfel warf erneut das Leid der Millionen palästinensischen Flüchtlinge auf, die 1948 von israelischen Milizen im damaligen Palästina aus ihren Wohnungen vertreiben wurden. Diese Frage ist während dem letzten Aufflammen der Gewalt an die Oberfläche gekommen. Des liegt daran, dass sich der saudische Friedensplan mit der Frage beschäftigt. Wichtiger aber ist, dass die PalästinenserInnen fürchten, dass eine neue Welle von Flüchtlingen in der Mache ist, die Hunderttausende umfassen würde.

Die Flüchtlingsfrage ist eine der kompliziertesten im israelisch-palästinensischen Konflikt. Nach der Barbarei des Holocaust im zweiten Weltkrieg flohen JüdInnen in das Land, das sie als ihre Heimat betrachteten. Aber das neue israelische Gebilde wurde auf der Grundlage der Zwangsvertreibung der palästinensisshen Bevölkerung erreicht - ein Verbrechen, das die israelische Elite initiierte, für das einfache israelische JüdInnen seitdem mit ihrem Blut zahlen müssen.

Das CWI unterstützt das Rückkehrrecht für die palästinensischen Flüchtlinge. Aber dies wird nie auf kapitalistischer Grundlage erreicht werden. Nur ein sozialistischer Naher Osten könnte die vollen wirtschaftlichen und sozialen Ressourcen bereitstellen, um die Millionen PalästinenserInnen aufzunehmen, denen das Rückkehrrecht gegeben würde, und der ganzen Bevölkerung einen steigenden Lebensstandard garantieren. Nur eine sozialistische Konföderation der Region mit einem sozialistischen Israel neben einem sozialistischen Palästina würde die politischen Bedingungen für wirkliche Verhandlungen zwischen VertreterInnen der PalästinenserInnen und israelischen JüdInnen schaffen, die die nationalen, religiösen und ethnischen Rechte der beteiligten Gruppen respektieren würden.

Rückkehrrecht

Trotz ihrer radikalen Phrasen haben die arabischen Regime kein Interesse an den Rechten der Flüchtlinge. Die palästinensischen Flüchtlingslager wurden mehr als fünfzig Jahre in Ländern wie Syrien, Libanon und Jordanien beibehalten und dienten als Sicherheitsventil für arabische Unzufriedenheit. Das Vorhandensein der Lager bedeutet, dass arabische Regime auf den ausländischen Feind - Israel - verweisen konnten, um die Aufmerksamkeit der arabischen ArbeiterInnenklasse und armen BäuerInnen von den Problemen abzulenken, vor denen sie zu Hause standen.

Die arabischen Regime waren äußerst überrascht und empört über die Herangehensweise des US-Imperialismus an die jüngste brutale Wiederbesetzung. Es ist klar, dass die Bush-Regierung zwar im UN-Sicherheitsrat für eine Resolution stimmte, die den Abzug aller IDF-Streitkräfte aus der Westbank forderte, aber der israelischen Invasion Grünes Licht gab. In den ersten Tagen der Besetzung zeigte Washington offene Unterstützung für Scharons Aktionen, als die Bush-Regierung erklärte, dass Israel "das Recht auf Selbstverteidigung" habe. Der US-Imperialismus ist so schuldig an den Toten auf der Westbank während der letzten paar Wochen wie das israelische Regime an den von reaktionären christlichen Phalangemilizen in den Flüchtlingslagern in Sabra und Schatila während dem Libanonkonflikt der achtziger Jahre massakrierten Tausenden PalästinenserInnen schuldig war. Obwohl Bush und seine Sprecher kurze Kommentare über die Notwendigkeit der Mäßigung und des "Offenhaltens des Weges zum Frieden" machten, war dies reine Kosmetik. Das Problem für Bush ist, dass in einer Kriegssituation so dünne politische Propaganda in den Augen der PalästinenserInnen, AraberInnen, wachsenden Teilen der jüdischen ArbeiterInnen und in der Tat ArbeiterInnen auf der ganzen Welt fast sofort weggewischt wird. Die wirkliche Position des US-Imperialismus enthüllt sich immer deutlicher. Es gibt Spaltungen innerhalb der Bush-Regierung über ihre Herangehensweise an den Nahostkonflikt. Das Außenministerium versteht klarer die Gefahren, die in der gegenwärtigen Lage enthalten sind und die Notwendigkeit einer Art von Initiative des US-Imperialismus. Aber das Weiße Haus und das Pentagon haben in dieser Frage das Sagen. Es ist kein Zweifel, dass reaktionärere Personen in der Bush-Regierung wie Wolfowitz und Cheney Scharons Aktionen und auch die Schritte zur Zerschlagung der palästinensische Behörde voll unterstützen. Selbst Colin Powell, eine angebliche "Taube", hielt Arafat Vorträge über die Notwendigkeit, sich mit dem Terrorismus zu befassen. Selbst aus dem Blickwinkel ihrer eigenen Klasseninteressen ist diese Herangehensweise gelinde gesagt äußerst bescheuert. Sie empört die arabischen Massen und macht es arabischen Regimen unmöglich, es zu unterstützen oder ruhig zuzuschauen, wenn der US-Imperialismus seine Pläne für einen Angriff auf den Irak später in diesem Jahr verfolgt.

Aber die IDF-Wiederbesetzung führte dazu, dass binnen Stunden der Druck auf den US-Imperialismus zunahm. Ohne Zweifel erklärte Mubarak in Ägypten und Abdullah in Jordanien den US-Beamten in wenig missverständlichen Ausdrücken, dass das Versagen des US-Imperialismus, im Konflikt zu intervenieren, zu Massenprotesten und möglicherweise zum Sturz ihrer Regierungen und der Einsetzung islamisch-fundamentalisticher Regime an ihrer Stelle führen würde. Die US-Regierung hat Ängste, dass dies auch in Saudi-Arabien passieren kann. Der riesige Druck sogenannter "gemäßigter" arabischer Regime war der Grund für Bushs schnellen verbalen Purzelbaum bei dem Konflikt. Mit Verspätung forderte er den Abzug der IDF-Truppen, eine Verhandlungslösung, die frühere UN-Resolutionen in der Frage berücksichtige und er schickte Colin Powell in den Nahen Osten. In einer Besänftigungskampagne vor seiner Reise macht Powell weitere Kommentare über die Wichtigkeit, den PalästinenserInnen ihren eigenen Staat zu geben. Die meisten PalästinenserInnen werden Powell als den zynischen Vertreter des US-Imperialismus sehen, der er ist. Schließlich begrüßten Powell und die anderen Vertreter des Imperialismus den morschen und korrupten Ministaat der palästinensische Behörde, der als Ergebnis des Oslo-Abkommens zugestanden wurde.

Die EU-Führer begannen auch untypischerweise eine gemeinsame öffentliche Kampagne, dass Bush die Invasion verurteilen und einen IDF-Rückzug fordern solle. Sie sind sich klar bewusst, dass die Mehrheit ihrer WählerInnen mit dem Leid der PalästinenserInnen sympathisiert. Hunderttausende haben quer durch Europa in den letzten paar Wochen demonstriert. Antikapitalistische Protestierer wie Bové, ein führender französischer antikapitalistischer Protestierer, und eine Reihe andere Protestierer aus Europa marschierten durch die israelischen Linien in Arafats Gebäudekomplex in Ramallah.

Teilweise ist die Stabilität mancher europäischer Länder bedroht, weil viele große arabische, palästinensische und moslemische Bevölkerungen haben. In Marseilles, Paris, Brüssel und Antwerpen gab es Brandanschläge auf Synagogen und Drohungen von Angriffen auf die ansässigen jüdischen Bevölkerungen. Diese Faktoren halfen dabei, EU-Politiker zu bewegen, die US-Regierung zu ermutigen, einzuschreiten und den Konflikt aufzuhalten zu versuchen, nicht irgend welches echte Mitleid für die palästinensische Bevölkerung.

Bushs Rede stellt keine grundlegende Änderung in der Position dar. Er erwähnte "Terror" und "Terrorismus" nicht weniger als fünfzig Mal. Er gab Arafat die Schuld an der Lage, in der er sich befindet. Er warnte Regime wie Syrien und Iran, sich aus dem Konflikt rauszuhalten. Im wesentlichen sagte Bush, dass ein "Friedensabkommen" auf den Tisch kommen werde und wie bei früheren Gelegenheiten sind sie "entweder für oder gegen uns". Dies ist den Ultimaten nicht unähnlich, die Scharon Arafat und dem palästinensischen Volk stellt.

Vorübergehende Pause

Es ist möglich, dass der Besuch von Colin Powell im Nahen Osten zu einer vorübergehenden Pause in der Gewalt führen wird und sich die IDF wahrscheinlich aus palästinensischen Städten zurückzieht. Es kann sogar ein paar vorübergehende Verhandlungen geben. Aber die US-Intervention ist zu wenig zu spät. Jede "neue" imperialistische Initiative scheitert daran, dass der Kapitalismus unfähig ist, die zentralen Fragen anzugehen und an der Erinnerung an die jüngste Runde des Blutvergießens. Das Ausmaß der Wut auf den US-Imperialismus und das israelische Regime ist so groß im Nahen Osten, dass die arabischen Regime vielleicht nicht in der Lage sind, die Flut des Protestes zurückzuhalten. Wenn Arafat die Art von Zugeständnissen macht, die er in Camp David in seinen Verhandlungen mit Clinton und dem früheren israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak verweigerte, wird er politisch in der Versenkung verschwinden.

Scharons "Lösung" für die palästinensische Besetzung ist wahrscheinlich, die Wiederbesetzung über einen längeren Zeitraum fortzusetzen und eine einseitige "Vereinbarung" mit den von ihm ernannten palästinensischen Marionettenführern (wenn sich irgendwelche finden lassen!) von oben aufzuzwingen. In diesem Zusammenhang würde den PalästinenserInnen gesagt werden: "Akzeptiert das oder geht!" Dies zeigte die jüngste Kabinettsdiskussion über die Frage von Arafats faktischer Haft in seinem Gebäudekomplex in Ramallah an. In diesem Zusammenhang drückte der Stabschef der Armee, Generalleutnant Schaul Mofaz, die Meinung aus, dass das Ziel der gegenwärtigen Kampagne sei, Arafat zu zwingen, einen Waffenstillstand zu den Bedingungen vom US-Gesandten Zinni zu akzeptieren und schließlich Verhandlungen anzufangen. Es wird berichtet, dass Scharon erwiderte "Wovon reden Sie? Es wird hier keine diplomatischen Verhandlungen geben" (Washington Post, 2. April 2002)

Langfristig ist eine unbefristete Besetzung keine Möglichkeit. Die politischen und militärischen Kosten für die israelische herrschende Klasse wären zu hoch. Es würde wahrscheinlich zu einer einseitigen Trennung Israels von Palästina führen, wobei neue Grenzen und viel schlechteren Bedingungen erklärt würden, als sie vorher skizziert wurden.

Wie das CWI früher erklärte, wäre dies keine gangbare Lösung, weil es zu erneuten palästinensischen Protesten (sowohl innerhalb als auch außerhalb Israels) und auch großer Unruhe in der arabischen Welt führen würde, so dass der Weg für eine "ethnische Säuberung" der PalästinenserInnen innerhalb Israels und einen neuen arabisch-israelischen Krieg bereitet würde.

Die explosive Lage im Nahen Osten, die durch die Dummheit des Ansatzes des US-Imperialismus und der israelischen herrschenden Klasse verschärft wird, wird zu Kriegen und Revolutionen führen. SozialistInnen und ArbeiterInnenaktivistInnen der Region stehen vor dem Kampf, eine Bewegung aufzubauen, die eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens als einziger Ausweg aus der Fortsetzung von Krise, Konflikten und nationalen Hass zum Ziel hat.

Das CWI kämpft für:

  • sofortiger Abzug aller israelischer Streitkräfte aus den besetzten Gebieten - Gazastreifen und Westbank! Stopp der Aggression gegen die PalästinenserInnen!
  • Ein Massenkampf in der ganzen Region gegen Imperialismus und Kapitalismus - die Wurzeln des Konflikts!
  • Das Recht der PalästinenserInnen, den israelischen Besatzungstruppen Widerstand zu leisten! Für einen Massenkampf für wirkliche nationale und soziale Befreiung! Für die Errichtung von demokratisch kontrollierten Basis-Volkskomitees, die die Führung im Kampf sein sollen. Das Recht dieser Komitees, für demokratisch kontrollierte bewaffnete Verteidigung zu sorgen.
  • Die Mobilisierung der ArbeiterInnen und Jugendlichen international, um dem palästinensischen Kampf für demokratische, nationale und soziale Rechte und für eine sozialistische Lösung im Nahen Osten zu helfen!
  • Das Recht der PalästinenserInnen auf Selbstbestimmung einschließlich eines unabhängigen Staats! Für ein sozialistisches Palästina und ein sozialistisches Israel als Teil einer freiwilligen sozialistischen Konföderation des Nahen Ostens mit vollen Minderheitenrechten
  • Schluss mit Scharons Wiederbesetzungskrieg und seiner reaktionären kapitalistischen Regierung! Schluss mit der Verwendung der israelischen SoldatInnen als Kanonenfutter durch die israelische herrschende Klasse und Armeegeneräle. Für das Recht aller Wehrpflichtigen und ReservistInnen, den Dienst in den besetzten Gebieten zu verweigern.
  • Ein vereinigter Kampf von israelischen jüdischen und israelischen palästinensischen ArbeiterInnen, Jugendlichen und StadtteilaktvistInnen gegen Scharons Aggression und Besetzung! Schluss mit dem institutionalisierten Rassismus und der Diskriminierung gegen israelische PalästinenserInnen. Für einen Kampf der israelischen ArbeiterInnenklasse - sowohl jüdisch als auch palästinensisch - zum Sturz des Kapitalismus.
  • Für ein Ende von Massenarbeitslosigkeit und Armut! Schluss mit der politischen und wirtschaftlichen Unterdrückung durch den israelischen und palästinensischen Kapitalismus. Für eine massive Steigerung der öffentlichen Ausgaben. Für eine demokratisch geplante sozialistische Wirtschaft, um den Lebensstandard der PalästinenserInnen und Israelis umzugestalten.
  • Ein Kampf der Massen in den arabischen Staaten gegen die korrupten, reaktionären, kapitalistischen herrschenden arabischen Eliten! Für einen sozialistischen Nahen Osten!

CWI Erklärung, 5. April 2002