Do 11.04.2013
Um 00.05 Uhr Dienstag früh holte ein privater Krankenwagen den Leichnam der am Montag Nachmittag verstorbenen ehemaligen Premierministerin Margaret Thatcher aus dem Ritz Hotel in London ab. Hier hatte die nach eingeborener Sitte »geadelte« Ex-Regierungschefin ihren Lebensabend verbracht. Der private Abtransport war ein passendes Ende für eine Frau, der jedes öffentliche Eigentum verhasst war. Das Gesundheitssystem hatte sie nur deshalb nicht privatisiert, weil sie die Wut der Arbeiterklasse fürchtete. Heute setzen ihre Nachfolger diese Programmatik um.
Seit Thatchers Tod wehen alle Fahnen in London auf Halbmast. Nicht jedoch in Schottland. Hier ist die Bevölkerungsmehrheit zu deutlich gegen die Ex eingestellt. Auch sonst rief das Ableben der Gewerkschaftskillerin nicht nur Trauer hervor. Am Abend ihres Todes gab es Straßenfeste in London, Bristol und Glasgow. In Salford, Greater Manchester, verschossen jubelnde Menschen in den Sozialwohnungsgebieten Feuerwerkskörper. Pubs in den ehemaligen Bergarbeitergebieten reichten aus gegebenem Anlass kostenlose Buffets. Getränke gingen vielerorts auf Kosten des Hauses.
Über den „Hass der Linken“ echauffierte sich am Dienstag die Rechtsaußenzeitung Daily Mail. Jenes Blatt, in dem nur wenige Tage zuvor lobendes über den Nazislogan „Arbeit macht frei“ zu lesen war. Zwangsarbeit für „faule“ Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger sei gerechtfertigt, war da zu lesen. Dieselbe Zeitung, die täglich kübelweise Gülle über die Schwächsten der britischen Gesellschaft auskippt, fordert nun Respekt für jene Person ein, die wie keine andere den Klassenkampf von oben personifiziert.
„Thatcher ist tot, aber das System das sie geschaffen hat, lebt weiter. Ich kann mich erst freuen, wenn das gesamte neoliberale System genau wie sie unter der Erde ist“, schrieb mir ein Freund wenige Stunden nach dem Ableben der Politikerin per SMS. Tatsächlich starb Thatcher genau an dem Tag, an dem neue drakonische Maßnahmen gegen sozial Benachteiligte in Kraft traten. Unter anderem wurde das Wohngeld für 600.000 Menschen mit besonderen Bedürfnissen ersatzlos gestrichen.
Im nordostenglischen Durham feierten Veteranen des Bergarbeiterstreiks von 1984/85 den Tod der einst von der Konzernpresse zur „eisernen Lady“ gekürten Konservativen. „Heute ist ein großer Tag für alle Bergleute, die damals gestreikt haben“, sagte Dave Hopper, Sekretär der Durham Miners Association, diversen Tageszeitungen.
Man wird sich an Thatcher als kompromisslose und rücksichtslose Politikerin erinnern. Während des Bergarbeiterstreiks war die Mehrheit ihres Kabinetts mehr als einmal bereit aufzugeben und einen Vergleich mit den Bergleuten zu suchen. Thatcher verhinderte dies. Sie suchte die völlige Vernichtung der Bergarbeitergewerkschaft, um damit das größte Hindernis für die neoliberale Umwandlung Großbritanniens aus dem Weg zu räumen.
Dieses Ziel hat sie erreicht. Vor allem auch deshalb, weil viele Gewerkschaftsführer nicht zu derselben Rücksichtslosigkeit gegen den politischen Gegner bereit waren. Das sollte die heutige Generation von Unionists im Gedächtnis behalten, wenn sie Ende April über einen möglichen Generalstreik gegen die Kürzungspolitik der gegenwärtigen Regierung diskutieren werden.
Für Thatcher wurde mehrfach ein Staatsbegräbnis gefordert, nicht zuletzt von führenden Politikern der in den späten 1980er Jahren auf den neoliberalen Kurs gebrachten Labour Partei.
Ein solches wird sie nicht bekommen. Aber eine Beerdigung mit militärischen Ehren am Mittwoch oder Donnerstag in der kommenden Woche. Ihr Sarg soll auf einem Kanonenwagen durch London gefahren werden. Die Öffentlichkeit ist zur Teilnahme aufgefordert. Die Opfer der Kahlschlagpolitik von damals und heute werden diese Aufforderung zu nutzen wissen.