Do 17.05.2012
Während tausende von Einsatzkräften die Frankfurter Innenstadt zum Sperrgebiet machten und Zugänge blockierten, verteidigen AktivistInnen ihr Recht auf Versammlungsfreiheit
Alle Aktionen an diesem Mittwoch wurden mit der Begründung eines zu hohen Risikos für die Einsatzkräfte verboten. Das Camp von Occupy Frankfurt wurde morgens nach einer Sitzblockade geräumt. Die gesamte Innenstadt ist eine gesperrte Sicherheitszone und Anreisende werden durch Kontrollen und Aufenthaltsverboten, die sogar für SanitäterInnen gelten, schikaniert. Ein vormals erlaubter „Rave against the Troika“ wurde mit massiven Polizeieinsatz verhindert. Unsicherheit darüber, zu welchen Aktionen aufgerufen wird und wie die nächsten Tage aussehen.
Der erste Tag der Proteste im Rahmen der internationalen Aktionen war nichts für LangschläferInnen: Wie angekündigt, gab es eine Sitzblockade zur Verteidigung des Occupy-Frankfurt-Camps, die ab 7 Uhr begann. Doch die Ankunft dorthin erwies sich als umständlicher, als erwartet. Nicht nur die Stationen Taunusanlage und Willy-Brandt-Platz wurden nicht befahren, am Morgen wurden Linien der Straßenbahn bereits umgeleitet, bevor sie im Laufe des Tages keine Station in der Innenstadt mehr anfuhren. Bereits von weitem war das Großaufgebot der Polizei erkennbar.
250 BlockiererInnen befanden sich im Camp, als zwei Stunden später die Räumungen begannen. Kreative Blockademethoden wie mit Farbe gefüllte, aufblasbare Bassins, in denen später Menschen saßen, wurden aufgestellt. Der eine oder die andere BeamtIn und AktivistIn bekam auch einen Spritzer Bunt ab. Ein Aktiver verschanzte sich zur allgemeinen Begeisterung mit seinem Zelt auf dem Eurozeichen vor der Europäischen Zentralbank und verließ als letzter das Camp. Es wurde von mehreren Festsetzungen durch die Polizei berichtet.
Der Nachmittag
Gegen Mittag trafen die meisten BlockiererInnen zum größten Teil farblich gekennzeichnet und nach einer spontanen Demonstration bei der Volksküche an, die am DGB-Haus aufgebaut ist. Trotzdem der Ort nicht offiziell als Anlaufpunkt angegeben wurde, kommen die meisten Reisenden zuerst dorthin, um ein Bild von der Lage zu bekommen. Durch VoKü und vor allem der Anwesenheit der Orga-Büros von Blockupy ist dies keine schlechte Idee. Angesichts der Tatsache, dass alle Infopunkte in der Stadt verboten wurden und den AktivistInnen schon am Bahnhof mit Sperren und Drangsalierungen durch die Polizei begegnet wird, ist ein Treffpunkt nahe des Hauptbahnhofes eine gute Möglichkeit. Die angekündigten mobilen Infopunkte mit Material wurden leider am heutigen Tag nicht sichtbar umgesetzt.
Doch auch der Informationsfluss am Ort ist dürftig. Meist wird auf das Infotelefon verwiesen, Ankommende werden wenig in Empfang genommen und über die Situation in der Stadt aufgeklärt. Infozettel, die zahlreich vor Ort sein sollten, waren schnell vergriffen.
Eine Kundgebung, die für 14 Uhr vor der EZB angesetzt war, konnte durch das Verbot und weiträumige Absperrungen nicht durchgeführt werden. Wieder mangelte es für die trotzdem Anwesenden an einer Perspektive, was stattdessen zu tun wäre.
Um 15 Uhr fand im „Haus der Volksarbeit“ eine Pressekonferenz der OrganisatorInnen von Blockupy und anderen Organisationen, wie der Grünen Jugend und den JuSos statt. Dort wurde noch einmal bestätigt, dass alle Aktionen verboten blieben. Die Demonstration am Samstag wurde jedoch von der Auflage befreit, 100 OrdnerInnen dem Ordnungsamt im Vorfeld schriftlich und namentlich mitzuteilen. Dies wäre ein großes Hindernis für die Durchführung der Demo gewesen, das bis zu einem Verbot hätte führen können, wenn die Polizei aus formalen Gründen entschieden hätte, dass die Auflagen nicht erfüllt würden. Sogar eine Kranzniederlegung zum internationalen Tag gegen Homophobie am 17. Mai durch die JuSos wurde verboten. Nachdem deren örtlicher Vorsitzender noch einmal eindeutig versichert hat, dass sie nichts mit dem Bündnis Blockupy zu tun hätten, wies auch er dieses Verbot zurück. Genehmigt würde die Mahnwache mit der Auflage, maximal 30 TeilnehmerInnen vorher namentlich anzumelden. All dies bedeutet eine skandalöse Einschränkung des Versammlungsrechts.
Die Vertreterin der Grünen Jugend sagte, dass trotz des Verbotes zum Rave am Abend viele TeilnehmerInnen erwartet. Sie und Christoph Kleine von der „interventionistischen Linken“ würden nicht dazu aufrufen, da das illegal sei, aber Kleine selbst würde ebenfalls dorthin gehen.
Er betonte, dass bei der Diskussion um die Verbotsverfahren in den Hintergrund gerückt sei, was wirklich der Anlass der Proteste sei. Die Herrschaft der Troika aus EZB, EU und IWF treibe die Menschen vor allem in Griechenland in die Armut im Interesse der deutschen Banken und der EU. Protest gegen diese Krisenpolitik und Solidarität mit den GriechInnen, SpanierInnen und allen anderen seien der wirkliche Grund für die Aktionstage. Auf die Frage, ob die Teilnehmerzahl nach den Verboten nun zurückgehen werde, antwortete er, dass es möglicherweise Menschen gibt, die sich jetzt abgeschreckt fühlen. Allerdings nicht aus dem Grund, dass sie gewaltbereite DemonstrantInnen fürchteten, sondern dass die Repressionen und drakonischen Auflagen der Polizei Demonstrationen, zu denen einE JedeR kommen und gehen kann, wie es ihm oder ihr beliebt nun nicht mehr möglich sind. Die Einschüchterungsveruche der Polizei seien also ursächlich dafür.
Um 16 Uhr war eine Asamblea vor dem DGB-Jugendclub angesetzt, die allerdings nach wenigen Redebeiträgen und der Durchsage, dass der Rave stattfinden würde und anderen organisatorischen Hinweisen, endete. Im Anschluss wurde ein Aktionstraining auf der naheliegenden Wiese veranstaltet.
Der Rave – Polizei blockiert Einkaufsstraße
Um 19 Uhr fanden sich dann mehrere hundert AktivistInnen auf der Einkaufsstraße Zeil in der Stadt ein, um trotz Verbot den „Rave against the Troika“ durch die Innenstadt durchzuführen, zu tanzen und zu feiern. Die LINKE-Bundestagsabgeordnete Sabine Leidig meldete bei der Polizei eine spontane Kundgebung an, die postwendend verboten wurde. Hunderte von Einsatzkräften am Ort und in den Nebenstraßen sorgten für die Durchsetzung des Verbots. Einige Hundert wurden eingekesselt, weitere Hundert standen vor der Polizeikette, bis diese auch drohte, in einem zweiten Kessel gefangen zu werden. Die gezielte Provokation der Polizei ging nicht auf, viele blieben friedlich. Zum Schluss blockierte die Polizei die Einkaufsstraße, indem sie die 800-1.000 Anwesenden dort über anderthalb Stunden festhielt. In einer spontanen Aktion fand sich ein Teil der TeilnehmerInnen auf dem Unicampus in Bockenheim ein, um dort den Rave fortzusetzen.
Trotzdem die Aktion nicht wie geplant über die Bühne gehen konnte, war die Stimmung sehr gut, TrommlerInnen sorgten für die rhythmische Untermalung des Ganzen. Im Gegensatz zur völlig gescheiterten Kundgebung am Nachmittag wurde hier gezeigt, dass man sich von Verboten nicht einschüchtern lässt und von seinem Recht auf Demonstration Gebrauch macht. Für die bereits in der Stadt Anwesenden war es ein positiver Aspekt, endlich etwas „Masse“ zu fühlen und nicht vereinzelt unterwegs zu sein.
Fazit und die nächsten Tage
Um sich der Situation noch einmal vor Augen zu führen: die frankfurter Innenstadt ist blockiert, die Polizei führt Leibesvisitationen und Kontrollen der Anreisenden durch, erteilt Platzverweise. Gleichzeitig stockt der Informationsfluss, die Infopoints sind verboten und viele Ankommende, darunter AktivistInnen aus Spanien, Italien und anderen Ländern, laufen zum Teil ziellos von Punkt zu Punkt, da es keine zentrale Anlaufstelle gibt. Dies muss in den nächsten Tagen dringend verbessert werden. Bereits in der heutigen Nacht kamen viele Busse an.
Die OrganisatorInnen schafften es nicht, eindeutige Ansagen und Planungen für Aktionen herauszugeben, die als Orientierung für die AktivistInnen dienen könnten. Das hat zweierlei Effekt: die, die sich in der Stadt befinden, um massenhaften Proteste nachzugehen werden durch die Polizeirepressionen demotiviert und die Initiative wird auf der einen Seite immer schwieriger, während sie auf der anderen Seite möglicherweise auf aktionsorientierte und kleinere Gruppen übergeht, mit der die massiv vorhandenen Einsatzkräfte dann leichtes Spiel haben. Wir können uns nur gemeinsam und massenhaft schützen.
Die Blockupy-OrganisatorInnen gaben heute morgen um 8 Uhr ein aktualisiertes Programm heraus, das unter http://blockupy-frankfurt.org/actiondays/programm zu finden ist. Eine Schwerpunktsetzung wird durch die Aktiven vor Ort selbst erfolgen, wenn dazu nichts gesagt wird, denn neben zentralen Aktionen werden in der Stadt Diskussionsveranstaltungen durchgeführt. Der wichtigste Termin wird heute um 12 Uhr die Verteidigung der verbotenen Demonstration für Versammlungsfreiheit des „Komitees für Grundrechte und Demokratie“ auf dem Paulsplatz sein. Dazu ist der Treffpunkt Hauptbahnhof um 12 Uhr ausgegeben, um gemeinsam dorthin zu gelangen.