Do 14.07.2011
Vor knapp einem Jahr wagten sie es – die erste rot-grüne Landesregierung Österreichs wurde aus der Taufe gehoben. Das von der FPÖ beschworene Chaos ist ausgeblieben. Die Veränderungen auch. Die Grünen in Wien haben seit jeher den Ruf, die linkesten in der Gesamtpartei zu sein. Manche mögen in ihren Bücherregalen noch marxistische Klassiker stehen haben, andere waren dabei, damals in Hainburg und Zwentendorf. Doch der Pragmatismus hat rasend schnell von ihnen Besitz ergriffen. Eine Verbesserung (erhöhte Mindestsicherung für Kinder) kann über die vielen Verschlechterungen nicht hinwegtäuschen: Kürzungen im Gesundheitswesen, Arbeitsdruck und prekäre Jobs bei der Gemeinde Wien, Abriss des günstigsten Studierendenheims in Wien, Bau neuer Tiefgaragen und Umsetzung der rassistischen Abschiebepolitik auch in Wien. Rot-Grün in Wien ist nicht „anders“, sonst ganz gewöhnliche, pragmatische Politik.
Das es bei der SPÖ dagegen keinen Widerstand gibt, ist klar. Doch auch beim letzten Landesparteitag der Grünen gab es kaum Protest über die Politik in der Landesregierung. Wer es bisher noch bezweifelt hat: die Grünen sind endgültig im Establishment angekommen. Und doch: Jüngst hat eine grüne Bezirksrätin mir erzählt, wie sauer sie über die bürgerliche Politik „ihrer“ Partei ist. Dass sie sich vielleicht bald „was neues“ suchen wird. Ihr Frust ist mit Sicherheit kein Einzelfall, sondern typisch für eine Schicht von Linken, die hofften, dass die Grünen für sie eine Heimat wären.
Bei mir werden Erinnerungen an Linke in der SPÖ wach. Auch sie sind unzufrieden, sehen keine Chance mehr, das Ruder noch nach links zu reißen. Und doch bleiben sie in scheinbar blindem Kadavergehorsam „ihrer“ Partei treu. Wird das auch bei den Grünen so sein? Werden sich auch hier die vielen Frustrierten mit dem kleineren Übel zufrieden geben? Und hoffen, dass es doch noch mal besser wird? Werden sie sich auf ihre regionalen Projekte zurückziehen, bei denen es noch Narrenfreiheit gibt? Frustrierte Grüne werden sicher nicht die Kraft sein, aus der eine neue starke linke Partei, eine neue ArbeiterInnenpartei entstehen wird. Aber sie können ihren Beitrag dazu leisten.