Di 19.05.2009
Weltweit sind die Menschen von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit bedroht. Ein erbitterter Kampf gegen Werkschließungen hat europaweit begonnen. Dabei werden “neue alte” Kampfformen wieder entdeckt.
In Frankreich werden Manager von Konzernen, die Fabriken zusperren, in ihrem Büro festgehalten. Das Phänomen “Bossnaping” gab es in Frankreich schon in den 70ern und wurde im Zuge der Weltwirtschafskrise bei Sony und bei Conti Frankreich neu entdeckt. Und inzwischen bei zahlreichen größeren und kleineren Firmen praktiziert. Eigene Unternehmensberater haben sich schon auf dieses Phänomen eingestellt. In Kursen wird “Schokolade und Zahnbürste mitnehmen” empfohlen, Managern wird auch geraten nicht an die Medien zu gehen, da dies die Macht der ArbeiterInnen nur verstärke. “Bossnaping” polarisiert, weil Belegschaften die Rechtsgüter “Arbeitsplatz und soziale Sicherheit” als wichtiger ansehen als die persönliche Freiheit der Manager. Dazu kommt: Belegschaften verlassen sich nicht auf Gerichte und Sozialpartnergremien sondern verschaffen sich selbst Recht. Das stört bürgerliche PolitikerInnen wie Frankreichs Präsident Sarkozy. Während des Kampfes der Belegschaft des Baumaschinen Konzerns Caterbiler drohte er, mit allen Mitteln “den Rechtsstaat” wiederherzustellen. Die Belegschaft sagte daraufhin Verhandlungstermine im Präsidentenpalast ab und “lud” Sarkozy zu Verhandlungen ins Werk ein. Zur Annahme dieses Angebots fehlte Sarkozy dann doch der Mut.
Auch Betriebsbesetzungen stehen europaweit wieder auf der Tagesordnung. Ein Beispiel dafür ist die englische Firma “Visteon”. Sie gehörte früher zum Fordkonzern und produziert auch heute ausschließlich Autoersatzteile für Ford. Neal Cafferky, Sekretär der Sozialist Party – SP in England, und Rob Williams, SP-Mitglied und Betriebsratsvorsitzender im Ey-Visteon Werk “Linemar” in Swansee, waren live dabei, als die Werke besetzt wurden. Als Visteon zusperren wollte, gingen alle vier Standorte (Belfast, Endfield in Nordlondon, Baselton und Swansea) in den Arbeitskampf. In Belfast begann die Belegschaft nach der Rücksprache mit den Kollegen von Swansee das Werk zu besetzen.
Wie wichtig Spontanität und das entschlossene Eingreifen von MarxistInnen ist, zeigte sich in Enfield (Nordondon). Neal Cafferky erzählt: “Als am 1.4. die Besetzung in Belfast begann fuhren zwei Genossen und ich nach Enfield. Als wir ankamen waren die Tore geschlossen und der Parkplatz war leer. Wir hörten, das Werk sei endgültig dicht. Wir entdeckten ein Pub und schauten, ob da wer ist. Wir fanden einige von den Arbeitern. Sie waren von der Frühschicht, Sie kamen hin, arbeiteten noch die Schicht und wurden dann gefeuert. Viele waren noch geschockt. Viele hatten große Zukunftsangst, da sie ja auch Kinder hatten, die nicht mehr zur Uni gehen konnten. Nach einigen Diskussionen wurden sie extrem wütend auf Ford und Visteon.”
Neal erzählte von der Besetzung in Belfast und bot die Unterstützung des Betriebsrats in Swansee und der Sozialist Party an. Es gab heftige Diskussionen, Emotionen, aber der Schock war noch zu groß. Die Sache schien gelaufen. Neal erzählt weiter: “Ich war frustriert und hakte die Sache ab. Als ich am nächsten Tag in der Früh fernsah kam ein Bericht von Visteon. Ich sah 20 der Arbeiter aus dem Pub. Sie standen am Fabriksdach. Sie hatten nach meinem Abzug weiter diskutiert und haben sich dann zur Aktion entschlossen.”
Ein intensiver Arbeitskampf begann. Das Firmenmanagement brachte einige Arbeiter vor Gericht und erwirkte einstweilige Verfügungen gegen einzelne Arbeiter die die Werke nicht mehr betreten dürfen. Gerichtliche Verfügungen, die wirkungslos blieben.
Am Montag dem 6.4 versprach das Management alle gerichtlichen Schritte einzustellen. Der Visteon Betriebsratsvorsitzende flog nach New York um direkt zu verhandeln. Die Besetzungen wurden bis Mittwoch weitergeführt, um die Verhandlungen abzuwarten. Am Donnerstag dem 9.4. wurde die Besetzung beendet. Verhandlungen über Sozialpläne und Weiterführung begannen. Noch einige Tage zuvor waren 2 Visteon Werke geräumt, die Arbeiter ohne jede Abfindung gekündigt und die Werke mit Securitys besetzt worden. Dass entschlossene Eingreifen der jungen Belegschaft mit erfahrenen MarxistInnen hatte in ein paar Tagen den Spieß komplett umgedreht.