Italien: Reclaim Rifondazione!

Tommy Lindqvist, CWI-Deutschland

Seit einigen Monaten hat Italien zum ersten Mal eine Regierung mit direkter Beteiligung der KommunistInnen. Fausto Bertinotti, der Führer der Rifondazione Communista (RC), Kommunistische Neugründung, ist sogar Parlamentssprecher geworden, der dritt höchste Posten in der parlamentarischen Hierarchie Italiens.

Die RC mit ihren fast 100.000 Mitgliedern erreichte im April 2,2 Millionen Stimmen bei der Wahl zur Abgeordnetenkammer. Zusammen mit der RC-Abspaltung von 1996, den Italienischen Kommunisten (PdCI), die auf 880.000 Stimmen kam, wurde das gleiche Ergebnis wie vor zehn Jahren erzielt. Bei der Senatswahl bekam die RC 2,5 Millionen Stimmen (7,4 Prozent). Hier trat die PdCI nicht eigenständig an.

Prodi-Regierung

Bei den Wahlen am 9. und 10. April war die Wahlbeteiligung auf 84 Prozent gestiegen, es gab weniger ungültige Stimmen als üblich. Die Wahlen waren stark polarisiert. Dem Mitte-Links-Bündnis gelang gegen Silvio Berlusconi nur eine hauchdünne Mehrheit. Eigentlich hätte man erwarten müssen, dass der reichste Mann des Landes aufgrund seiner zutiefst arbeiterfeindlichen Politik aus dem Amt gefegt wird. Da sich die meisten noch an die Prodi-Regierung vor zehn Jahren erinnern konnten, die den Banken und Konzernen Gewehr bei Fuß stand, gab es jedoch alles andere als einen Erdrutsch-Sieg.

Die neue Regierung ist ein Neun-Parteien-Bündnis, in dem verschiedene bürgerliche Parteien mitmischen. Es ist eine äußerst schwache Regierung. Im Senat hat sie nur eine Stimme Mehrheit. Bis Sommer stellte Prodi bereits sieben Mal die Vetrauensfrage. Unter Prodi wurden Afghanistan-Einsätze weiter finanziert und Truppen in den Libanon geschickt.

Bis Jahresende muss der Haushalt verabschiedet werden. Der im Oktober vorgelegte Entwurf sieht Kürzungen von mehr als 30 Milliarden Euro vor. Begründet wird das mit der Staatsverschuldung, die sich auf 108 Prozent des Sozialprodukts beläuft, einem Haushaltsdefizit von vier Prozent und den Einnahmeausfällen infolge des Exporteinbruchs. Geplant haben Prodi und Co. Kürzungen bei Rente, Gesundheit und im öffentlichen Dienst. Damit sind Massenproteste vorprogrammiert.

Vorgeschichte der RC

Nach dem Krieg war die Kommunistische Partei Italiens (KPI) die größte Arbeiterpartei im Land. Sie kam auf über 30 Prozent bei Wahlen. Mit etwa 1,6 bis 1,8 Millionen Mitgliedern war die KPI die größte kommunistische Partei Westeuropas.

Die KPI distanzierte sich von der Politik Moskaus anlässlich der Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes 1956 und war die führende Kraft unter den „Eurokommunisten“. Tatsächlich wandelte sie sich zu einer weitgehend sozialdemokratischen Partei. Deshalb war es nicht überraschend, als sie sich 1991, programmatisch und dem Namen nach vollends von ihren kommunistischen Traditionen verabschiedete und sich in Demokratische Partei der Linken umbenannte. Heute nennen sie sich Linksdemokraten (DS).

Ungefähr ein Drittel der KPI-Mitglieder machte dabei aber nicht mit und gründete die RC. Viele Mitglieder verstanden unter den kommunistischen Traditionen übrigens nicht die stalinistisch-bürokratischen Methoden, die in der alten KPI vorherrschten, sondern konsequenten Antifaschismus und Antikapitalismus. Die RC übte als bei weitem bedeutendste linke Kraft auch eine Anziehung auf sozialistische Gruppen aus, die sich vorher außerhalb der KPI befunden hatten und sich jetzt der RC anschlossen.

Tolerierung und Regierungsbeteiligung

Die erste Regierung des ultrarechten Milliardärs Berlusconi war in den Neunzigern nach nur wenigen Monaten durch eine Massenbewegung von unten gestürzt worden. Doch die nachfolgende Prodi-Regierung von 1996 bis 1998 unter Führung der Linksdemokraten betrieb Sozialabbau in großem Stil. Das erklärt, warum Berlusconi wieder an die Macht kommen und sich fünf Jahre halten konnte. Obwohl es massiven Widerstand gab, insbesondere fünf Generalstreiks.

Schuld daran trug auch die RC. Sie hatte die Regierung Prodi zunächst toleriert. Erst 1998 führte der innerparteiliche Druck dazu, dass die RC die Tolerierung der Regierung Prodi beendete. Das kam dann für viele ArbeiterInnen Knall auf Fall. Da der Schritt im Widerspruch zur vorherigen relativ unkritischen Unterstützung Prodis stand, und nicht vorbereitet wurde, blieb bei einigen in der Erinnerung hängen, dass Berlusconi dank des RC-Kurswechsels wieder an die Regierung kommen konnte.

Der Fehler bestand nicht im Bruch mit Prodi, sondern darin, das nicht mit einer Perspektive für Gegenwehr zu verbinden. Vor allem war es falsch, zwei Jahre einem Sozialabbau-Kabinett die Treue zu halten.

Die Lehren aus dieser Zeit sollten eigentlich klar sein. Doch jetzt beteiligt sich die RC sogar direkt an der neuen Regierung Prodi.

Die Vertreter der RC in der Regierung sollten jedoch nicht klammheimlich den Hinterausgang wählen. Sie sollten den Bruch mit Prodi nicht anhand einer eher untergeordneten Frage suchen. Das wäre für Teile der abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen, die erst einmal froh sind, Berlusconi los zu sein, nicht nachvollziehbar. Wenn Prodi die Unterstützung aufgekündigt wird, dann in einer Frage wie dem drohenden Kürzungshaushalt. Das müsste verknüpft werden mit einer Widerstandskampagne in Betrieben und auf der Straße. Die RC sollte an ArbeiterInnen und Jugendliche appellieren, eine starke politische Kraft aufzubauen, um nicht nur Regierungen, sondern auch die Politik ändern zu können.

Zukunft der RC

Die RC arbeitet mit antikapitalistischer Rhetorik, revolutionären Symbolen, hat verschiedene Organisationen (darunter welche mit revolutionären Zielen) und ist in Gewerkschaften und sozialen Bewegungen verankert.

Beim letzten Parteikongress bekam die rechte Fraktion um Fausto Bertinotti und Franco Giorando (dem neuen Parteivorsitzenden) für ihre Entscheidung zur Regierungsbeteiligung etwa 60 Prozent. Es gibt also eine starke innerparteiliche Opposition. Allerdings ist das linke Spektrum in der Partei nicht einheitlich und konnte sich nicht auf eine klare Alternative einigen.

Trotz der Opposition zu Bertinotti war auf dem letzten Parteitag eine Rechtsverschiebung festzustellen. Zum Beispiel fand die Forderung nach Wiedereinführung der Scala Mobile (automatische Anpassung der Löhne an die Inflation) keine Mehrheit.

Die Zukunft der RC ist ungewiss. Seit Jahren hat die Partei knapp 100.000 Mitglieder. Allerdings treten derzeit jährlich etwa ein Drittel neu ein, ein Drittel verlassen die Partei wieder. Gegenwärtig ist die RC der wichtigste Ansatzpunkt für den Aufbau einer sozialistischen Arbeiterpartei in Italien. Anhand der Fragen von Regierungsbeteiligung, Orientierung auf betriebliche und soziale Proteste, innerparteilicher Demokratie und sozialistischer Programmatik sollte für eine linke Opposition in der RC gekämpft werden. Sollte sich jedoch die Bertinotti-Linie festigen, könnte es auch zu linken Abspaltungen kommen. Parallel dazu muss man darauf eingestellt sein, dass ArbeiterInnen und Jugendliche auch außerhalb der RC aktiv werden.