Mi 15.12.2021
Am 1.12.2021 wurde der Bau- und Planungsstopp für den umstrittenen Lobautunnel bekannt gegeben. Ein erster Erfolg der jungen Klimabewegung! Doch der Kampf ums Klima geht weiter. Michael Ludwig kündigte an, die Stadtstraße dennoch umzusetzen und am 09.12.2021 ließ die Stadt Wien durch die Polizei die Versammlung in der Lobau auflösen und kündigte eine Räumung an. Nun droht die Stadt Wien, also die SPÖ, auch noch den Aktivist*innen der Lobau Besetzung mit einer Klage auf Schadensersatz - Begründung ist der “wirtschaftliche Schaden”. Das ist ein Angriff auf alle Protestbewegungen aber auch Arbeitskämpfe und ein gefährlicher Präzedenzfall der zurückgeschlagen werden muss. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Lobautunnel und Stadtstraßen Projekt findet ihr hier: https://www.slp.at/artikel/der-lobautunnel-10537
Angriff der SPÖ und Versagen der Grünen
In aller Deutlichkeit muss man sagen: Der Stopp des Lobautunnel Projekts ist kein Verdienst der Grünen. Es ist den zahlreichen Klimastreiks und Demonstrant*innen der Klimademos der letzten 2 Jahre (bis zu 120.000 Demonstrierende in Wien), den lokalen Initiativen und vor allem auch den Aktivist*innen, die die Baustellen in der Lobau seit 3 Monaten besetzen zu verdanken. Sie haben über das Thema „Lobautunnel“ einen öffentlichen Druck von unten aufgebaut. Den Grünen war das Regieren immer wichtiger als die Rettung des Klimas, sie waren dementsprechend Teil einer Wiener Stadtregierung die das Projekt vorangetrieben hat oder haben mit der ÖVP eine Steuerreform beschlossen, die weder ökologisch noch sozial ist. Der Grund für das entschlossene Handeln war einerseits die Protestbewegung, die die Grünen vor die Wahl gestellt hat entweder das Projekt zu kippen oder ihr Gesicht bei ihrem “Kernthema” zu verlieren. Aber vor allem auch die Regierungskrise und die Schwäche der ÖVP, die es ihnen erlaubt als Ausgleich für das Aufrechterhalten einer Koalition mit der korrupten ÖVP dieses Projekt zu verhindern. Gewessler stoppte zwar den Lobautunnel, aber legte kein Gegenkonzept für die Verkehrsplanung vor. Dies zeigt die Symbolik im Vorgehen der Grünen und das Fehlen einer tatsächlichen Klimapolitik. Ein Streichen von Projekten ohne Alternative birgt auch die Gefahr, Teile der Bevölkerung gegen die Klimabewegung zu mobilisieren. In der Auseinandersetzung um die Stadtstraße kommt auch keine Unterstützung von Seiten den Grünen, nur Schweigen.
Direkt nach der Bekanntgabe erklärte bereits Bürgermeister Michael Ludwig, oder wie er nun genannt wird „Beton Michi“, dass die Stadt Wien gemeinsam mit dem Land Niederösterreich juristische Schritte plant und er sich auch ein Volksbegehren zu dem Thema „Lobautunnel und Stadtstraße“ vorstellen kann. Seine Reaktion ist wenig verwunderlich, angesichts der Tatsache, dass es das Prestigeprojekt des Wiener Bürgermeisters sein sollte. „Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen“, wetterte der Beton-Michi, es gehe ihm um die „Lebensqualität“ der Menschen. Was für eine lächerliche Ausrede.
Dabei ist es gerade die Politik der SPÖ in Wien, die es seit Jahrzehnten versäumt ein umfassendes, klimafreundliches Verkehrskonzept für eine Region in der Größenordnung von Linz aufzustellen (oder auch mehr leistbaren Wohnraum im innerstädtischen Raum zu schaffen). Es kommt noch schlimmer. Ohne auf die Forderungen der Aktivist*innen einzugehen, entzieht sich Beton Michi der Diskussion und er und seine SPÖ wollen das absurde Projekt der Stadtstraße dennoch durchziehen. Erste Schritte hat die Stadt Wien schon gesetzt und eine Räumung der Lobau angekündigt, und nun klagen sie auch die Aktivist*innen der Lobaubesetzung und mehrere weitere Personen. Sie wollen Aktivist*innen einschüchtern und drohen mit dem persönlichen Ruin, auch von 13- und 14 jährigen Schüler*innen. Ein Skandal und eine deutliche Positionierung der SPÖ. Anstatt ihr klimafeindliches Projekt umzusetzen und die Existenz von Aktivist*innen zu bedrohen sollte sich die SPÖ mal lieber für den Pflegebonus einsetzen. Wer auch noch in einem Jahr der extremen Wetterereignisse als Folge des Klimawandels glaubt, dass der Ausbau von Straßen zu mehr Lebensqualität führt, hat nicht verstanden wofür die Aktivist*innen auf die Straße gegangen sind.
Der Angriff auf die Lobauaktivist*innen ist ein Angriff auf entschlossenen Protest
Die Schadensersatzklagen der SPÖ gegen die Aktivist*innen sind ein Skandal! Beton Michi antwortet mit Repression, um seine rückschrittliche Politik umzusetzen. Die Klage argumentiert mit dem wirtschaftlichen Schaden der von der Besetzung ausgeht - damit schlägt die Klage in dieselbe Kerbe wie Rechte seit Jahren, wenn sie fordern, dass Demoanmelder*innen für mögliche Schäden haften oder Arbeiter*innen für mögliche Schäden während Streiks (die Industriellenvereinigung drohte z.B. mit einer Klage anlässlich großer Streiks gegen die Schwarz-Blaue-Regierung 2003). Deshalb muss dieser Angriff von der Arbeiter*innenbewegung zurückgeschlagen werden, eine besondere Verantwortung hätte hier die Gewerkschaftsbewegung. Wir können davon ausgehen, dass für die Gewerkschaftsspitze ihre Loyalität zur SPÖ schwerer wirkt als die Bedrohung durch diesen Angriff. Dementsprechend sollten Gewerkschaftsmitglieder damit beginnen von unten Druck aufzubauen, damit sich die Gewerkschaftsbewegung insgesamt gegen diesen Angriff positioniert und sich der Forderung die Klagen unverzüglich fallen zu lassen, sowie ein AUS für die Stadtstraße anschließt.
Der Kampf um die Lobau ist noch nicht vorbei
Es ist großartig, dass sich die Aktivis*innen nicht einschüchtern lassen und die Besetzung aufrecht erhalten. Hier braucht es Solidarität und auch Unterstützung vor Ort. (Was hier gebraucht wird geben die Aktivist*innen selbst über ihre Social Media-Kanäle bekannt bspw. von Jugendr.at, systemchangenotclimatechange, campenfuerdilobau, lobaubesetzen, fridaysforfuturevienna)
Es ist ein wichtiger Aspekt des Widerstands und ein mutiger, das steht außer Frage. Aber wir müssen diesen Widerstand ausweiten. Der Kampf für das Klima spitzt sich gerade anhand der Frage des Lobau-Tunnels und Stadtstraße zu, aber es stehen viel größere Fragen dahinter. Der Kampf für Klimagerechtigkeit ist nicht nur eine Frage von „Stadtstraße ja oder nein“ sondern geht viel weiter. Im Endeffekt basieren die Probleme die zum Bau des Lobautunnels und der Stadtstraße führen auf einer profitorientierten Stadtplanung. Wir stehen heute vor dem Ergebnis jahrelanger rückschrittlicher Politik, und in Wien wurde diese Politik von der SPÖ, den Grünen und nun auch den Neos umgesetzt.
Beispielsweise drängen teure Wohnungen im Zentrum Wiens Mieter*innen an den Stadtrand, wo sie meist auf das Auto angewiesen sind, da es nur unzureichende öffentliche Anbindungen gibt. Menschen müssen nach Wien zum arbeiten pendeln weil es zu wenig Arbeitsplätze vor Ort gibt usw. Deshalb muss der Kampf gegen den Lobautunnel mit dem Kampf für eine grundsätzlich andere Stadtpolitik verbunden werden. Wir brauchen den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln, gratis Öffi-Tickets, schnelle Anbindung, aber auch leistbaren Wohnraum in der Stadt und öffentliche Jobs in der Nähe des Wohnortes. Eben eine umfassende Verkehrswende, die auch Stadtplanung umfasst und nicht Straßen und Wohnraum extra verhandelt. Ein stärkeres Aufgreifen dieser Forderungen kann auch dazu führen den Kampf zu verbreitern und zeigen: Im Endeffekt geht es darum wem die Stadt gehört. Auf Demonstrationen könnten Mietaktivist*innen oder Pfleger*innen erklären warum die Milliarden für den Lobautunnel besser in Öffis, Wohnen, Gesundheit und Soziales investiert werden sollten. Die etablierten Parteien in diesem System haben uns bereits am laufenden Band bewiesen: Sie haben keine Antworten auf die Klimakrise, die Stadtstraße ist nur das jüngste Beispiel davon. Sie bleiben alle verhaftet in den Grenzen des Systems, und haben damit nur Profit vor Augen. Denn darum geht es auch wieder in diesem Projekt der Stadtstraße. Es ist klar, dass es keine angebliche Entlastung des Wiener Verkehrs bringt.
Den Kampf ausweiten – das System abschaffen
Wie stark die SPÖ mit dem System verknüpft ist zeigt sich in ihrem Vorgehen: Im eigenen Interesse eine Anwaltskanzlei eines Ex-Nationalrats für Klageschriften gegen Aktivist*innen mit Steuergeld zu bezahlen, damit die Strabag, deren Aufsichtsratsvorsitzender Ex-SPÖ Kanzler war, eine Straße aus Steuergeldern bauen kann, die absolut kein Verkehrskonzept für die Stadt Wien ist. Mit dieser SPÖ ist kein Verhandeln möglich, sie sind unsere politischen Gegner im Kampf für Klimagerechtigkeit.
Die Repression, mit der die Stadt Wien antwortet, zeigt wie weit sie gehen, um das System zu verteidigen. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Die bittere Wahrheit ist: Kein verhinderter Lobautunnel, nicht einmal ein verhinderte Stadtstraße, kein Klimaticket und kein Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel wird alleine unser Klima retten. Der Kampf für Klimagerechtigkeit ist kein isolierter sondern geht Hand in Hand mit dem Kampf um Wohnraum, Verkehr, die Umstellung klimafeindlicher Industrien hin zu grünen Jobs und der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen. Der Kampf um unser Klima und unsere Lebensqualität muss genau diese Kämpfe zusammenführen. Ein essentieller Punkt hierbei ist es die Arbeiter*innenklasse in die junge Klimabewegung zu holen - damit meinen wir alle die lohnabhängig arbeiten, also Pfleger*innen, Stahlarbeiter*innen, Bauarbeiter*innen,etc. Die Arbeiter*innenklasse hält die Gesellschaft am laufen und ist ihre Basis, mit ihr ist es möglich die Regierung unmittelbar zu Zugeständnissen zu zwingen. Beispielsweise kostete ein 40-tägiger Streik bei General Motors, den Konzern 2 Milliarden Dollar. Es zeigt wo die eigentliche Kraft liegt, bei den Arbeiter*innen. Aber wir brauchen die gesamte Arbeiter*innenklasse auch, um eine neue klimafreundliche Wirtschaft und Gesellschaft aufzubauen. Natürlich ist es nicht immer leicht eine Strategie zu finden wie wir die Klimabewegung und die Arbeiter*innenbewegung verbinden können. Aber es gibt Beispiele wie die Kampagne für die Erhaltung eines Bosch Werks in München. Der Standort, der vor allem Teile für Dieselmotoren produziert sollte geschlossen werden. Klimaaktivist*innen solidarisierten sich mit den Arbeiter*innen und forderten einen Erhalt der Arbeitsplätze und eine Produktionsumstellung. So kann ein gemeinsamer Kampf für Jobs und Klima aussehen.
Der Kontakt zwischen Lobaubesetzer*innen und prekären Bauarbeiter*innen ist eine weitere gute Initiative in diese richtige Richtung. Auch das Beispiel MAN in Steyr zeigte zumindest, dass es ein Konzept braucht, um sowohl für den Erhalt von Arbeitsplätzen zu kämpfen als auch für eine Umstellung der Produktion hin zu grünen Jobs. Die Möglichkeiten hier sind vielfältig. Die Corona Pandemie zeigte uns auch wie schnell Produktion umgestellt werden kann, so stellten bspw. GM und VW ihre Produktion praktisch über Nacht um und produzierten Mundstücke für Beatmungsgeräte. Das zeigt uns vor allem, dass die Möglichkeiten da sind, aber dass die Profitinteresse der Konzerne im Kapitalismus im Weg stehen, um eine nachhaltige Wirtschaft aufzubauen. Deswegen braucht die Klimabewegung die Arbeiter*innenklasse.
Konkret kann das heißen gleichzeitig für bessere Arbeitsbedingungen bspw. der Bauarbeiter*innen an den Baustellen in der Lobau zu fordern und gleichzeitig ein Stopp des Straßenbauprojekts für den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel in dem Bereich. Die wahren Profiteure des Projekts, die Betonlobby, muss enteignet und unter die demokratische Kontrolle von Arbeiter*innen- und Klimabewegung gestellt werden. Mit unserer Zukunft darf kein Profit gemacht werden, und um das sicherzustellen müssen wir selbst Wirtschaft und Politik kontrollieren.
Deshalb müssen wir schon in jeder Auseinandersetzung diesen Zusammenschluss zwischen Arbeiter*innen- und Klimabewegung aufbauen. Nur auf dieser Basis können wir eine Bewegung aufbauen die nicht nur Zugeständnisse von den Herrschenden erkämpft sondern dieses System stürzt und mit einer demokratisch geplanten Wirtschaft ersetzt. Die dazu in der Lage ist die schlimmsten Auswirkungen der Klimakatastrophe zu stoppen und die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt ins Zentrum stellt.
Wir fordern:
- Sofortige Zurücknahme aller Klagsandrohung an Aktivist*innen
- Kein Bau der Stadtstraße: Stattdessen Ausbau von günstigem Wohnraum und öffentlichem Verkehr
- Gewerkschaftskampagne gegen die Klagen und für das Klima und die Schaffung von grünen Jobs
- Enteignung und Vergesellschaftung der Beton-Lobby. Stellen wir die Unternehmen unter unsere Kontrolle um klimafreundliche Projekte umzusetzen.