Fr 22.07.2011
Am Mitwoch den 20. Juli stellte sich uns Mag. Ronald Schlesinger aus dem Büro des Stadtrats für Wohnen Dr. Ludwig im Rahmen unserer SLP-Sommerdebatten zur Diskussion. Dieser Bericht versucht die Hauptdiskussionspunkte zusammenzufassen.
In den 20er Jahren war es der Sozialdemokratie im Roten Wien, vor dem Hintergrund revolutionärer Bewegungen, möglich, durch eine Wohnbausteuer und anderen fortschrittliche Besteuerungen die akute Wohnungsnot der arbeitenden Bevölkerung zu lindern. Nach dem Prinzip "Licht, Luft und Sonne" wurden von 1925 bis 1934 über 60.000 Wohnungen in Gemeindebauten errichtet.
Das steht im krassen Gegensatz zur heutigen Politik der SPÖ, die als Wiener Landesregierung seit 2004 keinen einzigen Gemeindebau mehr gebaut hat. Stattdessen sollen die Wohnbedürfnisse mittels geförderter Genossenschaftswohnungen gedeckt werden, da dies angeblich kosteneffizienter sei und mit den verfügbaren Mitteln weniger Neubauten möglich seien. Schlesinger argumentierte, dass die Landesregierung mit dem Geld lieber Genossenschaftswohnungen baut, weil so "dreimal mehr Wohnungen gebaut werden können". So wird der kapitalistischen Sachzwanglogik widerstandslos nachgegeben, während dringend eine Politik nach menschlichen Bedürfnisse notwendig wäre.
Denn Menschen in prekären finanziellen Situationen werden von den Genossenschaftswohnungen ausgeschlossen: Trotz Förderung wird keine Wohnung ohne ein Startkapital im vier- bis fünf-stelligen Eurobereich vergeben.
Genossenschaftswohnungen sind sicher keine Maßnahme gegen die Wohnungsnot, die es privaten VermieterInnen erlaubt horrende Mieten zu verlangen und die Mietverträge nach eigenem Geschmack zu gestalten.
Besonders unverständlich sind auch die Vergabekritierien der Gemeindebauten: Menschen, die etwa aus Kriegsgebieten, wegen Verfolgung oder Hunger nach Österreich flüchten, sind schon wegen ihres Aufenthaltsstatus prinzipiell davon ausgeschlossen. Für MigrantInnen ist die Wohnungssuche im privaten Sektor allgemein erschwert, doch auch sie werden nur auf die 21.000 Anträge lange Liste der GemeindewohnungsbewerberInnen aufgenommen, wenn sie bereits zwei Jahre durchgehend in einer Wohnung in Wien gelebt haben. Die Wartezeit auf eine Gemeindewohnung beträgt derzeit ca. 2-4 Jahre. Dies entspricht nicht der Lebensrealität vieler Menschen, nachdem immer mehr „Flexibilität“ auf dem Arbeitsmarkt erwartet wird.
Mag. Ronald Schlesinger argumentiert weiters, dass die Situation in Wien im internationalen Vergleich immer noch gut sei. Was aber nützt das einem Menschen, der keine vernünftige und bezahlbare Wohnung finden kann? Soll dieser Mensch auf der Straße leben und dabei Trost finden, dass die Wohnungssuche hier noch einfacher ist als andernorts? Eine solche abgehobene, von realen Lebenswelten entfernte Haltung ist nur ein weiteres Indiz der Verbürgerlichung der SPÖ.
Ihre unsoziale Politik zeigt sich auch an konkreten Beispielen:
- Lobmeyr-Hof: Dieser Gemeindebau wurde dem Verfall preisgegeben, um ihn nun mit Entkernung generalzusanieren und teureren Wohnraum zu schaffen. Eine Zwischennutzung bis zum Baubeginn 2013 duldet die rot-grüne Stadtregierung nicht und lässt HausbesetzerInnen, die hier kulturelle Einrichtungen schaffen wollten, gewaltsam räumen. Eine Erklärung hierfür blieb uns Mag. Schlesinger schuldig.
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Haus Döbling: Hier soll ein traditionsreiches Studierendenheim mit sozialem Anspruch abgerissen werden, um Genossenschaftswohnungen zu errichten - was weit profitabler ist.
Überhaupt scheinen die Stadt Wien und die SPÖ das Problem der drängenden Wohnungsnot in Wien nicht sehen zu wollen. Ihre Selbstbeweihräucherung steht in heftigem Kontrast zu überteuerten Mieten, profitfreundlichen und mieterInnenfeindlich Gesetzen und sich ausbreitender Obdachlosigkeit.
Unsere Forderungen:
- massive Investitionen in den öffentlichen Wohnbau als Sofortmaßnahme gegen die Wohnungsnot in Wien
- Verteilung der ca. 80.000 leer stehenden Wohnungen in Wien; Enteignung der Wohnungen die nur zu Spekulationszwecken leer stehen.
- Klare gesetzliche Regelungen gegen Mietwucher und für MieterInnenschutz
- 10% des Einkommens muss für Wohnen und Betriebskosten reichen
- Vergabe der Gemeindebauwohnung rein nach sozialen Kriterien, unabhängig von Herkunft oder Staatsbürgerschaft
- Freiräume in der Stadt für kulturelle Projekte
- demokratische Verwaltung der Gemeindebauten durch Stadt Wien, BewohnerInnen und Gewerkschaften