Verlangsamung des Golfstrom – ein Kipppunkt im Klimakollaps

Von Sam Belton (Socialist Party, ISA in Irland)

Der Klimawandel gleicht immer weniger einem graduellen, linearen Prozess. Vielmehr nimmt die Steigerungsrate von extremen Wetterereignissen zunehmend exponentiell zu. Das lässt sich durch Klima-Rückkopplungsschleifen erklären. So führen z.B. steigende Temperaturen, die aus den CO2-Emissionen der industriellen Prozesse resultieren, zu trockenerem Klima. Dadurch steigt die Häufigkeit von Waldbränden, durch die wiederum noch mehr CO2 freigesetzt wird. Ein vergleichbarer Effekt ist es, wenn steigenden Temperaturen dazu führen, dass in der Arktis eingeschlossenes Methangas freigesetzt wird, weil der Permafrostboden auftaut.

 

 

Eine alarmierende Folge der rasanten Erderwärmung beschrieb eine kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Nature Geosciences veröffentlichte Studie. Die Autor*innen berichteten, dass sich die Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation – auch bekannt als Golfstrom –  seit Beginn der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert stetig verlangsamt hat. Besorgniserregend ist jedoch, dass die derzeit rapide steigenden Temperaturen uns noch in diesem Jahrhundert an einen Kipppunkt bringen könnten, durch den das System irreversibel zusammenbrechen könnte.

 

Große klimatische Auswirkungen

 

Der Golfstrom führt warmes Wasser aus dem Golf von Mexiko entlang der Ostküste der Vereinigten Staaten hinauf und hinüber in den Nordatlantik, wo es abkühlt und entlang der Westküste Europas wieder nach Süden zurückkehrt. Somit spielt der Strom eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des Klimas, sowohl im Osten der Vereinigten Staaten als auch in Westeuropa.

 

Die Autor*innen erklären, dass wärmere Temperaturen den Golfstrom wahrscheinlich verlangsamen, weil das Süßwasser von den schmelzenden Eisschilden im Norden den Salzgehalt des Ozeans (die Menge der gelösten Salze im Wasser) verringert. Dies ist ein massives Problem, da die Strömung des Golfstroms durch „Tiefenkonvektion“ angetrieben wird, bei der warmes Wasser im Norden abkühlt, dadurch dichter wird und in südliche Richtung sinkt. Wenn der Salzgehalt im Norden jedoch abnimmt, wird das Wasser weniger dicht, wodurch die Konvektion und der Golfstrom selbst verlangsamt werden. Die Folgen werden mit ziemlicher Sicherheit vermehrte Überschwemmungen an der Ostküste Amerikas sowie deutlich kältere Winter und wärmere Sommer in Westeuropa sein.

 

Klimawandel und Covid 

Wie die Verlangsamung des Golfstroms war auch die Covid-19-Pandemie kein unvorhersehbarer Akt Gottes. Vielmehr sind beide unausweichliche Ergebnisse eines globalen Wirtschaftssystems, das mit dem Klima des Planeten und seinen fein abgestimmten Ökosystemen nicht schlechter vereinbarer sein könnte. Es ist die innere Logik des Kapitalismus, eines anarchischen, vom Streben nach kurzfristigem Profit getriebenen Systems, das es für Unternehmen als zu kostspielig ansieht, die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Umwelt zu minimieren.

 

Infolgedessen werden diese Auswirkungen externalisiert, um von der breiteren Gesellschaft bewältigt zu werden, wobei die Ärmsten der Welt am stärksten betroffen sind. Schließlich kann ein*e Superreiche*r einfach aus einer überschwemmungsgefährdeten Region wegziehen oder eine private Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen, wenn die unterfinanzierten öffentlichen Krankenhäuser mit Opfern von Pandemien überfüllt sind, die durch die Umweltzerstörung ausgebrochen sind.

 

Die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen

Der Versuch, ein System, das im Kern auf der Ausbeutung unseres Planeten und seiner Bewohner*innen basiert, einfach „gerechter zu machen“, ist mehr als aussichtslos. Ein solcher reformistischer Ansatz geht davon aus, dass die Kapitalist*innen Maßnahmen tolerieren werden, die ihre Profite beeinträchtigen. Er geht davon aus, dass ein übermäßiges Maß an Macht zur Beeinflussung von Politiker*innen und Wahlen nicht in den Händen der Kapitalist*innen verbleiben wird. Er geht davon aus, dass kapitalistische Politiker*innen die Last der Klimaschutzmaßnahmen nicht auf den Rücken der kämpfenden Arbeiter*innenklasse abwälzen werden. Letztlich geht dieser Ansatz davon aus, dass eine Strategie der langwierigen und mühsamen schrittweisen Reformen ausreichen wird, um die dringenden Lösungen zu schaffen, die notwendig sind, um die Klimakatastrophe abzuwenden.

 

Im Juni letzten Jahres hat eine Studie, die in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, eindeutig gezeigt, dass es der Überfluss ist, der einer kapitalistischen Wirtschaft innewohnt, der der Haupttreiber des Klimawandels ist. Die Studie kam im Wesentlichen zu dem Schluss, dass nichts weniger als eine sozialistische Planwirtschaft in der Lage sein dürfte, die Produktion radikal so umzugestalten, dass sie in Einklang mit den ökologischen Grenzen der Natur gebracht wird - im Gegensatz zu einer reformierten freien Marktwirtschaft.

 

Mit anderen Worten: Nur ein entschiedener revolutionärer sozialistischer Wandel – der unweigerlich eine Massenpartei der Arbeiter*innenklasse erfordert, um den Kapitalismus und seine politischen Vertreter*innen zu besiegen – kann die Art von Wandel herbeiführen, die notwendig ist. 

 

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch: https://socialistparty.ie/2021/03/gulf-stream-slowing-down-a-tipping-poi...