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SozialistInnen von allen Kontinenten nahmen am 9.Weltkongress des Komitees für eine ArbeiterInnenInternationale (KAI/CWI) teil.
Laura Rafetseder

Das CWI hat weltweit Mitglieder in über 35 Ländern. Gegenüber dem 8. Weltkongress 2002 gibt es neue Sektionen/Gruppen in Pakistan, Venezuela sowie Polen, sowie Arbeit in Italien und Bolivien. Überall sind die GenossInnen des CWI in Klassenkämpfen und Jugendbewegungen aktiv, teilweise führen sie diese Bewegungen an - und das obwohl sie über relativ kleine Kräfte verfügen. Eine Reihe von Schwesterorganisationen muss unter besonders schwierigen Bedingungen arbeiten. In Russland oder Kasachstan, in bürgerkriegsähnlichen Situationen und Konflikten. Mit äußerst beschränkten finanziellen Mitteln und in Bereichen, in denen für Frauen politische Arbeit mit massiven Problemen verbunden ist. Siritunga Jayasuriya, Mitglied der USP, der srilankesische Sektion des CWIs, war am 9. Jänner nur knapp einem bewaffneten Angriff der Regierung entkommen (siehe auch Internationale Notizen S. 7). In Pakistan und Nigeria organisieren CWI-Mitglieder Kampagnen für Gewerkschafts- und ArbeiterInnenrechte. In vielen, wenn auch nicht in allen Ländern treten die zum CWI gehörenden Parteien bei Wahlen an. Wo sie das tun unterscheiden sie sich von allen anderen Parteien. Mittlerweile gibt es Gemeinderäte des CWI in England und Wales (6), Schweden (8), Deutschland (9), Australien (1), Irland (4), Pakistan (7) und Sri Lanka (1). Parlamentsabgeordneter Joe Higgins unterstützt durch seine Funktion Kämpfe wie den der türkischen GAMA-ArbeiterInnen in Irland. Wie Stadtrat Steve Jolly in Australien genießt auch er aufgrund der Tatsache, dass er nur einen durchschnittlichen FacharbeiterInnenlohn bezieht, große Unterstützung und Vertrauen. In England und Wales halten CWI-Mitglieder zahlreiche Positionen in Gewerkschaften. Im Bereich der Öffentlich Bediensteten konnte so durch Streiks und kämpferische Politik ein Rückzug der Regierung in der Frage der Pensionen erzwungen werden.

Weltwirtschaft auf “Hühnerbeinen”

Perspektiven sind für MarxistInnen die Grundlage unseres praktischen Handelns. Deshalb nehmen sie in der Diskussion von Perspektiven - z.B. für die Entwicklung der Weltwirtschaft - einen großen Stellenwert ein. Eines der Hauptprobleme ist, dass die Weltwirtschaft derzeit auf der immer stärkeren Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse beruht. Dies bedeutet aber auch, dass der Großteil der Weltbevölkerung immer weniger konsumieren kann. Stark vereinfacht sieht die Situation in etwa so aus: Das Wachstum basiert im wesentlichen auf zwei Säulen - oder wie es Peter Taaffe, Generalsekretär der britischen Sektion des CWI, ausdrückte “chiickenlegs”, Hühnerbeinen: Einer künstlich stimulierten Nachfrage in den USA und Investitionen in China sowie billigen Exporten aus China in die USA. Beide sind in gewisser Weise voneinander abhängig.

Billiges Geld über private Verschuldung und die Rolle Chinas für die Weltwirtschaft

Der Konsum in den USA beruht auf überbewerteten Haus- und Immobilienpreisen (“housing bubble”), die von der Bevölkerung als “cash machines” benützt werden, um über Hypotheken billige Kredite zu erhalten. Die Leitzinsen in den USA befinden sich schon auf Rekordtief. Es ist eine Zwickmühle: China hat zwar riesige Dollarreserven, welche die US-Wirtschaft und damit den Dollar stützen. Wenn der Dollar aber weiter fällt, dann muss China seine Reserven abstoßen - um sein Geld zu retten - und verstärkt damit den Fall des Dollars ins Bodenlose. Wenn die USA aber die Leitzinsen vom jetzigen Rekordtief anheben, würgen sie die Nachfrage am US-Markt, und damit die Weltwirtschaft, ab. Darüber hinaus verstärken die extremen Spekulationen auf den internationalen Finanzmärkten die Instabilität weltweit. Kann also China die Weltwirtschaft retten? China kann nur deshalb so billig produzieren, weil die chinesische ArbeiterInnenklasse stark ausgebeutet wird. Da sich die chinesischen ArbeiterInnen die in China hergestellten Produkte sich kaum leisten können, ist Chinas Wirtschaft vom US-Konsum abhängig - und da schließt sich der Problemkreis.

Krise des US-Imperialismus

Eine wichtige Diskussion war jene über die Krise des US-Imperialismus. Nach dem 11. September schien es, als sei die USA eine unbezwingbare Supermacht. Doch das Abenteuer im Irak ist für die USA zu einem schrecklichen Desaster geworden. Die Ablehnung des US-Imperialismus ist weltweit gestiegen. Innerhalb der USA wächst die Antikriegstimmung. Bush hat die Midterm-Elections trotz der Schwäche seiner Gegner, der Demokraten, verloren. Ursachen waren nicht nur der Krieg im Irak, sondern auch die Auswirkungen von Hurrikan Katrina, bzw. das Versagen der US-Administration bei dieser “Heimschlacht”. Mit der ImmigrantInnenbewegung und den Streiks am 1. Mai wurde zudem ein neues Kapitel im Klassenkampf in den USA aufgeschlagen.

Eskalation im Nahen Osten und wachsende globale Spannungen

Im Irak eskaliert in der Zwischenzeit die Gewalt zwischen SchiitInnen, SunnitInnen und Kurdinnen. Weder ein Aufstocken noch eine Reduktion der US-Truppen scheint unter den gegenwärtigen Bedingungen die Gewalt stoppen zu können. Widerstand gegen Besatzung und Krieg, die Lösung der brennenden sozialen Frage und die Frage der internationalen Solidarität der verschiedenen ethnischen Gruppen “von Unten - all das ist in dieser Region noch stärker als woanders in der Welt mit der einzigen, der sozialistischen Alternative miteinander verbunden. Der gesamte Nahe Osten und arabische Raum wurde durch den Irakkrieg destabilisiert. Ein Auseinanderbrechen des Iraks hätte Auswirkungen auf die gesamte Region - den Iran, Saudiarabien, die Türkei,… Mit dem Irak gibt es nach Israel-Palästina und dem Libanon nun ein drittes Land wo jene Kräfte, welche die Bevölkerung anhand ethnischer Linien noch tiefer spalten wollen, enormen Einfluß haben.

Diskutiert wurde auch über die besondere Rolle der Hisbollah. Sie stützt sich einerseits auf die schiitische Bevölkerung und ist ihrem Ursprung nach eine extrem “spalterische” Organisation ist. Sie besitzt aber andererseits heute, aufgrund ihrer Rolle im Rahmen des Angriffs Israels und ihren sozialen Aktivitäten großes Vertrauen in ethnisch verschiedenen Teilen der ArbeiterInnenklasse im Südlibanon.

Der Einfluss des Irans in der Region wurde durch den Irakkrieg massiv gestärkt. Israel steht nach der Niederlage im Libanon dagegen unter Zugzwang um sein Prestige zu retten - das wird nicht nur den Konflikt mit den PalästinenserInnen wieder verstärken sondern kann auch zu Drohgebärden, wie gegenüber dem Iran und seinen Atomplänen, führen. Weltweit nehmen die Spannungen zwischen den imperialistischen Staaten zu. Russland spielt zunehmend eine Rolle als Energiemacht. Die Abhängigkeit der EU-Staaten von russischem Gas und Öl ist durch die diversen Erpressungsversuchen Russlands mit dem “Abdrehen der Gashähne” ins Bewußtsein gerückt. Mit China - einem Staat “in Transformation, mit Elementen von verstaatlichten Industrien, Staatskapitalismus und privaten Wirtschaftssektoren, auf dem Weg in Richtung einer sehr eigenen Form von Kapitalismus” - erwächst den USA ein neuer mächtiger Gegner.

Klassenkämpfe in Europa

Die Labilität der Weltwirtschaft wirkt sich auch auf die Situation in Europa aus. Es gab zwar ein gewisses Wachstum in den EU Ländern. Allerdings war dieses sogar niedriger als das Wachstum im Jahr 2000 - und steht auf wackeligen Beinen. Angesichts dieser dünnen wirtschaftlichen Basis scheuen viele Regierungen in Europa davor zurück, die neoliberalen Angriffe auf den Sozialstaat und die ArbeiterInnenklasse abzuschwächen. Aufgrund des fortgesetzten Sparkurses kam es in den letzten Jahren immer wieder zu Klassenkämpfen, und zwar nicht nur im Fall der “üblichen Verdächtigen” - Frankreich, Italien, Griechenland - sondern auch in Ländern wie Österreich oder den Niederlanden. Die Referenden zur EU-Verfassung dort und in Frankreich waren ein Schlag gegen die herrschende Klasse und drücken die breite Ablehnung von Neoliberalismus aus, die sich fast durch ganz Europa zieht. Kaum ein Jugendlicher glaubt heute noch daran, eine bessere Zukunft als die Elterngeneration zu haben. Viele sind unzufrieden mit der Richtung, in die sich die Gesellschaft entwickelt. Wenn neue Regierungen gewählt werden, so meist nur als (vermeintlich) kleineres Übel, also um die alte Regierung los zu werden. Die ArbeiterInnenklasse hat teilweise keine andere Wahl als zu kämpfen, wenn sie ihren Lebensstandard verteidigen will. Ein Hindernis dabei sind leider meistens die Gewerkschaftsführungen in den einzelnen Ländern - doch auch sie können zum Handeln gezwungen werden, da sie sich dem Druck von unten nicht entziehen können. Wie das geht, haben z.B. die Bewegungen gegen den CPE in Frankreich gezeigt und jene gegen Bildungsabbau in Griechenland.

Krise der EU

Die Stimmung der herrschenden Klasse selbst ändert sich fast monatlich von euphorisch bis deprimiert. Ihr zentrales Projekt - die EU - steckt in der Krise. Die Lissabon Agenda ist mehr oder weniger gescheitert, weitere EU-Erweiterungen werden in die Ferne geschoben. Schon jetzt hat die erweiterte EU Schwierigkeiten, die unterschiedlichen nationalen Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten unter einen Hut zu bringen. Spannungen untereinander nehmen zu. Auch die Zukunft des Euro ist ungewiss. In Ländern wie Italien sorgt er für Probleme, da es nun nicht mehr möglich ist durch Währungsabwertungen Exporte billiger zu machen. Die Standortverlagerungen nach Osteuropa oder China haben in manchen Ländern zu einer gewissen Deindustrialisierung und damit auch zu einer Veränderung innerhalb der ArbeiterInnenklasse geführt. Vor allem aber wird die Standortlogik benutzt, um Löhne zu drücken und Sozialabbau durchzusetzen. In ähnlicher Weise setzen die herrschenden Klassen auf Arbeitsmigration, um auf billige Arbeitskräfte zugreifen zu können. Die Angst vor Lohndruck und Arbeitsplatzverlust wird wiederum von rassistischen Kräften benutzt. Allerdings nehmen auch Konflikte zwischen einzelnen Gruppen von MigrantInnen zu. Internationale Solidarität und ArbeiterInneneinheit für gleiche Löhne und gleiche Rechte für Alle ist die einzige Art und Weise wie der Teile-und-Herrsche-Taktik der Herrschenden der Wind aus den Segeln genommen werden kann. Die ArbeiterInnenklasse in Osteuropa will nach 15 Jahren Neoliberalismus auch endlich Verbesserungen in ihren Lebensstandards sehen - gerade nach all den mit dem EU-Beitritt verbundenen Versprechen und einem gewissen wirtschaftlichen Wachstum.

Lateinamerika

Die Entwicklungen in Lateinamerika und besonders in Venezuela, Bolivien und Kuba stehen zur Zeit nicht nur im Zentrum der weltweiten Wahrnehmung. Sie waren auch ein wichtiger Diskussionspunkt des 9. CWI-Weltkongress. Chavez sorgte zuletzt nach seiner Wiederwahl mit der Ankündigung Electricidad de Caracas und CANTV zu verstaatlichen und die lukrativen Ölprojekte im Orinoco-Becken unter die Kontrolle der Regierung zu stellen, für Aufsehen. In seiner Rede vom 9. Januar sagte er nicht nur: “Wir bewegen uns in Richtung einer sozialistischen Republik Venezuela”. Er bezog sich auch auf die Ideen von Marx, Lenin und Trotzki: “Ich bin sehr deutlich auf (Leo) Trotzkis Linie - der Permanenten Revolution.” Chavez reagiert damit auf den Druck von Seiten der Massen. Seine Äußerungen sind weltweit von Bedeutung, da sie die Ideen von Verstaatlichung, Sozialismus und der Permanenten Revolution wieder auf die politische Landkarte zu bringen. Allerdings bleibt er sehr vage, was er unter Sozialismus versteht, wendet die Methoden Trotzkis nicht an und bleibt auch in der Frage der Verstaatlichung zögerlich. Die Aufgabe von MarxistInnen ist es, zu erklären, wie eine sozialistische Gesellschaft tatsächlich aussehen müsste, worin die Ideen Trotzkis tatsächlich bestehen und was sie für Venezuela konkret bedeuten würden.

In vielen lateinamerikanischen Ländern hat es neue Massenbewegungen gegeben. In Mexiko hat es nach dem Wahlbetrug durch Calderon Streiks von LehrerInnen sowie einen Aufstand und eine “Volksversammlung” in Oahaca gegeben; in Chile eine SchülerInnenbewegung gegen die neue Präsidentin Bachelet, die den neoliberalen Kurs ihrer Vorgänger fortsetzt. Während in Venezuela Chavez auf einen gewissen Spielraum aufgrund des lange Zeit hohen Ölpreises zurückgreifen konnte, ist die Situation in Bolivien viel stärker zugespitzt. Morales geht in der Verstaatlichung auch nur den halben Weg - allerdings steht er unter größerem Druck als Chavez. Bolivien steht mittlerweile an der Kippe zum Bürgerkrieg. In beiden Fällen ist es die Gefahr einer Konterrevolution, die mobilisierend auf die Massen gewirkt hat. In Venezuela waren die Massen während der Wahlen relativ passiv, das änderte sich jedoch sobald die Opposition mobilisierte. Gleichzeitig besteht aber nach wie vor die Gefahr, dass die Konterrevolution zuschlägt - was ein Rückschlag für die ArbeiterInnenbewegung weltweit wäre. Ein Problem in Lateinamerika ist nach wie vor das häufige Fehlen von unabhängigen Organisation der ArbeiterInnenklasse. In Brasilien gibt es mit der PSOL die sich als Reaktion auf Lulas Neoliberalismus gebildet hat, einen ersten Ansatz in Richtung neue ArbeiterInnenpartei. Lula war wie Kirchner in Argentinien als Opposition zum Neoliberalismus an die Macht gekommen. Er setzte aber schließlich selbst Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse, wie die Pensionsreform im Öffentlichen Dienst, um.

Sozialistische Alternative nötig

Die Massenbewegungen in Lateinamerika und das Wiedererwachen sozialistischer Ideen sind weltweit von enormer Bedeutung. Der Linksruck in Lateinamerika ist ein Ergebnis von 15 Jahren Neoliberalismus und rasch wechselnden Regierungen, die keine Verbesserung der Situation bieten konnten. Die Bewegungen haben Auswirkungen auf das Bewusstsein der Massen in anderen Teilen der Welt - z.B. auch als Alternative zum islamischen Fundamentalismus im Nahen Osten. Sie haben aber auch Auswirkungen auf die ArbeiterInnenklasse in den USA. Die MigrantInnenbewegung 2006 wurde zum Großteil von Latinos/as getragen. Und nicht zuletzt haben sie bewirkt, dass Kuba im Unterschied zu den 90er Jahren nicht mehr isoliert ist.

Die zentrale Schlussfolgerung der 7tägigen Diskussionen besteht aus meiner Sicht in der Notwendigkeit einer internationalen sozialistischen Kraft, einer revolutionären Internationalen, welche den Grundstein für den Aufbau einer weltweiten sozialistischen Gesellschaft legen kann. Die Gefahr der Konterrevolution in Lateinamerika, die Situation im Nahen Osten, die elende Lebenssituation der Mehrheit der Menschen, aber auch die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in den westlichen Industriestaaten machen deutlich, wie dringend nötig eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft ist.

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