Sa 11.07.2015
Der 9. Juli war ein schwarzer Tag für die griechische Linke. Die Syriza-Führung um Premier A. Tsipras hat sich vollständig und bedingungslos den Forderungen der Troika-Gläubiger unterworfen. Die griechische Arbeiterklasse ist in eine tragische Position geraten. Sie hat Syriza gewählt, um Lösungen für ihre Probleme zu finden und den Memoranden (Kürzungspaketen) zu entkommen. Aber nach fünf Monaten an der Regierung konnte Syriza nichts erreichen – nur ein weiteres, katastrophales Memorandum, das die Austeritätspolitik der früheren Regierungen von Nea Dimokratia und PASOK fortsetzt.
Die arbeitenden Massen vergessen nicht, dass dieselben Leute, die heute die Ideen und Prinzipien der Linken verraten, vorher versprochen hatten, die Memoranden „binnen eines Tages und mit einem Gesetz“ abzuschaffen. Es sind dieselben, die das Programm von Thessaloniki (die radikaleren Wahlversprechen von Syriza) versprochen hatten und behaupteten, es werde unabhänging vom Ergebnis der Verhandlungen mit der Troika umgesetzt.
Die führende Gruppe in Syriza und Alexis Tsipras haben sich tragischerweise als unfähig erwiesen, die sich stellenden Aufgaben zu lösen. Sie sind des Vertrauens der Arbeiterklasse unwürdig. Sie haben das „Nein“ der Volksabstimmung am 5. Juli missachtet, das in Europa und der ganzen Welt wiederhallte. Sie haben das Vertrauen von ArbeiterInnen, RentnerInnen, Arbeitslosen und Armen verraten, die in den Arbeitervierteln und -städten zu 70-80% mit „Nein“ gestimmt hatten. Sie haben den großen Kampf verraten, den Linke und die Arbeiterklasse in ganz Europa und darüber hinaus in Solidarität mit der kämpfenden griechischen Arbeiterklasse begonnen haben.
Aber sogar jetzt noch haben sie die Frechheit, die Bevölkerung zu bitten sich heute für das „Nein“ zu versammeln, weil diese „linke Regierung“ angeblich die Unterstützung der Bevölkerung in den Straßen bräuchte. Aber warum sollte die Arbeiterklasse sich versammeln und demonstrieren um die zu verteidigen, die sie verraten haben? Besonders wenn erst vor wenigen Tagen, am Freitag, dem 3. Juli, ArbeiterInnen und Jugendliche zu hunderttausenden im Zentrum von Athen auf die Straße gegangen sind und am 5. Juli zu 61,3% mit Nein gestimmt haben.
Die sogenannten Verhandlungen mit der Troika dauern angeblich immer noch an. Die einzige noch so kleine Möglichkeit, den Unterwerfungsprozess von Syriza noch zu stoppen wäre wohl eine Entscheidung von Teilen der herrschenden Klasse in Europa, Griechenland einfach aus der Eurozone zu werfen. Das wäre die einzige Möglichkeit, durch die es zu einem frontalen Zusammenstoß zwischen Tsipras und der Eurozone kommen könnte. Wenn das passieren sollte, würde es natürlich überhaupt nichts an der oben angeführten Kritik an der Syriza-Führung ändern.
Der 9. Juli ist ein historischer Wendepunkt in der Verwandlung Syrizas von einer linken Partei in eine Partei, die dem kapitalistischen System dient. Tsipras und die Regierungsmannschaft haben den Rubikon überquert. Und sie werden auf diesem Weg weitergehen, selbst wenn es sie in die Arme einer „Regierung der nationalen Einheit“ mit den Feinden von gestern führt, selbst wenn sie den linken Flügel von Syriza ausschließen und die Partei „zerstören“ müssen.
Hinter dieser neuen historischen Tragödie der griechischen Linken steckt nichts anderes als die völlige Unfähigkeit der Führung, den Klassencharakter der Realität in der wir leben zu verstehen. Und ihr fehlendes Verständnis davon, was Klassenkampf bedeutet. Sie wollten bei der EU „für ihre Vorschläge kämpfen“ – mit Wasserpistolen gegen Maschinengewehre. Es war ein naiver und dummer Versuch, Schäuble und dem Rest der kapitalistischen Bande, die die EU führt zu erklären, dass ihre Politik falsch sei und sie sie ändern sollten. Sie hatten nie auch nur das geringste Vertrauen auf die Macht der Arbeiterklasse und ihre Fähigkeit, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Sie haben dem Märchen der herrschenden Klasse geglaubt, dass das Profitsystem unbesiegbar sei, dass der Kapitalismus nie überwunden werden könne und dass ein Austritt aus dem Euro eine soziale Katastrophe bedeuten würde.
Die Niederlage, in die Tsipras und seine Regierung die griechische Arbeiterklasse geführt haben ist historisch, aber nicht endgültig. Es ist keine Niederlage, wie sie die Linke und die Arbeiterklasse im Griechischen Bürgerkrieg erlitten haben. Es gibt noch viel Potential für Widerstand.
Die nächste Aufgabe ist, alle Kräfte der Linken zu sammeln, die die Notwendigkeit einer Umgruppierung der revolutionären sozialistischen Kräfte sehen, um die nächsten Schritte zu planen. Es gibt ernsthafte Kräfte in der außerparlamentarischen Linken, innerhalb von ANTARSYA (antikapitalistische Linke) und SYRIZA usw., die verstehen, dass es ohne einen Bruch mit dem kapitalistischen System und der Eurozone keine Perspektive für ein besseres Leben gibt. Diese Kräfte müssen sich dringend treffen und diskutieren und alles notwendige tun, um die Grundlage für eine neue revolutionäre Linke der Massen zu schaffen. Um die Kämpfe von morgen zu führen und eine Perspektive für zukünftigen Widerstand gegen die falschen Hoffnungen von Tsipras und seinem Zirkel zu bieten.
Am Abend des 10. Juli wird eine von Syriza geplante Demonstration auf dem Syntagma-Platz im Zentrum Athens jetzt wohl zu einer Kundgebung der SYRIZA-Linken und von ANTARSYA gegen die 180 Grad-Wende von Tsipras werden. Mitglieder von Xekinima (CWI-Sektion in Griechenland) werden diese Erklärung auf der Kundgebung verteilen.
Xekinima (CWI-Sektion in Griechenland) ruft die Abgeordneten der Syriza-Linken und Abgeordnete der anderen linken Parteien auf, die neuesten Vorschläge der Tsipras-Führung abzulehnen. Die Linke in Griechenland muss ArbeiterInnen und Jugendliche gegen das neue Memorandum mobilisieren, um mit Massenprotesten und Demonstrationen an das starke Mandat für ein „Nein“ aus der Volksabstimmung von letzter Woche zu erinnern und gegen jeden Ausverkauf ihrer Klasseninteressen zu protestieren.
Xekinima fordert die Linke auf, mit der Austeritätspolitik zu brechen und ein sozialistisches Programm anzunehmen. Das beinhaltet eine Weigerung, die Schulden zu bezahlen, Kapitalverkehrskontrollen, ein staatliches Außenhandelsmonopol, die Verstaatlichung der Banken und der wichtigsten Unternehmen unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der ArbeiterInnen, die Rücknahme der Kürzungen, Arbeit für Alle zu Löhnen, von denen man leben kann und kostenlose, gute Gesundheitsversorgung, Bildung und Sozialleistungen.
Durch eine Planung der Wirtschaft für die Bedürfnisse der Bevölkerung und nicht für die Profite der Kapitalisten würden Wirtschaftskrisen, Armut, Arbeitslosigkeit und erzwungene Auswanderung überwunden.
Um sie zu erreichen ist es notwendig, unabhängige Klassenpolitik aufzubauen – innerhalb und außerhalb von Syriza. Nach den riesigen „Nein“-Kundgebungen in ganz Griechenland in der letzten Woche muss die aktive Beteiligung der Arbeiterklasse und der Jugend am Kampf gegen die Troika und für eine sozialistische Alternative fortgesetzt und erweitert werden. Das bedeutet die Bildung von Volksversammlungen und Basis-Aktionskomitees in Betrieben und Wohnvierteln.
Wir rufen ArbeiterInnen und Jugendliche in ganz Europa auf, gegen Austerität und für ein sozialistisches Europa zu kämpfen.