Mi 08.02.2006
- Selten in der Geschichte
des Kapitalismus waren die Perspektiven für einzelne Länder oder sogar
ganze Kontinente in einem so starken Maße von internationalen Ereignissen
und Prozessen beeinflusst oder gar bestimmt. Diese aktuelle Phase der
kapitalistischen Globalisierung hat einige Ähnlichkeiten - obwohl
gleichzeitig Unterschiede bestehen – zu der „Globalisierung“ (obwohl der
Begriff damals noch nicht bekannt war) des späten 19. und frühen 20.
Jahrhunderts, dessen katastrophale Folge der Erste Weltkrieg war.
Kennzeichnend für diese Periode war der Export von Kapital in die
„Kolonien“, die zu geschützten Märkten und Quellen für billige Rohstoffe
wurden. Dies führte zu ständigen Positionskämpfen und Konflikten zwischen
verschiedenen imperialistischen Mächten. Dieser Kampf konnte letztendlich
nur durch einen Krieg entschieden werden.
- Es sind natürlich in der
aktuellen Situation einige Merkmale der damaligen Periode zu finden: ein
erbitterter Kampf imperialistischer Mächte um Ressourcen, vor allem um Öl,
ein wirtschaftlicher Wettstreit um Vorteile und Vorherrschaft, begleitet
von militärischen Konflikten und Interventionen, wie dem Irak-Krieg. Dies
manifestiert sich am deutlichsten in dem sich entwickelnden Konflikt
zwischen den USA und China, der die globalen Entwicklungen in der nächste
Zeit dominieren wird. Auch wenn die Gefahr eines größeren
inter-imperialistischen Konfliktes bewaffneter Art auf kurze bis mittlere
Sicht nicht besteht, so besteht nach wie vor eine reale Gefahr großer
Handelskriege zwischen den imperialistischen Blöcken.
- Diese Phase der
kapitalistischen Globalisierung unterscheidet sich in einigen Aspekten von
der Periode vor dem Ersten Weltkrieg. Damals wurde Kapital in die
kolonialen Besitztümern exportiert, als Mittel dazu, billige Rohstoffe zu
fördern und im Gegenzug dafür teurere Fertigprodukte zurück zu verkaufen,
und auf diesem Wege, in den Worten von Marx „mehr Arbeitskraft für weniger
Arbeitskraft“ zu erhalten. Diese ungleichen Handelsbeziehungen bestehen
noch heute und haben sich sogar aus Sicht der neo-kolonialen Welt
verschlechtert. In den letzten paar Jahrzehnten haben sich ausländische
Direktinvestitionen (ADI) in der „Triade“ Europa - USA – Japan
konzentriert.
- Dies wurde zum Teil
abgeschwächt durch den kolossalen Kapitalexport zum einen nach China – das
als ADI-Empfänger fast mit den USA gleichgezogen hat, und zu einem
gewissen Teil auch nach Osteuropa und in die ehemalige Sowjetunion, im
Zuge des Versuches des Kapitalismus, sein produktives Potenzial zu
verlagern um die Rohstoffe und billigen aber qualifizierten Arbeitskräfte
auszubeuten, die nach dem Zusammenbruch des Stalinismus zur Verfügung
stehen.
- Zwischen 1990 und 2003
stieg das ADI-Volumen rasant an, der Anteil von ADI am Welt-BSP wuchs von
9% auf 23%. Dies hat, zusammen mit anderen Faktoren, z.B. die so genannte
Informations- und Kommunikationsrevolution, haben zu einer kolossalen
Integration der Weltwirtschaft geführt. Dies wiederum bedeutet, wie von
Marx vorhergesagt, dass Ereignisse auf nationaler Ebene in zunehmendem Maße
durch Abläufe auf globaler Ebene mitbestimmt werden.
- Die neokoloniale Welt ist
in dieses System integriert, bleibt aber dennoch in erster Linie eine
Quelle billiger Primärprodukte. Der Aufstieg Chinas könnte jedoch die
Dominanz der Triade und vor allem der USA, sowohl wirtschaftlich als auch
militärisch, bedrohen. Dies setzt voraus dass China weiterhin
ununterbrochen so wächst wie bisher, was keineswegs sicher ist. Es besteht
die Gefahr einer weltweiten Rezession oder eines Abschwunges, mit tief
greifenden Auswirkungen in China. Ebenfalls zu bedenken ist der
unvermeidliche Widerstand der chinesischen ArbeiterInnenklasse gegen die
unmenschlichen Bedingungen in den Fabriken, gegen niedrige Löhne,
Umweltverschmutzung usw. Ansteigende Löhne als Folge von Massenkämpfen könnten
eine Verlagerung von Kapital aus China heraus in andere Niedriglohnländer
und –regionen zur Folge haben, mit entsprechenden Auswirkungen auf das
Wachstum.
- Zur Zeit hängt die US- und
damit die Weltwirtschaft an China und in gewissem Maße auch am asiatischen
Kapitalismus als Ganzes. Zwischen diesen drei „Partnern“ existiert ein
erstaunlicher faustischer Pakt. Die USA haben zur Zeit das größte
Leistungsbilanzdefizit aller Zeiten, der IWF (Internationale
Währungsfonds) schätzt, dass es für das Jahr 2005 760 Milliarden Dollar
oder 6.1% des BSP der USA betragen wird, obwohl neuere Schätzungen von
einer geringfügig niedrigeren Zahl von 706 Milliarden Dollar ausgehen.
- Das globale Wachstum ist
aktuell in erster Linie auf China und den USA konzentriert, während Asien,
Deutschland und Öl-exportierende Länder Handelsüberschüsse in Rekordhöhe
haben. Die Financial Times kommentiert: „Es ist eine bizarre Welt, in dem
die relative armen Länder der Welt den reichen KonsumentInnen in den USA
riesige Geldsummen zu extrem niedrigen Zinsraten leihen”. Peter Dixon von
der Commerzbank sagte: „Die USA haben riesigen Ungleichgewichte, sowohl
nach außen, in Sachen Leistungsbilanzdefizit, als auch nach innen – hohe
Verschuldungsraten und eine niedrige Sparquote. Solche Ungleichgewichte
kann man nicht auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten. Ausländische
Investoren besitzen US-Wertpapiere im Wert von 12 Milliarden Dollar, de
facto Schuldscheine die vom US-Steuerzahler ausgestellt werden.”
- Das Ergebnis von all dem
ist das, was kapitalistische ÖkonomInnen untragbare „Ungleichgewichte“
nennen. Dies bedeutet dass die Fremdwährungsreserven asiatischer
Wirtschaften, allen voran China, von 36% auf 60% des weltweiten
Gesamtvolumens (die Reserven der USA nicht mitgerechnet) gewachsen sind.
Chinas Reserven sind explosionsartig gewachsen und stellen nun zwei
Drittel aller Reserven in ganz Asien dar. Diese Reserven bestehen zum
allergrößten Teil aus US-Dollar-Beständen
die von den meisten asiatischen Zentralbanken auf Kosten von Investitionen
in die einheimischen asiatischen Industrien angehäuft wurden. Asien, unter
der Führung Chinas, fungiert als Zahlmeister der US-Wirtschaft und stopft
die riesigen Lücken die von den US-Defiziten gerissen wurden. Gleichzeitig
floriert der Markt für Regierungsschulden, also der Kauf von Wertpapieren
der US-Regierung, da die Kapitalisten angesichts von Rekordprofiten lieber
dort ihr Geld anlagen als in Investitionen im produktiven Bereich.
- All dies hat eine
Steigerung der Konsumausgaben und einen Rückgang der Sparquote verursacht,
was wiederum zu einem „im steigenden Maße nicht haltbaren Immobilienboom
in den USA“ (Financial Times) geführt hat. Sowohl wir als auch die
ernsthafteren unter den kapitalistischen KommentatorInnen haben darauf
hingewiesen, dass dieses finanzielle Kartenhaus jederzeit einstürzen könnte:
„Die Ungleichgewichten nähern sich der ‚Schmerzgrenze’.” (Ebd.). Charles
Dumas von Lombard Street Research warnte: „Die ganze Wirtschaft läuft
gerade auf der Basis von Kapitalgewinnen… wenn die Immobilienpreise aufhören
zu steigen, dann bekommt die US-Wirtschaft Probleme.” Der Wechselkurs des
Dollars könnte jederzeit einbrechen, und den asiatischen Zentralbanken
riesige Verluste aus ihren Dollarbeständen bescheren. Aus diesem Grund könnten
sie sich dazu entschließen, sich vom Dollar zugunsten anderer Seiten zurückzuziehen,
was wiederum einen solchen Einbruch des Dollarkurses erst auslösen könnte.
Aufschwung – aber wie lange?
- Wie lange kann der
Aufschwung anhalten? Diese Frage beschäftigt nicht nur uns und die
ArbeiterInnenbewegung sondern auch die WahrsagerInnen des Kapitalismus. Es
hat nur deswegen so lange angehalten weil der Weltkapitalismus, allen
voran die USA, eine Ausgabenorgie veranstaltet haben, angeheizt durch
„quasi-keynesianistische“ Maßnahmen für die Reichen z.B. massive
Steuersenkungen für die Reichsten. Die Zinssätze befinden sich auf einem
Rekordtiefststand, was von einigen bürgerlichen ÖkonomInnen spöttisch
„kostenloses Geld“ genannt wird, es bestehen massive und nicht tragbare
Defizite. Ein Absturz ist sicher, aber das „wie“, das „wann“ und das Ausmaß
noch unklar sind. Aber die grundlegende Schwächlichkeit der Weltwirtschaft
ist so ausgeprägt, dass sie bereits in den kommenden Monaten ins
Schleudern geraten könnte.
- Andererseits ist auch eine
weitere Überdehung möglich, was den gegenwärtigen Wirtschaftszyklus noch für
ein oder mehr Jahre verlängern könnte. Aber, wie das Institut für
Internationale Wirtschaft in Washington vorhergesagt hat, die Defizite
werden weiter anwachsen bis die Märkte anfangen nervös zu werden, die
Rentenerträge steigen, und ab dem Punkt fangen Regierungen an, nervös zu
werden. „Größere Anpassungen sind schmerzhafter. Leute ignorieren das
lieber und handeln auf der Basis von Wunschdenken“. (Financial Times).
Deswegen könnte diese aktuelle Phase ein jähes Ende finden, was das stagnierende
Europa in einen noch tieferen wirtschaftlichen und politischen Abwärtssog
ziehen könnte. Und gleichzeitig die ohnehin schon schwere Krise des Bush
Regimes verschärfen, und sogar Chinas scheinbar unaufhaltsamen
Turbowachstum aufhalten könnte.
- Auf mittlere und lange
Sicht sind die ökonomischen Perspektiven für China und die Auswirkungen
davon auf den Weltkapitalismus von zentraler Bedeutung. China hat bereits
eine Rolle dabei gespielt, den aktuellen Aufschwung über seine
eigentlichen Grenzen hinaus aufrecht zu halten, im Zusammenhang mit der
„Super-Liquidität“ in der Weltwirtschaft. Kann es eine stabilere Grundlage
für ein weiteres, dauerhafteres Wachstum des Weltkapitalismus schaffen?
Die bürgerlichen ÖkonomInnen hoffen mit aller Kraft, dass es das kann. Sie
behaupten, dass der Zusammenbruch der „geplanten Wirtschaften“ in
Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion (womit sie den Stalinismus
meinen) sowie die Entwicklung hin zum Kapitalismus in China die Anzahl der
Arbeitskräfte weltweit verdoppelt hat, gleichzeitig sei der Kapitalbestand
gleich geblieben.
- Die scheinbar endlos zur
Verfügung stehenden billigen Arbeitskräfte können, so die Hoffnung, eine
„Wiedergeburt“ ihres Systems herbeiführen. Diese Hoffnung ist
problematisch, um es vorsichtig auszudrücken. Während Investitionen in
China und Osteuropa dem Kapitalismus einen gewissen Schub gegeben haben
und auch weiterhin geben werden, wurde dadurch in erster Linie die
„Angebotsseite“, also die Produktivkräfte, gesteigert. Dies geschieht
allerdings vor dem Hintergrund steigender Überkapazitäten, vor allem in
den Industrien, etwa in der Automobilindustrie. Des weiteren ist die
Marktnachfrage, vor allem in China sowie in Osteuropa und Russland, bis
auf einige städtische Zentren, aufgrund des niedrigen Lebensstandards und
der Verarmung der Massen begrenzt.
- Aber selbst wenn es dem
Kapitalismus trotz allem gelingt, durch die ökonomische Ausbeutung Chinas
und Osteuropas die eigene Lebensspanne zu verlängern, wäre keineswegs
alles geklärt. Zunächst wären noch die ökologischen Kosten in dieser Zeit
der globalen Erwärmung zu nennen; ebenso die ansteigenden CO2-Emissionen,
das Abschmelzen des Eises an den Polen usw. Auf kapitalistischer Grundlage
kann die Welt die aktuellen Wachstumsraten alleine Chinas und Indiens
nicht verkraften. China mag gerade der Schauplatz eines ökonomischen
Feuerwerks sein, aber es ist ebenfalls, zusammen mit den USA, eines der größten
Verursacher von Umweltverschmutzung. Die ganze Welt, nicht nur China, kann
sich ein Wiedererstarken des Kapitalismus, das die Welt noch weiter in den
Abgrund der irreversiblen Umweltzerstörung reißen würde, nicht leisten.
Des weiteren hat der globale Kapitalismus zu diesem Zeitpunkt keine andere
Alternative als den Neoliberalismus, ohne den es keine kapitalistische
Globalisierung (Deregulierung, offene Grenzen für Kapital) als solches
geben würde, weltweit durchzusetzen.
- Dies hat bereits, und wird
auch in Zukunft, erbitterten Widerstand und auch revolutionäre Ausbrüche
seitens der ArbeiterInnenklasse und der verarmten Massen hervorgerufen.
Selbst in der Phase, in dem der Kapitalismus „relativ fortschrittlich“
war, im 19. und frühen 20. Jahrhundert, gab es die Tendenz, wie Marx
deutlich machte, den Anteil der ArbeiterInnenklasse zu senken um die
Profite der Unternehmen zu steigern. Dies führte zu Aufständen niedrig
bezahlter und gering qualifizierter ArbeiterInnen in Britannien Ende des
19. Jahrhunderts und trug auch zur Entwicklung der Russischen Revolution
von 1905 bei, ebenso wie zum Aufstieg der ArbeiterInnenbewegung in den USA
und Europa.
- Allerdings wurde heute,
anders als in der Phase der kapitalistischen Entwicklung vor 1914, dieser
Widerstand geschwächt durch das Fehlen des subjektiven Faktors, einer
Massenpartei der ArbeiterInnenklasse, die als Anziehungspool fungieren
kann. Die Fähigkeit der herrschenden Klasse, den Widerstand der
ArbeiterInnen zu schwächen, wurde durch die ideologische Offensive und die
Durchsetzung des Neoliberalismus begünstigt. Dennoch hat der Widerstand
der Massen, wenn auch nur Zeitweise, einige der herrschenden Klassen
Europas in ihren Absichten aufgehalten.
China
- Die Probleme, denen sich
der Weltkapitalismus aktuell gegenüber sieht, sind von monumentalen Ausmaßen,
sie summieren sich und sind auf lange Sicht unlösbar. Die Folgen des
Aufstieges Chinas und der Auswirkungen davon auf den restlichen
Weltkapitalismus sind wichtige Fragen für Europa genau wie für die
restliche Welt. Die vollen Auswirkungen hiervon haben sich noch nicht
entfaltet. China ist nun die Produktionszentrale der Welt, jede Woche hören
wir, wie Jobs aus den entwickelten Industrieländern nach China und
Osteuropa verlagert werden. Dieser Prozess scheint unnachgiebig und
unaufhaltsam zu sein. China, und in etwas geringerem Maße Indien (im Falle
Indiens vor allem durch den Ausbau der Informationstechnologie), haben
sich zu Zentren der niedrigqualifizierten und niedrigbezahlten Produktion
entwickelt. China verarbeitet Importe aus Asien und exportiert diese dann
wieder.
- Nun findet allerdings eine
Konzentration auf innovative Hightech-Produktion auf dem einheimischen
Markt statt. Während ein großer Teil der ausländischen Direktinvestitionen
aus den USA stammt, hat der asiatische Kapitalismus einen Grossteil seiner
Industrien nach China verlegt. So hat etwa Taiwan fast sämtliche
Produktionsstandorte aufs Festland verlagert. Japan hat ähnliches gemacht.
Dies hat zu der Situation geführt, die ein jüngst veröffentlichter Bericht
der EU hervorgehoben hat: „China entwickelt sich zum wettbewerbsstärksten
Produktionsstandort den es jemals gegeben hat.” Fast 20% der chinesischen
Exporte sind dem Hightech-Bereich zuzuordnen und, wie dieser Bericht
feststellt, „mit zwei Millionen StudienabsolventInnen jährlich gibt es
allen Grund zur Annahme, dass dieser Prozentsatz anwachsen wird.” Der
Anteil am chinesischen BIP, der für Entwicklung und Forschung ausgegeben
wird, wächst aktuell um 10% im Jahr, in der EU sind es lediglich 0.02%!
(natürlich startet die EU von einem höheren Ausgangsniveau).
- Bis vor kurzem konnten sich
bürgerliche ÖkonomInnen damit trösten, dass, während die Produktion nach
China und anderswo verlagert werden kann, Entwicklungs- und
Forschungseinrichtungen – und damit ein Monopol über die Technik - im
„Heimat-„land bleiben. So hat etwa der britische Staubsaugerhersteller
Dyson seine Produktion nach Asien verlagert, die Forschung und Entwicklung
aber in England behalten. Aber der Aufstieg des Hightech-Sektors in China,
teilweise durch geliehenes oder regelrecht „gestohlenes“ Geld aus den
wirtschaftlich fortgeschrittenen Ländern, könnte zur Folge haben, dass
diese Sicherheit nicht mehr lange besteht.
- Dieser Prozess hat sogar zu
einer Tendenz hin zur „Aushöhlung“ des Industriesektors in den USA geführt.
Sehr deutlich wird dies anhand der aktuellen Krise bei General Motors, einem
der Flaggschiffe der US-Wirtschaft, wo kürzlich die Streichung von 30.000
Stellen bekannt gegeben wurde. Ford sieht sich ähnlichen Problemen gegenüber,
die symptomatisch sind für den Niedergang des Industriesektors in den USA.
Wie wir erklärt haben, wird die US-Wirtschaft durch den Aufstieg des
chinesischen Imperialismus relative geschwächt.
- Die USA sind zwar weiterhin
die stärkste imperialistische Macht, sie sind allerdings eine Macht, die
sich relativ auf dem absteigenden Ast befindet. Sollte sich der aktuelle
Trend einer Kräfteverschiebung zugunsten Chinas auf Kosten der USA und der
imperialistischen Mächte Europas fortsetzen (und es gibt viele Faktoren
die diesen Trend verlangsamen oder durchkreuzen könnten) würde eine solche
Entwicklungen soziale und politische Erschütterungen in den alten
imperialistischen Ländern hervorrufen. Es würde weiters das zahlenmäßige
und das soziale Gewicht des chinesischen Proletariats enorm steigern. Das
politische Bewusstsein des chinesischen Proletariats befindet sich
allerdings aktuell auf einem niedrigen Niveau.
- Die Folgen der massiven
Verlagerung von Industrie und Arbeitsplätzen nach China und anderswohin
werfen wichtige Fragen in Bezug auf die marxistische Theorie auf. Marx,
und vor ihm schon Adam Smith, unterschied zwischen „produktiver“ und
„nicht-produktiver“ Arbeit. Erstere schuf neuen Wert, oder modern gesagt
„zusätzlichen Wert“. Nicht-produktive Arbeit, obwohl oft von
entscheidender Bedeutung für das Funktionieren des Kapitalismus, schafft
keinen neuen Wert, sondern nimmt sich einen Teil des Profits, der Löhne,
der Einkommen usw., die letzten Endes aus dem durch produktive Arbeit
geschaffenen Wert stammen.
- Marx wies darauf hin dass
der Mehrwert, der durch die Arbeit der ArbeiterInnenklasse geschaffen
wird, in drei Teile zerfällt: Rente, Zinsen, und Profit. Nicht nur durch
die eigentliche Herstellung wird in Laufe des Produktionsprozesses neuer
Wert geschaffen. Aber die produktive Industrie, die verarbeitende
Industrie und ihre Ableger sind die Hauptquelle des Wertes. Deswegen
bedeutet der Verlust des Produktionsstandortes und aller verwandten
Zulieferindustrien im günstigsten Fall die Abhängigkeit der stärkeren
Industrieländer.
- Einige werden sich eine
Platz als Renten-kapitalistische („Kouponschneider“) Länder schaffen, die
sich auf „Dienstleistungen“ wie Bankwesen, Tourismus usw. spezialisieren.
Dies kann verstärkt werden, wie es etwa in Britannien der Fall ist, durch
Einkommen aus großen Auslandsinvestitionen, einschließlich der
Super-Ausbeutung der Massen in der neokolonialen Welt. Gleichzeitig können
solche Staaten auch Empfänger beachtlicher Volumen von ausländischen
Direktinvestitionen sein, wie es in Britannien bis jetzt auch der Fall
war.
- Dies bezieht sich auf die
kurzfristige Entwicklung, es wird nicht notwendigerweise in Zukunft so
sein. Aber für Wirtschaften, sogar für ganze Kontinente, besteht hier die
Gefahr eines schrumpfenden Produktionsstandortes und eine Abhängigkeit von
„Dienstleistungen“. Dies ist, in den Worten des ehemaligen britischen Premierministers
Harold Macmillan, „Wie anderen Leuten die Wäsche reinholen“. Auf lange
Sicht wird der Verlust wirklicher wirtschaftlicher Stärke in anderen
Bereichen sichtbar werden.
- Industrielle Stärke
widerspiegelt letztendlich diplomatische „weiche Macht“, und ab einem
gewissen Punkt auch militärische Fähigkeiten, das Potenzial zu „harter
Macht“. Die Aussicht darauf, dass China diese wirtschaftliche und militärische
Macht anhäufen könnte, erweckt gerade den Widerspruch der herrschenden
Klasse in den USA. Der anschwellende, bilaterale Handelsüberschuss Chinas
im Handel mit den USA hat zu Konflikten in Bezug auf Textilien, Schuhe
usw. geführt. Dies wird wahrscheinlich, zu einem bestimmten Zeitpunkt,
auch eine unkontrollierbare protektionistische Gegenreaktion erzeugen.
Dies steht auch im Zusammenhang mit dem Murren aus den USA angesichts des
kontinuierlichen Aufbaus der militärischen Fähigkeiten Chinas, der
wiederum im Zusammenhang steht mit der unersättlichen Suche nach immer
mehr Rohstoffen um das eigene Wirtschaftswachstum anzuheizen. Dies führt
zu einem direkten Interessensgegensatz mit der herrschenden Klasse in den
USA, die auch an diesem „großen Spiel“, vor allem um Öl, beteiligt sind.
- In Asien ist die Entstehung
eines von China angeführten Blocks gegen den japanischen Imperialismus,
der mit den USA verbündet ist, klar zu erkennen. Dieser Konflikt hat
bereits zu einem Erstarken des japanischen Nationalismus geführt. Die
Auswirkungen dieser inter-imperialistischen Rivalitäten haben bereits zu
einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen China und Putins Russland geführt
– ironischerweise eine stärkere Zusammenarbeit als früher zwischen den
beiden damals stalinistischen Staaten.
- Hinzu kommen die
festgefahrene Doha-Runde der Handelsgespräche bei der WTO (Welthandelsorganisation)
– dort gibt es auch einen Konflikt innerhalb des europäischen Blocks bezüglich
Landwirtschaft, EU-Erweiterung und anderen Fragen – und es bedarf nicht
viel Fantasie um sich eine Zukunft vorzustellen, die von vermehrten
Konflikten und Rivalitäten geprägt ist, und durch eine Rezession in der
Weltwirtschaft oder durch eine Verlangsamung von Wachstumsraten enorm
verschärft werden könnte.
- Obwohl der Welthandel
absolute gesehen zugenommen hat, erfährt die Weltwirtschaft in ihrer
Erholungsphase seit 2001 eine „Wachstumsrezession“, eine geringe
Entwicklung der Produktivkräfte und ein Scheitern am Problem der
Arbeitslosigkeit, vor allem in Europa, wo die offizielle Arbeitslosenzahl über
20 Millionen beträgt.
- In der jüngsten Periode hat
die herrschende Klasse in den USA und in einigen anderen Ländern eine Art
„Keynesianismus für Reiche“ praktiziert, in dem sie den Vermögenden
Steuererleichterungen gaben. Bush hat den Superreichen in den USA
Steuersenkungen im Wert von 700 Millionen Dollar gewehrt. Diese
Steuersenkungen bewirken so gut wie keine Steigerung der Konsumausgaben.
In Folge der Katastrophe rund um den Hurrikane Katrina war er gezwungen,
ein Wiederaufbauprogramm anzukündigen.
- Gleichzeitig behauptet er,
dass er die Staatsverschuldung bis zum Ende seiner Amtszeit halbieren
wird. Diese Einsparungen sollen in erster Linie durch drastische
Streichungen im Gesundheitswesen, bei der Sozialhilfe, beim sozialen
Wohnungsbau und anderen Projekten erreicht werden. Anders gesagt werden
also die Armen für diese Einschnitte bezahlen müssen. Das Aufzehren der
Reserven des Kapitalismus wird, in einer tiefen Rezession, erneut die Möglichkeit
mit sich bringen, dass die herrschende Klasse „die Druckpresse anwirft“
und die Gefahr inflationärer Tendenzen eingeht. Wie in den 1970er Jahren könnten
sie sich dem Phänomen der Stagflation gegenübersehen wenn sie zu solchen
Mitteln greifen.
- Solange die aktuelle
„Wachstumsrezession“ anhält, können die KapitalistInnen zusammenhalten;
sich zwar von Zeit zu Zeit den ein oder anderen Schlagabtausch liefern,
aber ohne die komplette Fragmentierung die zu einem Handelskrieg führt.
Aber eine Rezession und sogar eine Periode des verlangsamten Wachstums
wird zu Konflikten führen die wiederum die Probleme der Weltwirtschaft
enorm verschärfen könnten. Der fundamentale Faktor – natürlich nicht
sofort und nicht unmittelbar, aber in letzter Konsequenz – ist die
Entwicklung der Produktivkräfte als Haupttriebfeder bei der Herausbildung
des Bewusstseins, vor allem der ArbeiterInnenklasse und die Auswirkungen
hiervon auf politische Ereignisse.
Vertrauenskrise der Bourgeoisie
- Auffällig an der aktuellen
Weltlage ist, dass sich die Bourgeoisie weltweit einer Vertrauenskrise in
noch nie da gewesenen Ausmaßen gegenüber sieht. Besonders ausgeprägt ist
dies in den USA und Europa. Ein wichtiger Grund für diese Entwicklung in
den USA, Britannien und Australien ist die katastrophale Situation im
Irak, zusammen mit wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen. Die
Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden hatte ähnliche
demoralisierende Auswirkungen auf die herrschenden Klassen in diesen und
anderen EU-Staaten. Der Vertrauensverlust geschieht bereits vor dem Anfang
ernsthafter ökonomischer Probleme in Form einer Rezession oder eines Abschwungs.
- Dies ist am Beispiel der
wichtigsten kapitalistischen und imperialistischen Macht, nämlich der USA,
deutlich geworden. Die neokonservative Clique, die durch die Präsidentschaft
von George Bush regiert, ist für den US-Kapitalismus ein einziges Desaster
gewesen. Ihre Herrschaft hat einige Parallelen, nur in einem viel größeren
Maßstab, mit der Margaret Thatchers in Britannien vor 20 Jahren. Ihr
„Erbe“ war eine gespaltene, polarisierte und zunehmend verarmende
Gesellschaft, versteckt hinter der Fassade des wirtschaftlichen
„Fortschritts“. Dies hat ihren Nachfolgern in der Konservativen Partei
Feindseligkeit und eine Serie von Wahlniederlagen eingebracht. Die Präsidentschaft
von Bush droht genau dieselben Folgen für die Republikanische Partei zu
bringen, aufgrund des katastrophalen, nicht-gewinnbaren Krieges im Irak
aber auch wegen der Art und Weise, in der die Wirtschaftspolitik gestaltet
wurde.
- Die Präsidentschaft von
Bush befindet sich nun im „freien Fall“. Sie ist nicht nur im Irak-Debakel
verstrickt, sondern zusätzlich auch auf desaströser Weise von den
Auswirkungen auf sozialer und auf Klassenebene nach dem Hurrikane Katrina
beschädigt. Nun sieht sie sich Korruptionsskandalen gegenüber die möglicherweise
bis hoch zu Cheney gehen und in denen bereits führende Republikaner
verstrickt sind. Der aktuelle Skandal hat bereits den Kongressabgeordneten
Robert Ney getroffen, der als „Bürgermeister von Capitol Hill“ bezeichnet
wird, und auch Tom DeLay, der, aufgrund seiner Art, in der
republikanischen Kongressfraktion für Disziplin zu sorgen, als „der
Hammer“ bekannt ist.
- Ein Teil der herrschenden
Klasse in den USA versucht nun der Bush-Regierung „die Flügel zu stutzen“.
Korruption ist in der kapitalistischen Welt und innerhalb der herrschenden
Klassen international allgegenwärtig. Dies ist zum Teil eine
Widerspiegelung der veränderten Zusammensetzung der herrschenden Klassen,
die international gesehen verstärkte parasitäre Züge haben, aber auch von
der Abwesenheit von Massenparteien der ArbeiterInnen, die in der
Vergangenheit zum Teil einige „Exzesse“ des Kapitalismus in Schach
gehalten haben.
- Während die erste Amtszeit
von Bush geprägt war von dem Versuch der Neokonservativen, die Macht des
US-Imperialismus zum Tragen zu bringen, hat die zweite sehr deutlich die
Grenzen dieser Macht aufgezeigt, wie wir auch in den Dokumenten zum
letzten Weltkongress prognostiziert haben. Deutlich wurde dies nicht nur
im Irak, sondern auch kürzlich in Argentinien auf dem Amerika-Gipfel, als
Bushs Versuch, die Pläne für die Freihandelszone FTAA wiederzubeleben, von
den „fünf Drachen“ (Argentinien, Venezuela, Brasilien, Paraguay und
Uruguay) abgeblockt wurden.
- Francis Fukuyama war der
Prophet vom „Ende der Geschichte“ nach dem Fall der Berliner Mauer; womit
er sagen wollte, dass die liberale bürgerliche Demokratie die letzte Stufe
des historischen Fortschritts der Menschheit sei. Das ist nichts
neues. Der grundsätzliche Fehler klassischer Ökonomen – Adam Smith und
David Ricardo – war die Betrachtung des Kapitalismus als die natürliche
Lebensweise der Menschheit. Für diese großen Klassiker der Ökonomie gibt
es mildernde Umstände. Sie lebten zu einer Zeit, als der Kapitalismus „noch
nicht voll entwickelt war, bevor der Kapitalismus alt wurde”. (Zitat
Trotzki)
- Fukuyama führt auch in
einer Phase der Krise und des Niedergangs dieses Systems solche Argumente
ins Feld. Die USA selber sollten der hellste Stern in dieser Konstellation
sein. Allerdings, so sagt er jetzt, „werden auf der Ebene der Eliten sich
die Regierungschefs bemühen, aus Eigeninteresse gute Beziehungen zu
Washington wiederherzustellen, aber auf der Massenebene hat sich die
Wahrnehmung der USA massiv verschoben – große Teile der Welt denken
bei den USA nicht an die Freiheitsstatue sondern an den vermummten
Gefangenen in Abu Ghraib.”
- Der Irakkrieg hat, wie auch
jener in Vietnam, die US-amerikanische Gesellschaft erschüttert, obwohl
die Anzahl der getöteten AmerikanerInnen bis jetzt nur ein Dreißigstel von
der im Vietnamkrieg erreicht hat. Aber der Irak, wie auch schon Vietnam, fällt
mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen zusammen. Diese Tatsache
hat dazu geführt, dass bürgerliche KommentatorInnen sich darüber
beschweren, dass „keiner den Willen oder eine Vorstellung hat“ um den ökonomischen
Niedergang zu verhindern. Der politisch geschädigte „lahme Ente“ George
Bush kann die drohende Katastrophe nicht abwenden. Viel schlimmer, so
argumentieren Einige, ist die Tatsache, dass die USA dermaßen unter einem
Mangel an bürgerlichen StrategInnen leidet, dass im Fall einer ernsthaften
wirtschaftlichen Krise keiner von der „Statur eines Franklin D Roosevelt“
da ist, der/die in die Bresche springen könnte um „die USA in eine
Richtung zu lenken“.
- Roosevelt, so lautet die
Argumentation, hatte damals mit seinem „New Deal“ den US-Kapitalismus
gerettet. Aber wie Trotzki kommentierte bestand das Programm des New Deal
größtenteils aus groß angekündigten aber begrenzten „Sozialreformen“ die
die seit den 30er Jahren bestehende grundlegende ökonomischen Krise nicht
beseitigten. Nur der sich abzeichnende Zweite Weltkrieg und die
Entwicklung der Kriegsproduktion begann, die USA aus der schwerwiegendsten
Wirtschaftskrise ihrer Geschichte herauszuziehen. Dieser Weg, ein „Dritter
Weltkrieg“ existiert heute für den Kapitalismus nicht. Roosevelt spielte
durch seine quasi-keynesianistischen Methoden zwar eine entscheidende
Rolle dabei, den Anschein zu geben, als würde sich die USA in eine andere
Richtung bewegen. Und politisch konnten seine minimalen
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einen Teil der US-ArbeiterInnenklasse
ruhigstellen, in dem ihnen der Glaube an eine „bessere Zukunft“ gegeben
wurde.
- Heute ist es allerdings
anders: so schreibt ein US-amerikanischer Kommentator in der Financial
Times: „Würde eine Krise in der Größenordnung jener von 1929-32 heute die
USA heimsuchen (es ist interessant, dass dies als Möglichkeit vorgebracht
werden kann – I.S.), würde das Land keinen FDR finden, der mit einem New
Deal-Programm gegen den Republikaner Herbert Hoover antritt. Sie hätten
einen zurückhaltenden, ineffektiven Herbert Hoover von den Demokraten der
gegen einen Republikanischen Calvin Coolidge, einen unbeugsamen
Verteidiger der schlimmsten Aspekte des aktuellen Systems. Wären das 1932
die Alternativen gewesen, wäre das ganze Fundament des amerikanischen
Staates in Gefahr gewesen” (5. Oktober 2005)
- Die USA werden aktuell geprägt
von einer massiven Führungskrise, einer ernsthaften ökonomischen Krise und
auch einem Auftreten von Spannungen entlang von Klassenlinien, was
zusammengenommen eine Zukunft voller politischer Erschütterungen für die
USA und demzufolge auch für die Welt als ganzes bedeutet.
- Die Niederlagen
Schwarzeneggers bei den Volksabstimmungen in Kalifornien stellen nur die
Spitze des Eisbergs dar was die sozialen und Klassenbewegungen betrifft
die in den USA bevorstehen. Die Spaltung des Gewerkschaftsdachverbandes
AFL-CIO ist ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit den konservativen
FunktionärInnen der US-Gewerkschaften, auch wenn noch nicht klar ist, wie
sich diese Abspaltung entwickeln wird. Es besteht das Potential für ein
Zusammentreffen der wachsenden Antikriegsbewegungen mit den
Klassenbewegungen und den sozialen Bewegungen bei ökonomischen Themen. Die
Angriffe auf die US-ArbeiterInnenklasse die gerade vorbereitet werden,
sind beim Autoteilhersteller Delphi bereits sichtbar, die Firma hat einen
Antrag auf Insolvenz mit Gläubigerschutz gestellt. Die Firma beschäftigt
56.000 ArbeiterInnen in den USA und 129.000 im Ausland. Es wird eine
Absenkung des Lohnes von 27.- auf 9.50 Dollar pro Stunde gefordert, zusätzlich
zu Einschnitten bei der Krankenversicherung.
- Solche Angriffe werden zu
heftigen Kämpfen der US-ArbeiterInnenklasse in der kommenden Periode führen.
Das Aufkommen einer wachsenden Klassenbewegung in den USA wird eines der
wichtigsten Entwicklungen der kommenden Periode sein, und würde auch
international wichtige Auswirkungen haben.
- Die Antikriegsstimmung und
die Katastrophe im Irak haben bereits dazu geführt, dass einige der
Demokraten ihr „Gewissen“ wiederentdeckt haben, so dass sie plötzlich
angefangen haben, gegen den Krieg zu sein. Der Demokratische
Kongressabgeordnete John Murtha aus Pennsylvania, der interessanterweise
selbst 37 Jahre bei den Marines war, hat den sofortigen Abzug der
US-Truppen aus dem Irak gefordert. Aufgrund seiner engen Verbindungen zum
Militär darf angenommen werden, dass er für ein Teil des Marine Corps
spricht. Gleichzeitig unterstützt Hillary Clinton, aussichtsreiche
Bewerberin für die Demokratische Nominierung bei der nächsten Präsidentschaftswahl,
weiterhin den Krieg, den ihr Mann als einen „großen Fehler“ bezeichnet
hat.
- Die Tiefe der Krise in den
USA wurde auch ausgedrückt durch die beispiellose öffentliche Kritik der
aktuellen Regierung durch zwei ehemalige Präsidenten, Bill Clinton und
Jimmy Carter, sowie durch Teile der Republikanischen Führung wie Brent
Scowcroft. Diese wachsenden sozialen Widersprüche in der Gesellschaft der
USA sind dabei, sowohl die Demokraten als auch die Republikaner in den
Augen der Massen zu diskreditieren, während der Boden für eine neue
Massenpartei vorbereitet wird.
Nahostpolitik der USA
- Die wachsende Krise im Irak
und die wachsende Antikriegsbewegung im eigenen Land hat die Frage eines Rückzugs
der US-Streitkräfte aufgeworfen. Die irakische Regierung hat davon
gesprochen, dass dies in einem Jahr möglich sein könnte. Ein vollständiger
Rückzug wird aufgrund der sich verschärfenden Krise im Irak nicht möglich
sein. Allerdings könnte eine „Verkleinerung“ auf ein Besatzungskontingent
von ca. 100.000, in wichtigen Stützpunkten und strategischen Gebieten
konzentriert, eine Option darstellen. Ohne eine vereinte, alle ethnischen
und religiösen Gruppen umfassende ArbeiterInnenbewegung würde ein vollständiger
Rückzug einen noch größeren ethnischen und religiösen Konflikt zur Folge
haben. Auf kapitalistischer Grundlage gibt es keine Aussicht auf die
Etablierung einer stabilen bürgerlichen Demokratie. Wachsende ethnische
und religiöse Spannungen könnten zur Aufteilung des Landes in drei
„Staaten“ führen – möglicherweise wird das Regime Saddam Husseins durch
drei reaktionäre und repressive Regime ersetzt werden, unter der Führung
von drei „kleinen Saddams“. Die imperialistischen Kräfte stehen vor einem
aus ihrer Sicht unlösbaren Problem. Den Preis dafür zahlen die Menschen im
Irak und in der ganzen Region.
- Die Krise im Irak macht
sehr deutlich, wie begrenzt die Möglichkeiten des US-Imperialismus für
weitere direkte Interventionen sind. Der US-Imperialismus strebt
offensichtlich noch im Iran und in Syrien Regimewechsel an, ist aber nicht
in der Lage zu einem weiteren militärischen Abenteuer. Sogar eine
Bombardierung des Iran ist, wenngleich nicht auszuschließen, doch
unwahrscheinlich. Die Politik von Bush hat das reaktionäre, theokratische
Regime von Ahmadinedschad auf einen noch härteren Kurs gebracht.
Allerdings ruft der repressive Charakter seines Regimes Widerstand im Iran
hervor und hat sich bereits überdehnt. Wie auch in Syrien setzen die USA
ihre Hoffnungen auf eine Art Neuauflage der „Orangenen Revolution“ um
diese Regime zugunsten US-freundlichere Regierungen zu stürzen.
- Gleichzeitig haben
Ereignisse in Israel und Palästina eine neue Phase in der Krise
eingeleitet. Die Wahl von Peretz zum Vorsitzenden der Arbeitspartei
widerspiegelt, in verzerrter Weise, die massive Klassenpolarisierung und die
soziale Spaltung die sich in der israelischen Gesellschaft entwickelt hat.
Diese sehr bedeutende Entwicklung wurde teilweise überlagert durch Sharons
Abspaltung vom Likud und der Gründung seiner neuen Partei. Dahinter steckt
das Absterben des Osloer Friedensprozesses, das Ende der zweiten Intifada
und die Akzeptanz der von den USA vorgelegten „Road Map“ durch einen Teil
der israelischen herrschenden Klasse und aktuell auch durch Sharon selbst.
- Das alles bedeutet, dass
Israel die eigenen Grenzen neu ziehen wird, entlang der neu errichteten
„Sicherheitsmauer“ um „verteidigungsfähiger“ zu sein. Das beinhaltet auch
einige Gebietsabtretungen. Es wird allerdings keine Rückkehr zu den
Grenzen von vor 1967 sein. Die feige palästinensische herrschende Klasse
hat, durch die Palästinenserbehörde, diese Entwicklungen begrüßt.
Allerdings stellen sie, trotz des Abzugs aus Gaza, keinen Sieg für die palästinensischen
Massen dar und werden den nationalen Konflikt in dieser entscheidend
wichtigen Region nicht lösen.
- Die Krise in der ganzen
Region könnte durch den andauernden Alpraum des Irakkonflikts und durch
die explosiven Situationen die sich im Iran, Saudi Arabien und anderen Ländern
zusammenbrauen weiter verkomplizieren. Diese Entwicklungen unterstreichen
was für ein Desaster die US-Außenpolitik und die herrschenden Klassen der
Region für die Menschen im Nahen Osten gebracht haben. Wir müssen unsere
Aufmerksamkeit auf die zugrunde liegenden Klassenkonflikten richten, die
sich in der Region entwickeln und die die Basis für eine neue Phase
schaffen werden, in der sozialistische und revolutionäre Ideen wachsen
werden. Die kürzlich erfolgten Streiks in Katar, den Vereinigten
Arabischen Emiraten und Kuwait waren Vorboten hiervon.
Europa
- Die Ablehnung der
EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden hatte verheerende
Auswirkungen auf die herrschenden Klassen Europas. Sie wurden dadurch
demoralisiert und ihr politisches Selbstvertrauen wurde untergraben. Der
Prozess der europäischen Integration ist ins Stocken geraten. Gleichzeitig
sind verstärkt Spannungen und Konflikte zwischen den EU-Staaten
aufgetreten. Ein Ausdruck hiervon sind die Konflikte zwischen Britannien
und Frankreich über die gemeinsame Agrarpolitik sowie zwischen Britannien
und den anderen EU-Staaten über den „Britenrabatt“.
- Allgemein gesehen
stagnieren die Wirtschaften Europas, außerdem hat es einen leichten
Inflationsanstieg gegeben. Die Inflationsangst hat zunächst zu einer
Debatte über eine mögliche Anhebung der Zinssätze durch die EZB
(Europäische Zentralbank) geführt. Sie haben diese Pläne zunächst fallen
gelassen, um dann im Dezember doch die Erhöhung durchzuführen. Diese
Politik wird die ökonomische Stagnation Europas nur verschärfen.
- Die neuen
EU-Mitgliedsstaaten in Osteuropa haben nicht mit den westeuropäischen Ländern
gleichgezogen. Wirtschaftswachstum hat es, wenn überhaupt, nur durch die
Ausbeutung billiger Arbeitskräfte gegeben. Es findet eine massive soziale
Polarisierung statt. Ein Merkmal all dieser Länder ist die mangelnde
Stabilität in den Regierungen. Die sozialen Spannungen die sich in Polen
entwickelt haben bringen die Möglichkeit sozialer Umbrüche mit sich. Die
Erweiterung der EU hat mehr Instabilität und mehr Spannungen innerhalb der
Union zur Folge gehabt.
- Die sich entwickelnde Krise
in Europa findet aktuell besonders in Deutschland, Frankreich, Italien und
Portugal Ausdruck. Entwicklungen in diesen Ländern und die aktuelle
Streikbewegung in Belgien deuten an wie einige Elemente dieser Prozesse
sich in der nächsten Periode in Europa entfalten werden
- Die Bundestagswahlen und
die Niederlage für Schröder, wenn auch noch nicht für sein ganzes
neoliberales Programm, stellten einen Rückschlag für die Pläne der
herrschenden Klasse dar. Die Entstehung der WASG war ein entscheidender
Faktor in diesem Prozess. Die aus den Wahlen hervorgegangene CDU/SPD
Koalition ist schwach und wird durch Spaltungen und Unentschlossenheit
paralysiert werden. Des Weiteren wird es die Möglichkeit dafür schaffen,
das eine noch stärkere Kraft auf dem Prozess der Formierung einer neuen
linken Kraft aus der WASG, der Linkspartei.PDS und anderen Kräften und
AktivistInnen hervorgeht. Dies könnte von betrieblichen Aktionen gegen
Betriebsverlagerungen, Lohnkürzungen und die Zunehmenden Angriffe auf die
ArbeiterInnenklasse durch die Große Koalition begleitet werden.
- Es gibt sogar eine vage
Wahrnehmung seitens einiger bürgerlicher KommentatorInnen dass die
neoliberale Offensive in Deutschland, zu diesem Zeitpunkt, in der von
ihnen beabsichtigten und erhofften Form nicht durchgeführt werden kann.
Vor den Wahlen hoffte die Bourgeoisie auf eine CDU-geführte Regierung um
weiter zu gehen als Schröder, dessen neoliberale Maßnahmen in seiner
Partei und in den Gewerkschaften auf Widerstand gestoßen waren. Sie
erwarteten einen klaren Sieg für eine CDU-geführte Regierung, die dann auf
Konfrontationskurs mit der ArbeiterInnenklasse gehen würde. Das
Wahlergebnis war eine Niederlage für diese Perspektive.
- Die Schwäche der Regierung
und das Potential für eine baldige Krise fanden auch bei der Wahl
Merkels zur Kanzlerin Ausdruck: 51 Abgeordnete der Regierungskoalition
stimmen gegen sie! Selbst innerhalb der CDU sieht sich Widerspruch gegenüber,
einige wichtige Ministerpräsidenten haben es abgelehnt, in ihrem Kabinett
mitzuarbeiten.
- Im Wahlkampf versprach
Merkel die Einkommenssteuer zu senken und die Mehrwertssteuer zu erhöhen.
Eine ihrer ersten Ankündigungen nach der Amtsübernahme war die Erhöhung
der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte, als Versuch, das Defizit von 35
Milliarden Euro zu reduzieren. Der deutsche Imperialismus hat den „Erfolg
der Einheit“ teuer bezahlen müssen, sowohl politisch als auch
wirtschaftlich. Ostdeutschland hat seit 1991 1.300 Milliarden Euro an
Subventionen erhalten, gleichzeitig beträgt die Arbeitslosenquote immer
noch 18,4%. Diese Steuererhöhungen werden nicht das Wachstum fördern, die
Konsumausgaben in Deutschland sind niedrig. Vielmehr werden die Tendenzen
hin zu einer Rezession verstärkt werden.
- Die Schröder-Regierung hat,
durch die Gewerkschaftsführungen, eine verbreitete und generalisierte
betriebliche Bewegung gegen die Agenda 2010 verhindert. Es wird dieser
schwachen Koalition der Verlierer (weil alle an der neuen Regierung
beteiligten Parteien bei den Wahlen Stimmen verloren haben) wesentlich
schwerer fallen, die ArbeiterInnenklasse in Schach zu halten. Bereits
jetzt gibt es Wut aufgrund der Angriffe gegen BeamtInnen, und es hat auch
einige lokalen Streiks defensiver Art gegangen. Diese weisen darauf hin
dass die Machtübernahme dieser Koalition eine neue Phase in der Krise in
Deutschland einleiten wird, in der es zu einer verallgemeinerten Bewegung
gegen die neoliberalen Maßnahmen der Regierung kommen könnte.
- Die neoliberalen Angriffe
gegen die ArbeiterInnenklasse haben in Frankreich, Spanien, Italien,
Deutschland, Belgien und Portugal eine unruhige Phase eingeläutet. Auf dem
ganzen Kontinent brodelt es. Der erste Instinkt der Bourgeoisie angesichts
sozialer Unruhen ist, dem Druck nachzugeben. Einige bürgerlichen
StrategInnen haben im Fall Deutschlands argumentiert, dass die Art von
frontalen Angriffen, die von Schröder gestartet und von Merkel versprochen
wurden, zu sozialen Unruhen führen könnten, und mahnen deswegen zur
Vorsicht. Daher wird eher „von unten“, also in einem Industriezweig und
einem Betrieb nach dem anderen, angegriffen, anstatt zu diesem Zeitpunkt
eine volle Offensive auf nationaler Ebene zu starten. Es findet ein
konzentrierter Versuch statt, das System von Tarifverträgen zu brechen.
- In Frankreich reagierte de
Villepin auf den erfolgreichen Generalstreik im Oktober in dem er sagte,
er würde “zuhören“. Das alles bedeutet nicht, dass sich die Bourgeoisie
leicht von ihrer neoliberalen Politik abbringen lassen wird, aber
Widerstand der Massen kann einen vorübergehenden Rückzug erzwingen, wie es
vor allem im Kampf um die Renten in Britannien, aber auch anderswo,
deutlich geworden ist.
- Des Weiteren ist es möglich,
dass, wenn es zu einer Implosion der Weltwirtschaft kommt, die
Auswirkungen so gravierend sein könnten, dass die Bourgeoisie zumindest
vorübergehend diese Pläne auf Eis legt, zugunsten verstärkter
Staatsinterventionen und außerdem auch um den Preis wachsender Inflationsraten
auf höhere Staatsausgaben setzt. Eine Phase, in der dies zum dominanten
Trend innerhalb der herrschenden Klassen wird, ist zu einem zukünftigen
Zeitpunkt unvermeidbar. Aber wie bereits angedeutet ist der Spielraum für
klassische keynesianistische Methoden eingeengt, sie können nur zum Preis
steigender Inflation eingeführt werden.
- Der Ausbruch massiver
Krawallen in Frankreich war eine Reaktion auf die neoliberale Politik von
Chirac und deVillepin sowie die katastrophalen sozialen Bedingungen in den
Ghettos, die es am Rande der meisten französischen Städte gibt. Sie
widerspiegeln die tiefen sozialen Gegensätze und Klassengegensätze und
auch den aggressiven Rassismus des französischen Staates. Diese sozialen
Unruhen waren keine „rassischen oder ethnischen“ Bewegung wie es die französischen
Rechten behauptet haben. Sie waren eine Explosion der Wut der ärmsten und
am stärksten unterdrückten Schichten der Gesellschaft – darunter auch eine
Schicht von armen Weißen.
- Es war eine rudimentäre
Bewegung derjenigen, die keinen politischen Ausdruck für ihre Wut haben. Für
einen solchen Wutausbruch ist der französische Kapitalismus verantwortlich,
ebenso wie die herrschende Klasse und die Sozialistischen und
Kommunistischen Parteien die die ArbeiterInnenklasse und die Jugend de
facto verlassen haben. Es ist auch ein Armutszeugnis für LCR und LO, die
es - jeweils aus opportunistischen bzw. aus sektiererischen Motiven heraus
- versäumt haben, eine politische Alternative aufzubauen die die Wut und
die Empörung, der an den Unruhen beteiligten Jugendlichen, kanalisieren könnte.
- Die französische Regierung
hat dennoch diese Ereignisse als Rassenunruhen dargestellt und versucht,
sie zu nutzen um rassistische Stimmungen zu schüren. Sie hat mit brutaler
Repression reagiert, unter anderem mit dem Verhängen des Ausnahmezustandes
(zum ersten Mal seit 1961 für einen längeren Zeitraum) und mit
Ausgangssperren. Diese wurden selektiv in 30 Bezirken verhängt. Im
Zusammenhang damit wurden CRS (Bereitschaftspolizei), Polizisten auf der
Straße, Hubschrauber und Ausgangssperren eingesetzt. Es gab über 3.000
Festnahmen, unter anderem auch von Eltern von Jugendlichen, die an den
Unruhen beteiligt waren.
- Der Griff zu solchen
Mitteln ist ein Ausdruck der halb-bonapartistischen Charakterzüge des
französischen Staatsapparates. Gleichzeitig werden repressive und
anti-demokratische Maßnahmen auch durch andere Staaten ergriffen, etwa in
Britannien, in den USA, Australien und in anderen Ländern.
- Bis jetzt haben Britannien,
Irland und Schweden eine de facto „Politik der offenen Tür“ in Sachen
Einwanderung betrieben. Dies geschah mit dem Ziel, Arbeitskräfte aus
anderen Ländern zu holen um sie als billige Konkurrenz zur Senkung der Löhne
einzusetzen. Die erbitterten Kämpfe der Besatzungen von Fähren auf Korsika
und in Irland zeigen die Wichtigkeit die diese Frage in der kommenden
Zeitperiode haben wird.
- In der gesamten EU wird
sich die Praxis des Missbrauchs migrantischer Arbeitskräfte, um Löhne und
Arbeitsbedingungen zu drücken, noch weiter ausbreiten. Die dramatischen
Auswirkungen dieser Veränderungen könnten bedeuten, dass Einwanderung und
Rassismus zentrale Themen werden. Es ist möglich dass sich die Ängste der
ArbeiterInnen in den betroffenen Ländern verstärkt werden, und von
rechtsextremen Kräften benutzt werden könnten, um rassistische Stimmungen
und Ressentiments zu schüren..
- In einigen Ländern hat die
extreme Rechte Wahlniederlagen erlitten, zum Beispiel in Österreich. Es
war bedeutsam dass bei der Bundestagswahl das Bündnis aus WASG und PDS
einen Wahlerfolg der extremen Rechten verhinderte. Dies bedeutet aber
nicht dass die Gefahr gebannt ist. Wahlerfolge rechtsextremer Kräfte könnten
wieder drohen, vor allem vor dem Hintergrund einer Verschlechterung der
wirtschaftlichen Lage, indem sie auf die Ängste der ArbeiterInnen
anspielen und rassistische Stimmungen und Gefühle zu schüren, besonders
da, wo es keine starke linke oder sozialistische Alternative gibt.
- Wir müssen darauf
vorbereitet sein, die Frage des Rassismus aufzugreifen und, insbesondere
in den Ländern für die es relevant ist, es zu einem zentralen Bestandteil
unserer Jugendarbeit zu machen. Es wird notwendig sein, in unseren
Kampagnen vor allem zwei Themen in den Vordergrund zu stellen, um den
Rassismus zu bekämpfen. Auf der einen Seite die Arbeit innerhalb der
ArbeiterInnenbewegung um migrantische ArbeiterInnen für die Gewerkschaften
und ArbeiterInnenorganisationen zu gewinnen und um für sie die üblichen Löhne
und Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Anderseits wird auch eine Kampagne
gegen Rassismus, reaktionären Nationalismus und ethnische Vorurteile
notwendig sein.
- Das Wesen des Wutausbruchs
in Frankreich erlaubte es der Regierung zunächst, verstärkte Unterstützung
für ihre repressiven Maßnahmen zu erhalten. Es ist allerdings nicht Chirac
der davon profitiert hat sondern de Villepin und Sarkozy. Obwohl
ArbeiterInnen und Jugendliche verstehen, dass die Ursachen der Krawallen
in den sozialen Bedingungen und dem Rassismus des Staates liegen, unterstützen
laut einer CSA-Umfrage 68% die Verlängerung des Ausnahmezustandes. In der
selben Umfrage waren sogar 75% der WählerInnen von LCR und LO für den
Ausnahmezustand.
- Solche Stimmungen sind aber
eine temporäre Reaktion auf die Krise und sie können sich rapide verändern,
vor allem in Frankreich, während die Regierung versucht, weiter ihre
neoliberale Politik zu betreiben. Die PSF hat in der aktuellen Krise einen
Schwenk nach „links“ gemacht. Sie ist aber nach wie vor eine bürgerliche
Partei und stellt keine Alternative für die ArbeiterInnenklasse dar. 69%
glauben dass die PSF die nächsten Wahlen nicht gewinnen kann, ein ähnlicher
Prozentsatz meint, dass die PSF die selbe Art von Politik wie die aktuelle
Regierung betreiben würde, wenn sie jetzt an der Regierung wäre. Die
Erfahrungen mit der letzten „sozialistischen“ Regierung sind immer noch im
Bewusstsein der Massen präsent..
- Diese Erfahrungen in
Deutschland und Frankreich sind für die sich entfaltende Lage in Europa
von zentraler Bedeutung. Gleichzeitig sind andere Länder in eine Phase der
Krise und der sozialen Zerwürfnisse eingetreten. Italien ist der kranke
Mann Europas sowohl ökonomisch als auch politisch. Die Regierung Berlusconis
ist in einer Krise nach der anderen verstrickt und hat nun versucht sich
dadurch zu retten, dass sie einfach das Wahlsystem für die im April
stattfindenden Parlamentswahlen so verändert, dass sie ihre Chancen auf
den Verbleib im Amt verbessert.
- Trotz dieser Änderungen
zeigen die Umfragen dass es eine starke Wahrscheinlichkeit gibt, dass das
oppositionelle Mitte-Links Bündnis „Union“ diese Wahlen gewinnen wird. Es
ist nicht ausgeschlossen, dass Einige in der Führung der PRC die
verzweifelte anti-Berlusconi Stimmung als Vorwand benutzen werden, um über
eine Unterstützung des Mitte-Links Bündnisses hinaus zu gehen und
eventuell einer Mitte-Links Regierung beizutreten. Wenn sie das machen,
dann werden wir dagegen opponieren müssen. Eine solche Entwicklung würde
zu einem gewissen Zeitpunkt eine neue Krise in der PRC heraufbeschwören,
wenn eine neue Mitte-Links Regierung mit der ArbeiterInnenklasse und der
Jugend in Konflikt gerät..
- Portugal steht, angesichts
einer verzweifelten wirtschaftlichen Situation, mit Sicherheit an der
Schwelle einer sozialen Explosion. Zusammen mit der Streikwelle in Belgien
und der sich entwickelnden Opposition gegen die Regierung Blair in
Britannien weisen diese Ereignisse auf eine explosivere und günstigere
Situation die sich in Europa entwickelt hin, in der wir unsere Sektionen
aufbauen und stärken können.
Schlussfolgerungen und Aufgaben
- In Europa und international
ist es klar, das eine neue und günstigere Phase zunehmender
Schwierigkeiten für den Kapitalismus und wachsender Stimmung für
Widerstand durch die ArbeiterInnenklasse nun begonnen hat. Die nächste
Periode wird unvermeidlich auch viele widersprüchliche Merkmale haben, die
zur Folge haben, dass die ArbeiterInnenklasse durch Kämpfe, Organisation
und politisches Bewusstsein Fortschritte macht, während es gleichzeitig
andere Komplikation und Rückschläge gibt. Allerdings bieten sich neue und
größere Möglichkeiten die unseren Sektionen Gelegenheiten geben werden
wichtige Fortschritte zu machen, unseren Einfluss zu stärken und die
Mitgliedschaft vieler unserer Sektionen zu stärken.
- Es wird nötig sein, dass
unsere Sektionen unsere Interventionen schärfen und kühne Initiativen
ergreifen. Wir werden in der Lage sein, in den sich entwickelnden Klassenkämpfen
eine wichtige Rolle zu spielen, wenn wir auf korrekter Weise
intervenieren. Dies ist deutlich geworden an dem Beispiel der großartigen
Intervention von Joe Higgins und den GenossInnen in Irland beim
Arbeitskampf der Beschäftigten von Irish Ferries. Es ist besonders wichtig
dass wir bei solchen Interventionen nicht nur unser allgemeines Programm
und unsere Methoden erklären. Wir werden in der Lage sein, einen großen
Einfluss in Kämpfen der ArbeiterInnenklasse zu haben wenn wir richtige und
spezifische Vorschläge machen, wie die stattfindenden Kämpfe organisiert
und geführt werden können. Wenn wir in betrieblichen und sonstigen
Bewegungen intervenieren, müssen wir gewährleisten dass unsere Taktik und
unsere Forderungen auf allen Ebenen der Sektionen vollständig diskutiert
und bilanziert werden.
- Die nächste Periode wird
uns viel bessere Möglichkeiten bieten, unsere Sektionen aufzubauen, als es
irgendwann in Laufe des letzten Jahrzehnts der Fall war. Wir müssen uns
auf schnelle Veränderungen und Sprünge im politischen Bewusstsein gefasst machen
und bereits sein, die notwendigen Schritte zu unternehmen um zu
intervenieren, wenn solche Veränderungen stattfinden.
- Das CWI hat keine
allgemeingültige Taktik die in jedem Land angewendet wird ohne die
spezifischen vorherrschenden Bedingungen zu berücksichtigen. Allerdings drängt
sich in vielen Ländern die Frage des Bedürfnisses nach neuen
ArbeiterInnenparteien als zentrale Frage auf. Es ist von entscheidender
Wichtigkeit dass unsere Sektionen die Taktiken, die wir anwenden müssen,
um mit dieser wichtigen Frage umzugehen, immer wieder überprüfen und
bilanzieren.
- Die Wenden hin zur WASG in
Deutschland und zur P-SOL in Brasilien haben bereits wichtige Gewinne für
die jeweiligen Sektionen gebracht. Die Initiativen die wir in Britannien
und Belgien gestartet haben um große Kampagnen zum Aufbau neuer
ArbeiterInnenparteien anzustoßen, zeigen die Art von Initiativen, die wir
ergreifen müssen, wenn es nötig ist.
- Vor allem ist es wichtig,
dass alle Sektionen besondere Aufmerksamkeit der Gewinnung und Ausbildung
einer neuen Generation von GenossInnen widmen. Die Intensivierung der
Jugendarbeit muss eine der Hauptprioritäten unserer Sektionen sein. Wir müssen
besondere Maßnahmen ergreifen um die neue Generation von Mitgliedern
politisch zu integrieren und zu entwickeln. Dies muss die wichtigste
Priorität in der Arbeit aller Sektionen und Mitglieder in der nächsten
Periode sein.
- Die nächste Periode wird
und wesentlich bessere Gelegenheiten geben um unsere Sektionen zu stärken
und um die Bekanntheit des CWI zu steigern.