Tödlicher Hundebiss - für ein ausfinanziertes Tierwohlsystem

Kommentar von Peter Hauer, ÖHU Hundetraineranwärter

In Oberösterreich wurde ein Joggerin von einem Hund zu Tode gebissen. Reißerische Artikel bringen sofort die Hunderasse in Verbindung mit dem schrecklichen Vorfall. Es wird angemerkt, dass es in Oberösterreich keine Liste mit “schwierigen” Hunderassen gibt, wie es in anderen Bundesländern der Fall ist.

Immer wieder kommt es zu schrecklichen Vorfällen mit Hunden. Menschen werden angegriffen oder kommen um. Der Vorfall in Oberösterreich ist besonders grausam. Es stellt sich daher die Frage, wie man so etwas verhindern könnte. Würden Verbote von speziellen Hunderassen tatsächlich helfen oder wäre nicht der bessere Weg Hundeführer*innen auf ihrem Weg mit den Hunden durch Kontrollen und Trainings zu begleiten.

Was feststeht ist, dass Maulkorb und Leinenpflicht den Vorfall verhindert hätten. Besonders auffällige Hunde müssen innerorts beides tragen. Würden diese Gesetze konsequent umgesetzt werden, hätte es nicht zu diesem tödlichen Unfall kommen müssen.

Im Versuch die Lage einzuordnen holt der Standard verschiedene Expert*innen. Inge Eberstaller (ihres Zeichen ÖKV-Trainerin (österreichischer Kynologenverband, einer von 2 Dachverbänden für Hundetraining)) wird zitiert, dass diese Hunde “fester zubeißen und auch nach dem Tod eines Opfer aufgrund einer genetischen Veranlagung nicht damit aufhören”. (Was der Standard nicht mit zitiert hat, dass Eberstaller auch davon spricht, “dass diese Hunde nicht mehr oder minder böse zur Welt kommen”).

Robert Markschläger wird “zitiert”, dass ein Berührungsreiz das Verhalten ausgelöst hat (Das Zitat ist im Originalartikel nicht auffindbar) und fordert eine “artgerechte Erziehung von Welpen, um positive Erstkontakte mit Menschen zu schaffen. Von Rasselisten ist er nicht überzeugt.

Genauso wenig von Rasselisten hält Tierschutz Austria und geht so weit, dass spezielle Maßnahmen bei einzelnen Hunderassen nutzlos sind.

Das KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit, Mitglieder sind ÖAMTC, ARBÖ und AUVA) fordern strengere Regeln wie es sie in Wien oder auch in Niederösterreich und Vorarlberg gibt.

Was wird vorgeschlagen?

Vorgeschlagen wird ein System für Hundeführer*innen wie in Wien. Das bedeutet (bezogen auf Listenhunde), dass ein Hundeführerschein gemacht werden muss und der Hund muss bei Antritt mind. 6 Monate alt sein. Das Führen eines solchen Hundes ohne Führerschein ist nicht erlaubt. Der Hundeführerschein besteht aus mehreren Teilen und muss auf Deutsch abgelegt werden.

Die erste Prüfung besteht aus einem theoretisch Teil und einem praktischen Teil, wo getestet wird ob der Hund mit Alltagssituationen zurecht kommt, aber auch der/die Hundehalter*in fähig ist vorausschauend zu agieren. Nach ca. 2 Jahren muss die Prüfung wiederholt werden.

Der wiener Hundeführerschein zeigt einen guten Ansatz und zwar zwingt er die Hundehalter*innen zum regelmäßigen (laschen) Training, das überprüft wird. Es gibt mit dieser Lösung, aber hat ein massives Problem: er wird nur auf die enge Liste der “gefährlichen Hunde” angewendet

Was führt zu den Hundeproblemen?

Wir leben in einer Welt, in der die Stadt & Raumplanung nicht auf Basis unserer Bedürfnisse passiert. Das bedeutet, dass es für Hunde schwer ist, sich zu integrieren. Alles ist stressig, laut, stinkt, Gehwege sind zu eng um anderen Lebewesen ordnungsgemäß auszuweichen, Plätze um sich zu lösen sind gerade in Städten rar, der Asphalt ist heiß und und und. Das sind alles keine Probleme die nur einzelne Hunde betreffen, sondern alle Hunde und ihre Führer*innen.

Aber nicht nur der Alltagsstress wirkt sich negativ auf Hunde aus. Auch wie die Hundeführer*innen mit ihren Hunden umgehen. Viele Hunde werden privat trainiert und sozialisiert. Hunde sind komplex und kein Hund gleicht dem anderen. In den letzten Jahren stieg die Belastung auf arbeitende Menschen. Mieten steigen, Löhne sinken und die Arbeitsbelastung steigt trotzdem weiter. Freizeit wird rar und damit auch die Zeit in der der Hund trainiert werden kann. Auch Corona gab einen weiteren Schub an Problemen mit dem Hundetraining. Hundeschulen waren geschlossen, die Menschen im Lockdown eingesperrt in ihren Wohnungen und so wurde den Hunden die Chance genommen sich an die menschliche Welt zu gewöhnen. Der KFV hatte mehr Hundebisse für das 2. Corona-Jahr prognostiziert. Dieser überhöhte Stress, den die Hunde in unserer Welt erleben, schlägt sich nicht nur auf die sogenannten Rasselisten nieder, sondern auch auf “ungefährliche” Rassen wie Hütehunde wie Border Collies, wo einer Vertreter vor kurzem eine Schulklasse attackierte.

Die Rasse beschreibt nur rund 9% des Hundeverhaltens, der Großteil wird durch Sozialisierung gegeben. Ein Hund durchlebt mehrere Phasen in denen die richtige Prägung ausschlaggebend für das spätere Leben ist. Es gibt auch nicht “aggressiv” gezüchteten Rassen. Was es schon gibt, sind Rassen mit Eigenschaften die sie aggressiv wirken lassen. Die verschiedenen Rassen haben für ihre jeweiligen Aufgaben spezielle Physiologien, wie einen extra weichen Kiefer (Retriever-Hunde), einen Kiefer die nicht wieder loslassen (Staffs) oder einen höheren Energietrieb (Border Collies oder Schäfer).

Ein American Staffordshire Terrier, wie jener der jetzt die tödlichen Bisse setzte hat folgendes Rassebild:

“Er sollte ein solide gebauter Hund sein, der muskulös, aber beweglich und gefällig wirkt. Er zeigt ein großes Interesse an allem, was in seiner Nähe vor sich geht. Er sollte untersetzt und gedrungen sein, nicht langbeinig oder leicht gebaut. Sein Mut ist sprichwörtlich.”

Weiters:

“Disqualifizierende Fehler:

  • Aggressive oder übermäßig ängstliche Hunde

  • Hunde, die deutlich physische Abnormalitäten oder Verhaltensstőrungen aufweisen”

Der American Stafford wird also gar nicht aggressiv gezüchtet und im Gegenteil das ist eine KO-Kriterium für eine angemeldete Zucht. Diese angemeldeten Zuchtstätten sind aber nicht möglich, weil sie in Wien zum Beispiel verboten sind. Damit bleibt nur die illegale Zucht ohne Kontrolle durch entsprechende Expert*innen.

Vor diesem Hintergrund macht auch ein Verbot der gesamten Rasse, wie es Florian Klenk fordert, auch keinen Sinn, sondern ist nur unwissenschaftlich. Was aber Sinn macht, sind eben Maulkorb und Leinenpflicht, allerdings dürfen diese nicht nur auf spezielle Rassen angewandt werden, sondern auf alle. Kleine Hunde sehen für einen erwachsenen Menschen süß aus, können aber für Kinder durchaus gefährlich werden.

Wie kann man die Probleme lösen?

Wenn man die Probleme erst aufgreift, wenn sie auftreten, ist es zu spät. Es braucht bereits Massnahmen vor der Adoption eines Hundes und begleitende Massnahmen.

  1. Es braucht eine Gesetzgebung die die Adoption strenger reguliert und einen stärkeren Fokus auf das Zusammenspiel zwischen Hund und Hundeführer*in legt. Regelungen für die Adoption die sich auf das Vorhandensein eines Garten, Arbeitsort und Vermögen konzentrieren, ignorieren wie die künftigen Hundeführer*innen mit den jeweiligen Hunden zusammenarbeiten und ermöglicht es nur Besserverdienern einen Hund zu adoptieren. Um zu garantieren, dass Mensch und Hund klar kommen braucht es mehrere Treffen, bevor die Adoption finalisiert wird.

  2. Der Tierschutz muss auf breitere Beine gestellt werden. Überfüllte Tierheime, wo die Arbeiter*innen zu wenig Zeit haben, sich um alle Tiere zu kümmern, ist ein Garant dafür, dass Tiere unterfordert und traumatisiert werden. Endlos große Tierheime zu bauen macht auch wenig Sinn, stattdessen braucht es ein Netzwerk von ausgebildeten Hundeführer*innen die temporär Hunde bis zur Adoption übernehmen können. Das darf nicht unentgeltlich passieren, sondern alle Kosten müssen vom Staat getragen werden. Das kann allerdings nicht die Tierheime ersetzen. Es braucht sie für medizinische Beratung, aber auch für die Expertise beim Vermitteln der Tiere. Arbeiter*innen in Tierheimen tun dies aus einer moralischen Verpflichtung und brennen sich bei dieser Arbeit aus. Es braucht mehr Personal und höhere Löhne.

  3. Um entspannte und gut sozialisierte Hunde zu garantieren braucht es ein engmaschiges Netz an Hundeschulen mit gratis Kursen und bezahlten Trainier*innen. Die Trainer*innen in den Hundeschulen machen das aus Spaß, aber mit immer mehr Problemhunden reicht das nicht. Es braucht eine faire Entlohnung pro Trainingseinheit. Diese Entlohnung kann nicht von den Hundeschulen getragen werden, bei bis zu 3 Trainer*innen pro Einheit würde das nicht stemmbar sein, sondern es braucht auch hier einen staatlichen Finanzierungsplan.

  4. Es braucht verpflichtende Kurse für Hunde und Hundehalter, um gemeinsam als Team zu wachsen. Es genügt nicht nur ein Kurs, sondern es braucht regelmäßige kurze Kurse um an etwaigen Problem zu arbeiten bzw. den Hundführer*innen mit zu geben, woran sie mit den/der Hund/Hündin arbeiten müssen. Nur so können Probleme früh erkannt und bearbeitet werden.

  5. Es braucht eine andere Stadtplanung mit mehr Grünflächen und Parks für Hunde. Im Bezirk Vöcklabruck gibt es keinen einzigen umzäunten Hundepark, um die Hunde ohne Leine spielen zu lassen und Sozialisierungserfahrungen zu sammeln. Das ist gefährliche Bezirks- und Gemeindepolitik!

 

Viele der Hundeschulen betrachten sich als unpolitisch, aber die oben genannten Punkte sind politisch. Die Finanzierung des vorgeschlagenen Programms wäre über eine Vermögenssteuer finanzierbar. Über diese Vermögenssteuer könnte auch der Sozial- und Gesundheitsbereich ausfinanziert werden. All das wäre möglich mit einer kämpferischen Bewegung. Ein erster Schritt könnte ein Block bei einer Klimademo sein. Die Forderung nach mehr Grünfläche würde auch mehr Verbündete in der Klimademo um sich sammeln. Der Kapitalismus baut seine Städte so wie es für die kapitalistische Produktion am meisten Sinn macht, aber nicht für die Arbeiter*innen und ihre Wegbegleiter*innen die darin leben müssen. Eine gesündere Stadt für Hunde bedeutet auch eine gesündere Stadt für Menschen. Eine Stadt ohne lautem Individualverkehr, eine Stadt mit Grünflächen bei jedem Häuserblock, eine Stadt die nicht ihre Bewohner*innen bis in die Aggressivität stresst. All das wird uns der Kapitalismus nicht schenken, sondern wir müssen es uns erkämpfen. Wir müssen uns organisieren, damit wir ein besseres gemeinsames Leben bekommen.

 

 

Quellen: