Mo 29.04.2013
Am 5. Mai wird in Salzburg der Landtag gewählt. Die Neuwahlen wurden angesichts des Finanzskandals und des desaströsen Umgangs der Parteien im Landtag und in der Landesregierung notwendig. Im Folgenden wollen wir unsere Einschätzung der Situation, möglicher Perspektiven und notwendiger Schritte darlegen.
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Anfang Dezember wurde offiziell bekannt, dass das Land in den vergangenen Jahren durch Hochrisikospekulationen Steuergelder in der Höhe von mindestens 340 Millionen Euro verloren hat. Die Landesregierung war und ist darum bemüht Monika R., einer einzelnen Landesbeamtin aus dem Finanzresort die Gesamtverantwortung dafür zuzuschreiben. Mit, wie es heißt, „krimineller Energie“ habe sie eigenmächtig diese gigantischen Summen verspekuliert und weiterspekuliert um die Verluste zu kaschieren. Die Landesregierung will davon nichts gewusst haben, wobei diese Aussagen aber fast täglich durch neu bekannt werdende Fakten an der Realität scheitern. Wie aus geleakten E-Mails hervorgeht, müsste die Landeshauptfrau spätestens seit November über die Spekulationsverluste Bescheid gewusst haben. Noch wahrscheinlicher ist – und dafür sprechen die Erkenntnisse im Rahmen des Untersuchungsausschusses des Landes – dass eine Mischung aus Akzeptanz, Desinteresse und fachlicher Inkompetenz von Seiten der verantwortlichen PolitikerInnen vorherrschte (und vorherrscht), was den Finanzskandal ermöglichte. Neben den praktischen Fragen, steht im Mittelpunkt jene der politischen Verantwortung. Es ist nicht überraschend, dass die Verantwortung auf eine einzelne „kriminelle“ Person abgewälzt werden soll. Die Frage des Mangels an Kontrolle bzw. das komplette Versagen sämtlicher Kontrollinstanzen ist primär mit politischer Verantwortung verbunden. Wirklich zurückgetreten ist bisher nur Finanzlandesrat David Brenner (SPÖ). Die Auflösung des Landtags war mehr dem Wunsch von ÖVP und SPÖ geschuldet neue Mehrheiten zu finden als der Einsicht in die eigene Schuld am größten finanziellen Desaster der Salzburger Nachkriegsgeschichte. Die Frage, warum überhaupt mit öffentlichen Gelder spekuliert wird, wird weitgehend ignoriert.
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Der Kampf der Landesbeschäftigten gegen die Nulllohnrunde stellte eine neue Qualität von Arbeitskämpfen dar. Mit zwei de facto Vollstreiks mit Großdemonstrationen und einer Reihe von Betriebsversammlungen gelang es den KollegInnen gegen den Widerstand der Gewerkschaftsbürokratie und entgegen des österreichweiten Trends eine Nulllohnrunde zu verhindern. Die SLP war als einzige linke Organisation von Anfang an dabei, unterstützte die KollegInnen aktiv, organisierte Solidarität und verteilte zu jeder Kampfaktion tausende tagesaktuelle Flugblätter. Der Kampf zeigte die Entschlossenheit der KollegInnen. Insbesondere die Beschäftigten des Landeskrankenhauses spielten eine zentrale Rolle und es ist zu erwarten, dass diese in der Zukunft wieder Kern breiter Widerstandsbewegungen sein werden. Insbesondere angesichts dessen, dass durch den Kampf die eigene Stärke bewusst wurde und sich zeigte, dass sich Kämpfen lohnt. In den Landesspitälern, wo, im Gegensatz zu allen anderen Bereichen des Landesdienstes, eine Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis abgehalten wurde, wurde dieses nur mit einer Stimme (!) Mehrheit auch angenommen. Dies reflektiert das gestiegene Selbstbewusstsein und die Kampfbereitschaft insbesondere dieser KollegInnen. Der Kampf der Landesbeschäftigten war auch in der Hinsicht von zentraler Bedeutung, als dass er gleichzeitig mit dem Bekanntwerden des Finanzskandals stattfand. Während die meisten SalzburgerInnen über die Spekulationen schlicht empört waren, stellten die KollegInnen eine direkte Verbindung zwischen dem Skandal und ihrer eigenen sozialen Situation her und übten somit zusätzlichen, massiven Druck auf die Landesregierung aus. Das Ende der Bewegung bedeutete auch, dass der öffentliche/betriebliche Druck auf die Landesregierung zurückgenommen wurde und der Finanzskandal damit scheinbar zu einer reinen Angelegenheit der Landespolitik wurde. Öffentlicher Druck ist und bleibt aber notwendig um zu verhindern, dass die PolitikerInnen der etablierten Parteien ihren eigenen Skandal selbst „aufklären“ und die Kosten der Spekulationen auf den Rücken der Bevölkerung, insbesondere der öffentlich Bediensteten, abladen.
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Die soziale Situation hat sich in Salzburg in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Die Arbeitslosenquote liegt zwar auf Grund der besonderen Wirtschaftsstruktur des Bundeslandes (Wintertourismus und sehr gute Saison 2012/13) unter dem bundesweiten Durchschnitt, es ist aber ein deutlicher Anstieg, sowohl bei den Arbeitslosen, als auch bei den Menschen in Schulungen zu verzeichnen. Von Bedeutung ist die Art der neu geschaffenen Jobs. Während in den vergangenen Jahren eine Reihe wichtiger Industriebetriebe schlossen oder Personal abbauten (in der Regel mit stillschweigender Akzeptanz durch die Gewerkschaftsführung) wurden neue Arbeitsplätze vor allem im Dienstleistungsbereich, Gastronomie, Handel, Tourismus, geschaffen. Diese Arbeitsplätze sind durchwegs sowohl unsicherer, als auch schlechter bezahlt als die verloren gegangenen Industriejobs. Zentraler Faktor für die soziale Lage in Salzburg ist die Wohnungssituation. Seit langem ist Salzburg eines der teuersten Bundesländer und die Stadt die teuerste Landeshauptstadt Österreichs in Bezug auf Wohnungs- und Lebenserhaltungskosten. Dazu kommen massive Kürzungen im Sozialbereich. Die vor allem von Seiten des Landes und der Gemeinden finanzierten Institutionen (Kindergärten, Krankenhäuser, SeniorInnenheime, Behindertenbetreuungseinrichtungen etc.) sind angesichts des Kürzungskurses der etablierten Parteien strukturellen Bedrohungen ausgesetzt. Auf Grund der Struktur der Organisationen und der Art der Arbeit treffen die Kürzungsmaßnahmen in erster Linie Beschäftigte und in zweiter Linie die in den Einrichtungen gepflegten, untergebrachten etc. Personen. Von zentraler Bedeutung sind hier nicht nur die Kollektivvertragsverhandlungen sondern auch die Auseinandersetzungen rund um Kürzungen, Schließungen etc. Es ist zu erwarten, dass der Sozialbereich in den kommenden Jahren eines der Hauptfelder für Klassenkämpfe sein wird. Diese können zu einem großen Teil auf regionaler/kommunaler Ebene stattfinden, insofern als Kürzungen vom Bund auf Länder und Gemeinden abgewälzt werden. Die Gewerkschaften, die im Gesundheits- und Sozialbereich strukturell schwach sind, spielten in der Vergangenheit in den Kämpfen teilweise sehr untergeordnete Rollen. Im Falle der Landesbeschäftigten, v.a. der Beschäftigten in den Landesspitälern stellte sich die Gewerkschaftsbürokratie sogar offen auf die Seite der Regierung. Entscheidend ist, Druck auf die Gewerkschaften aufzubauen. Dies kann aber nicht abstrakt geschehen, sondern findet im Rahmen der Organisierung konkreter Kämpfe statt.
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Sowohl SPÖ als auch ÖVP haben sich im Zuge des Finanzskandals in den Augen weiter Teile der Bevölkerung vollkommen diskreditiert. Dies wird nicht nur in den sinkenden Umfragewerten, sondern auch im verzweifelt-peinlichen Wahlkampf, insbesondere der SPÖ reflektiert. Dass die FSG eine Kampagne mit dem Titel „Mein Bauchgefühl sagt mir: Gabi“ gestartet hat, ist der beste Ausdruck dafür. Profiteure der aktuellen Situation sind das „Team Stronach“ und die Grünen (zur FPÖ, siehe unten). Dass sich die Grünen als AufklärerInnen präsentieren ist zwar angesichts der aktuellen Situation nachvollziehbar, aber durchaus unseriös. Wie bereits erwähnt übten sie schon 2007 Kritik an der Spekulation mit öffentlichen Geldern. Dieser „Kritik“ folgten allerdings keine Konsequenzen. Die „Haltet den Dieb!“-Rufe seitdem sich die Landtagswahlen abgezeichnet hatten sind letztlich nicht mehr als ein Wahlkampfmanöver. Zudem zeigen die Erfahrungen aus Kärnten, dass die Grünen mehr als bereit dazu sein können, sich als SteigbügelhalterInnen einer wie auch immer gearteten neuen Landesregierung zu verkaufen. Ähnliches gilt für das „Team Stronach“. Dieses ist weitgehend aus abgehalfterten OpportunistInnen anderer Parteien zusammengesetzt. Hinter inhaltlosen Schlagwörtern wie „Wahrheit, Transparenz, Fairness“ steht allerdings ein neoliberales Programm, das Gewerkschaften aushebeln soll, Personalabbau im öffentlichen Dienst und Sozialraub bedeutet. Auch hier ist zu erwarten, dass man sich nach den Wahlen nur allzu gerne an den meistbietenden (ÖVP oder SPÖ) verkaufen würde um sich einerseits Jobs zu verschaffen und andererseits die arbeiterInnenfeindliche Agenda Stronachs in Salzburg in die Tat umzusetzen.
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Die FPÖ ist durch die Niederlagen in Kärnten, Niederösterreich und Tirol geschwächt. Die Wahlen in Salzburg können für die weitere Lage der Partei von großer Bedeutung sein. Die Tatsache, dass auf beinahe allen Wahlkampfplakaten Spitzenkandidat Schnell alleine abgebildet ist und nicht, wie in der Vergangenheit immer, gemeinsam mit Parteichef Strache, deutet an, dass sich Strache von einer möglichen Niederlage in Salzburg bereits im Vorfeld distanzieren will. Neben den aktuell bekannt gewordenen Verbindungen zwischen Führungsfiguren der Linzer FPÖ mit der militanten Neonaziszene bemühte sich auch Schnell um das Fischen am äußersten rechtsextremen Rand, welcher zusehends die Mitte der Partei darstellt. Seine Bezugnahme auf eine angebliche „Umvolkung“ (klassischer Nazijargon) ist dabei in einer Reihe mit früheren Kommentaren zu sehen, u.a. die Bezeichnung des Gefangenenlagers Guantánamo als „amerikanisches KZ“. Auch der „normale“ Wahlkampf der FPÖ steht in der Tradition rechter Hetze. Nach verschiedenen lobenden Worten der SPÖ für die FPÖ und umgekehrten Annäherungsversuchen scheint die Debatte über eine mögliche rot-blaue Diskussion aktuell etwas vom Tisch zu sein. Die ÖVP ist allerdings nachwievor zu einer Koalition mit den Freiheitlichen bereit. Klar ist, dass eine wie auch immer geartete Teilnahme der FPÖ an einer neuen Landesregierung sowohl auf sozialer als auch auf gesellschaftlicher Eben eine ernste Bedrohung für alle im Bundesland lebenden Menschen (v.a. natürlich für MigrantInnen) darstellt und dass daher jedem Versuch einer derartigen Packelei mit dem Rechtsextremismus Widerstand entgegengesetzt werden muss. Die SLP legt während des Wahlkampfes einen Schwerpunkt auf den Kampf gegen diese rechte Hetze. Im Mittelpunkt steht die Mobilisierung gegen die FPÖ-Kundgebung zum Wahlkampfabschluss am 2. Mai (Treffpunkt der Demonstration: 17:30 am Mirabellplatz).
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Was in Salzburg (und nicht nur hier) notwendig ist, ist eine neue Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche. Diese wird nicht abstrakt durch ein Bündnis verschiedener bereits bestehender linker Kräfte entstehen, sondern muss aus den konkret stattfindenden Kämpfen erwachsen. Während der Streiks der Landesbeschäftigten ließ sich eine wachsende Stimmung gegen die etablierten Parteien und eine Zustimmung zur Forderung nach einer neuen linken Kraft feststellen. Diese Stimmung hat sich noch nicht in konkreten Projekten manifestiert. In der Zukunft wird es entscheidend sein, die stattfindenden Kämpfe untereinander zu vernetzen und die Debatte auf eine politische Ebene, die Frage einer politischen Organisation der Beschäftigten zu heben.
Solange es keine neue starke, breite Linke gibt sind Wahlbündnisse bestehender linker Organisationen eine Möglichkeit. Solche Bündnisse können das Fehlen einer neuen ArbeiterInnenpartei zwar nicht substituieren, sie können aber Möglichkeiten für linke Politik eröffnen und Ausgangsbasis für die stärkere Verankerung linker Ideen in der Bevölkerung sein. Diese sind bisher zu einem großen Teil (wenn auch nicht ausschließlich) an der Haltung der KPÖ gescheitert. Während man sich von KP-Seite einem ernsthaften linken Bündnis verweigert, bzw. im besten Falle eine offene Liste unter dem Namen KPÖ+ anbietet, ist dies aus Sicht von nicht in der KP organisierten AktivistInnen vollkommen unattraktiv. Für die Landtagswahlen versuchte die KPÖ nicht einmal eine Diskussion zum Thema zu führen. Nichtsdestotrotz rufen wir in der Stadt Salzburg (wo die KP antritt) zur Wahl dieser auf. In allen anderen Bezirken rufen wir auf Grund des Mangels an wählbaren Alternativen zum „weiß wählen“ auf. Allerdings ist diese Situation auf Dauer nicht haltbar. Die Mobilisierungen der Vergangenheit haben deutlich gezeigt, dass in Salzburg sehr wohl das Potenzial für eine starke Kraft links von SPÖ und Grünen besteht. Spätestens für die Gemeinderatswahlen 2014 ist daher die Organisierung eines breiten linken Bündnisses, sowohl von bestehenden linken Organisationen als auch linken Einzelpersonen auf demokratischer Grundlage notwendig.