Mi 10.11.2004
Afghanistan- und Irakkrieg und DIE Supermacht USA – die größte Antikriegsbewegung der Geschichte.
· Die neoliberalen Angriffe und die Zerschlagung der Sozialstaaten – dererste de facto Generalstreik in Österreich seit 1950
· Die zunehmende Verwechselbarkeit der etablierten Parteien – der Wunschnach einer echten Opposition.
Vor dem Hintergrund dieser großengesellschaftlichen Veränderungen steckt die KPÖ heute in einer Krise. Wirhalten diese Krise nicht für das Ergebnis einer kurzfristig falschen Politik,sondern sehen diese im Zusammenhang mit dem Niedergang der – einst starken –KPn und der Krise diverser „linker“ Organisationen auf internationaler Ebene.Die Mitglieder der KPÖ können auf mutige und großartige Traditionen voninsbesondere antifaschistischer Arbeit zurückblicken. Die KPÖ als Partei aberwurzelt auch in jenen Traditionen und Methoden, die Opposition verfolgte,formale vor politische Fragen stellte und die tagtägliche Arbeit in Widerspruchzum Anspruch einer sozialistischen Gesellschaftsveränderung stellte. Wirdenken, dass die Krise ihre Wurzeln in diesen Methoden hat und versuchen, dasim folgenden näher zu erläutern.
Die Krise spitzt sich zu
Seit Jahren nehmen auch die Konflikte inder KPÖ zu, in den letzten Monaten hat sich die Situation allerdings sozugespitzt, dass inzwischen viele von einer Spaltung der KPÖ sprechen. DieKPÖ-Krise wird in der linken Öffentlichkeit diskutiert und findet selbst in denbürgerlichen Medien ihren Widerhall. Die SLP beobachtet diese Entwicklung seitlängerem, gibt es doch v.a. seit Mitte der 90er viel konkrete Kooperation undauch Bündnisarbeit. Im Gegensatz zu manchen, die angesichts der KriseSchadenfreude empfinden, stellt sich für uns die Frage, inwieweit sich dieKrise und eine eventuelle Spaltung der KPÖ auf die antikapitalistischen Kräfteauswirken wird und was die einzelnen Mitglieder und AktivistInnen der KPÖkünftig tun werden.
Finanzen nur Auslöser, nicht Ursache
Die jetzige Krise der KPÖ hat zwar ihrenAuslöser in der Finanzkrise, die dem (ganz im Sinne des deutschen Kapitalsgefällten) Novum-Urteil vom September 2003 folgte, aber nicht ihre Ursachen.Gerade in einer Partei wie der KPÖ, die sich lange aus kapitalistischerTätigkeit bzw. Unterstützung aus stalinistischen Staaten und nicht durchZuwendungen von Mitgliedern und SympathisantInnen finanziert hat, sind dieFinanzen ein zentraler Machtfaktor in der innerparteilichen Auseinandersetzung.Wir denken aber, dass die Ursachen der KPÖ-Krise in einer Reihe von politischenSchwächen liegen, die es nicht nur in der KPÖ gibt.
Perspektiven müssen Grundlage politischerArbeit sein
Diepolitischen Grundlagen für eine sozialistische/kommunistische Partei müssenunserer Ansicht nach ein Programm sowie die Analyse der Ereignisse und diePerspektiven für künftige Entwicklungen sein. Wir können, auch alsMarxistInnen, nicht in die Zukunft sehen. Aber wir können durch eine seriöseAnalyse mögliche Entwicklungen abschätzen, uns und die Partei daraufvorbereiten. Wir haben diese Perspektivendiskussionen in der KPÖ stetsvermisst. Auf dem kommenden Parteitag werden alle politischen Punkte in einer „politischen Generaldebatte“zusammengefasst. Wir glauben, dass es der falsche Ansatz ist, wenn Graber meint„Der 33. Parteitag könne daher kein Programmparteitag sein, sondern es gehedarum, in der KPÖ die fraktionelle Zersetzung zu beenden“ (argument 9/04). Auch beim außerordentlichen Parteitag wird die politischeDebatte auf „Die aktuellen Aufgaben der KPÖ“ reduziert. Wir versuchen in unserePerspektivendebatten, die regelmäßig in unseren Bundesleitungen,Bundesvorständen und Konferenzen stattfinden, ausgehend von der Entwicklung derWeltwirtschaft sowie wichtiger internationaler Entwicklungen (wie z.B. zur Zeitder Besetzung des Irak und der globalen Protestbewegung) über dieösterreichischen Entwicklungen in Wirtschaft, Politik und Lage derKlassenkämpfe auf die nächsten Schritte der Partei zu schließen. Ohne ständigeDiskussion und Überprüfung der Perspektiven kann eine Organisation nurreagieren, nicht agieren und damit keine zentrale Rolle in Kämpfen spielen.Ohne Perspektiven und eine Analyse der Ereignisse kommt es auch zu Ungeduld inder politischen Arbeit, wo aus dem Wunsch nach Veränderung versucht wird,gesellschaftliche Entwicklungen vorwegzunehmen.
Notwendigkeiteines klaren Programms
Wir meinen, dass eine sozialistische/kommunistische Partei auch einklares Programm braucht. Ein solches hat die Aufgabe, ausgehend von derNotwendigkeit einer sozialistischen Gesellschaftsveränderung am Bewusstsein derArbeiterInnenklasse und Jugend anzusetzen. Es muss Forderungen entwickeln, dieAntworten auf aktuelle Fragen (wie Arbeitslosigkeit, Irak-Krieg etc.) in einerForm gibt, die nicht in Sachzwängen verhaftet bleiben, sondern die Grenzen desKapitalismus und den Weg zu einer sozialistischen Gesellschaftsveränderungaufzeigen. Wenn es ein Programm für die tagtägliche Arbeit, und eines für„später“ gibt, bleibt die Partei in kapitalistischen Sachzwängen verhaftet undkann selbst die tagtäglichen Probleme nicht lösen. Der Sozialismus verkommt zueiner Phrase, statt ein konkretes Ziel zu sein. Bei den diversen Wahl-,Kommunal- und Parteiprogrammen und -Entwürfen der KPÖ ist uns diese Trennungimmer wieder aufgefallen. Ein Ergebnis dieser Trennung sind Bündnisse mitrechten Kräften, die wir immer wieder beobachtet haben, und die weder derösterreichischen ArbeiterInnenklasse noch der KPÖ genutzt haben. Sei es in derAnti-EU-Kampagne der KPÖ, wo die Zusammenarbeit mit rechten Kräften so weitging, dass diese sogar einen Stand auf dem Volksstimmefest hatten. Oder sei esin der Kommunalpolitik, wo auch vor einer Zusammenarbeit mit der FPÖ nichtzurückgeschreckt wurde (in Graz im "Steirischen Aktionsbündnis Pro-Leben:Wir bleiben gesund!" zur Frage von Gentechnik ebenso wie in Wien gegen dieSchließung des Rogner Bades).
Die Rolle der ArbeiterInnenklasse
In der österreichischen Linken ist auf Grund des jahrzehntelangenFehlens von Klassenkämpfen ein Zynismus gegenüber der ArbeiterInnenklasse zufinden, der dazu führt, dass mehr Vertrauen in bürgerliche/ liberale Institutionenbesteht als in die Fähigkeit der ArbeiterInnenklasse, für ihre Interessen zukämpfen. Auch in der KPÖ sehen wir die Hoffnung, durch Institutionen wie dieUNO oder die Neutralität im Rahmen des Kapitalismus Frieden schaffen zu können.Die ArbeiterInnenklasse kommt in diesen Überlegungen zwar als Profiteurin,nicht aber als Akteurin vor. Der ArbeiterInnenklasse aber kommt im Kampf gegenneoliberale Politik ebenso wie für eine sozialistische Gesellschaftsveränderungdie entscheidende Rolle zu. Daran hat sich trotz der Veränderungen in derArbeiterInnenklasse nichts geändert. Sie ist durch Liberalisierung undFlexibilisierung inhomogener geworden, aber durch die neoliberalen Angriffeist das Gemeinsame – nämlich nichts zu verkaufen zu haben als die eigeneArbeitskraft – wieder in den Vordergrund getreten. Wir sehen in denverschiedenen Teilen der KPÖ zwar immer wieder Lippenbekenntnisse zur Rolle derArbeiterInnenklasse als revolutionäres Subjekt, diese sind aber entwederPhrasen oder schlagen sich nicht in der realen Arbeit nieder. Das von Teilender KPÖ forcierte Projekt der LINKEN ist an der ArbeiterInnenklassevorbeigegangen. Unter ProponentInnen und KandidatInnen waren keineVertreterInnen jener Kämpfe der ArbeiterInnenklasse, die 2003 und 2004Österreich aus dem streikmässigen Dornröschenschlaf gerissen haben, zu finden.Keine EisenbahnerInnen, keine PostbuskollegInnen, keine VelocefahrerInnen, alsojene Schichten der ArbeiterInnenklasse, bei denen das Bewusstsein in derjüngeren Vergangenheit einen wichtigen Sprung gemacht hat. Aber weder einesozialistische/kommunistische Partei, noch ein neues linkes Projekt kann – willes erfolgreich sein – abseits von den Entwicklungen in der ArbeiterInnenklasseexistieren.
Die Frage der Organisation
Wir denken, dass hinter der Debatte unterschiedliche Konzepte stehen,wie eine Organisation, die in der Lage ist, der neoliberalen Logik zu kontern,entstehen kann. Wir halten keinen der gegenwärtig präsentierten Ansätze fürtauglich, eine ernsthafte Alternative aufzubauen. Weder der Rückzug aufkommunalpolitische Fragen mit Elementen von Sozialarbeit, noch eine offenstalinistische Partei die zwar den „Wiederaufbau einer konsequent auf dieArbeiterInnenklasse orientierten, massenwirksamen Kommunistischen ParteiÖsterreichs“ (Brief an die Mitglieder der KPÖ der Kommunistischen Initiativezur Erneuerung der KPÖ) proklamiert ohne zu sagen, wie man dort hin gelangt,noch ein breites „linkes“, zivilgesellschaftliches, Projekt, das abgehoben vonden Entwicklungen in der ArbeiterInnenklasse agiert, sind dazu in der Lage.
Neue Formationen
Eine neue ArbeiterInnenpartei mit sozialistischem Programmist nötig. SozialistInnen und KommunistInnen können der Entwicklung nichtvorgreifen und diese nicht per Proklamation schaffen. Wir können aber jetztantikapitalistische, sozialistische und kommunistische Kräfte aufbauen,zusammenarbeiten und Bewusstsein schaffen. Eine neue ArbeiterInnenpartei wirdals Folge von kommenden Klassenkämpfen entstehen und sie wird Menschen ausverschiedenen gewerkschaftlichen und politischen Zugängen umfassen, die inFraktionen, Gruppen etc. in dieser neuen Partei auf demokratischer Basis aktivsein werden. Die LINKE konnte, eben weil sie nicht aus diesen Kämpfenentstanden ist, kein Angebot an diese neuen Schichten, die in den Kampfeingetreten sind, formulieren.
Das Beispiel Deutschland und die Entwicklung der „Wahlalternative für SozialeGerechtigkeit“ zeigt, wie wichtig eine bewusste und organisierte Arbeit vonSozialistInnen und KommunistInnen ist. Lafontaine, der als er an der Macht war,aktiv Sozialabbau betrieben hat, liebäugelt nun mit der WASG. Sollte er ihrbeitreten, wird es um so mehr notwendig sein, für ein sozialistisches Programmzu kämpfen, damit sich nicht sein Kurs des „kleineren Übels“ durchsetzt. DieAufgabe von SozialistInnen und KommunistInnen wird es in einer solchen neuenFormation sein, für ein sozialistisches/kommunistisches Programm zu kämpfen,und nicht, sich hinter Phrasen zu verstecken oder aus Angst, es könnte jemandenabschrecken, darauf zu verzichten.
Wir haben durch unsere jahrelange politische Arbeit, durch diverseBündnisse (u.a. die gemeinsame Kandidatur bei den EU-Wahlen 1996) und durchunsere Arbeit im GLB viele Mitglieder der KPÖ kennen gelernt. Wir bedauern es,dass die jetzige Debatte in erster Linie auf persönlicher Ebene und um formalePunkte und nicht um perspektivische und programmatische Fragen geführt wird.Auch wenn der Konflikt in erster Linie persönlich geführt wird, hat er dochpolitische Hintergründe, die nur politisch gelöst werden können.
Wir versuchen in der SLP, die Einheit der Partei auf Grundlage einerdemokratischen Debatte und politischer Einheit herzustellen. Wir habenregelmäßig Perspektivendiskussionen und bilanzieren unsere Arbeit. Wir haltenden „Demokratischen Zentralismus“, der größtmögliche innerorganisatorischeDemokratie mit größtmöglicher Schlagkraft nach außen verbindet, für die besteOrganisationsform für eine Partei der ArbeiterInnenklasse (auch wenn derBegriff „Demokratischer Zentralismus“ durch dessen missbräuchliche Anwendungauf gänzlich undemokratische Organisationen diskreditiert wurde). Wir habendarüber hinaus in der SLP ein Fraktions- und Tendenzrecht, das Mitgliedern, beiBeibehaltung ihrer Aufgaben als Mitglieder, die Möglichkeit gibt, um politischePositionen auch in Form von organisierter Opposition in der Partei zu kämpfen.
Die Zukunft der KPÖ ist ungewiss, eine Lösung ist – selbstwenn es zu einer Parteispaltung kommen sollte – nicht zu erwarten. Wir könnendie Entwicklungen in der KPÖ nur von Außen beobachten und sind zweifellos nichtüber alle Details informiert. Die um den Verkauf des EKH/Wielandschuleentbrannte Debatte spiegelt ein Demokratiedefizit wieder, wenn in einer derartheiklen und seit Jahren auch KPÖ-intern strittigen Frage die eigeneMitgliedschaft über den Verkauf offensichtlich aus den Medien informiert wurde.
Wir möchten die GenossInnen der KPÖ auf unsereStellungnahmen zur aktuellen Lage (siehe www.slp.at),unser Parteiprogramm und unsere Treffen hinweisen, um die Debatte über dieAufgaben von SozialistInnen/KommunistInnen gemeinsam in einem solidarischenRahmen führen zu können.
Die Bundesleitung der Sozialistischen LinksPartei (SLP)