Fr 17.06.2011
Die fantastische Bewegung der „Indignados“, die am 15. Mai begann, hat die spanische Politik schwer erschüttert. Im ganzen Land wurden zentrale Plätze besetzt und Camps aufgestellt. Am 15. Juni versuchten die Indignados, eine Blockade des katalanischen Parlaments in Barcelona zu organisieren. An diesem Tag sollten dort die brutalen Kürzungen beschlossen werden. Versuche, am Vortag innerhalb des Parkes zu zelten, in dem das Parlament steht, wurden durch die Polizei vereitelt. Aber nichtsdestotrotz kamen tausende Menschen um 7 Uhr in der Früh, um den Park zu umzingeln und Barrikaden zu bauen. Die Polizei versuchte, Wege für die ParlamentarierInnen freizuprügeln, aber für viele war es unmöglich, durch die blockierten Tore zu kommen. Die ParlamentarierInnen, die versuchten, durch den Park reinzukommen, wurden von den DemonstrantInnen verfolgt und angeschrieen, manchen wurde die Jacke mit Graffiti-Spray umgefärbt. Am Ende mussten die meisten ParlamentarierInnen, darunter der regionale Präsident Artur Mas, mit dem Helikopter eingeflogen werden.
Diese Situation beschrieb eine junge Frau sehr treffend. Sie trug ein Schild, auf dem stand: „Eine Regierung sollte ihre Bevölkerung beschützen, und nicht SICH vor ihr!“
Nach der Parlamentssitzung sammelten sich die Indignados, um Richtung Rathaus zu marschieren. Die Demo wurde mit jedem Schritt größer. Als sie am Hauptquartier der örtlichen Gewerkschaft CC.OO vorbeikam, schrieen sie wütende Parolen gegen die Bürokratie und forderten einen Generalstreik.
Wessen „Gewalt“?
Nach den Ereignissen des 15. Juni versuchen die spanischen Medien, die Bewegung als „gewalttätig“ darzustellen. Die meisten Zeitungen schreiben davon, dass die Indignados die „rote Linie überschritten haben“ usw. „El Mundo“, die konservative Tageszeitung Spaniens, verglich die Bewegung sogar mit Mussolinis Schwarzhemden! Die wahre Gewalt geht aber von der Regierung und ihren brutalen Kürzungen aus, und von der Polizei.
Die „Mossos“ (Polizei in Barcelona) sind verantwortlich für die brutale Räumung der Plaza Cataluna am 27. Mai und für die Ausschreitungen gestern, die von eingeschleusten ProvokateurInnen angestiftet wurden, wie ein Video aus der Demonstration beweist. Das kapitalistische Establishment hat lange darauf gewartet, die Bewegung als „gewalttätig“ abstempeln zu können, aber die Bewegung machte es ihnen unmöglich. Auf der Versammlung nach den Blockaden wurde die Notwendigkeit von Disziplin im Falle von Provokationen betont. Einer der meist gerufenen Slogans der Bewegung ist „Estas son nuestras armas“ (Das hier sind unsere Waffen), mit erhobenen Händen. Die Ereignisse haben auch gezeigt, dass ein demokratisch organiserter Demoschutz notwendig ist, um sich gegen Attacken der Polizei zu schützen und zu wehren.
Wo steht die Linke?
Vielleicht waren es in Barcelona weniger DemonstrantInnen als erhofft, es wäre aber falsch, daraus zu schließen, dass die Bewegung einen Abschwung hat. Die Tatsache, dass die Gewerkschaften keinerlei Mobilisierung für diese Demonstration betrieben (Und das nach der 200.000 Menschen starken Gewerkschaftsdemo am 14. Mai!) hat die Mobilisierung sichtlich geschwächt. Auch wenn viele der permanenten Camps abgebaut sind, geht die Bewegung weiter. Sie erreicht nun auch weitere Schichten von ArbeiterInnen. Widerstand gegen Zwangsräumungen wird stärker und erfolgreicher, wie z.B. in Madrid, wo hunderte Menschen eine Zwangsräumung verhinderten.
Cayo Lara, Chef der Izquierda Unida (Vereinigte Linke) wollte an diesem Protest teilnehmen, wurde aber von den DemonstrantInnen verjagt. Viele sehen die IU als einen Teil des Establishments. Das ist kein Wunder, immerhin hat die IU jahrelang mit den kapitalistischen Parteien paktiert. Auch in Barcelona wurde ein Parlamentarier der ICV (katalanisches Bündnis aus IU und Grünen) am Weg zum Parlament wütend beschimpft und verfolgt. Nun stimmen einige BürokratInnen der IU in den kapitalistischen Chor mitein, der die „Brutalität“ der Bewegung anklagt, ohne mit einem Wort die Polizeibrutalität oder die brutalen Kürzungen zu kritisieren. Aufgabe der Linken muss es in solchen Situationen sein, der Bewegung Vorschläge für ein revolutionäres Programm zu machen, das einen Sturz des Kapitalismus möglich macht.
Was für eine verkehrte Welt, in der „linke“ ParlamentarierInnen sich ihren Weg durch Demos prügeln lassen müssen, anstatt die Proteste zu unterstützen und mitzudemonstrieren!
Die Bewegung geht weiter
Der nächste Aktionstag ist der 19. Juni. Es wird ein internationaler Protesttag werden, mit Solidaritätsaktionen in ganz Europa. Die aktuellen Ereignisse, besonders die in Griechenland, werden für den weiteren Erfolg der Bewegung entscheidend sein. In Griechenland wurden die Protestformen der Indignados mit der Kraft der ArbeiterInnenklasse verbunden, wie der Generalstreik am 15. Juni gezeigt hat. So etwas ist auch in Spanien notwendig. Socialismo Revolucionario (CWI in Spanien) schlägt die Verbindung der Kämpfe vor, mit der Forderung nach einem Generalstreik. In vielen „Barrios“ (Nachbarschaften) gründen sich nun „asambleas“ (Nachbarschaftskomitees), die über die Mögllichkeit kommunalen Widerstandes beraten. In Llefa beispielsweise, dem Barrio, in dem ich wohne, gründete sich gestern eine asamblea. Über 60 Menschen nahmen an dem Treffen teil. Sie berieten über weitere Schritte, wie Flyeraktionen, Kundgebungen und Widerstand im nahen Krankenhaus. Solche asambleas braucht es auch in den Betrieben, Schulen, Universitäten etc. Sie müssen sich auf regionalem und bundesweitem Level verbinden und die Kämpfe organisieren. Um den Widerstand auf eine internationale Basis anzuheben, braucht es einen europaweiten Generalstreik. Ein internationaler Bruch mit der Diktatur der Märkte ist notwendig, um den Alptraum für Millionen zu beenden, der das Leben im krisengeschüttelten Kapitalismus ist.