Di 06.11.2012
Wer einen Koran verbrennen oder Mohammed-Karikaturen zeigen will, kann sich der Aufmerksamkeit aller Medien sicher sein. Das geschieht nicht um der Meinungsfreiheit willen, sondern als bewusste Provokation und meist mit rassistischem Kalkül. Aus Angst vor dem Zorn von Millionen Menschen in der islamischen Welt werden solche Aktionen verurteilt. Und damit ist das Bild des Islam in der europäischen Öffentlichkeit meist schon komplett: „die Wahnsinnigen“, die allen demokratischen Werten entgegenstehen.
Dieses Bild wird besonders gerne von rechten Parteien gezeichnet. Die Hetze gegen „den Islam“, oft getarnt als „Islamkritik“, ist die Brücke zur Hetze gegen MigrantInnen allgemein. Eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Strömungen im Islam erfolgt nicht. Die Tatsache, dass für die überwiegende Mehrheit moslemischer Menschen die Religion ungefähr so wichtig ist wie für den/die typischen „TaufscheinchristIn“, wird ignoriert. Den angeblichen „Bürgerinitiativen“, die versuchen, den (Aus-)Bau von islamischen Zentren zu verhindern, geht es nicht um Parkplätze und Ähnliches – ihre InitiatorInnen wollen MigrantInnen an sich loswerden.
Wie in allen Religionen gibt es auch im Islam besonders reaktionäre Tendenzen. Die Hamas geht in Gaza gewaltsam gegen eine soziale Protestbewegung vor, genau wie das Mubarak & Co zuvor getan haben. Auch in Österreich verbergen sich hinter dem islamischen Verband „ATIP“ reaktionäre Interessen des türkischen Staates. Solche Organisationen können daher auch keine BündnispartnerInnen gegen Rassismus oder die FPÖ sein.
Moslems/Muslimas stehen in Österreich besonders im Kreuzfeuer. Oft geht es um Symbole, wie etwa die Kopftuchfrage. Der Zwang, ein Kopftuch zu tragen, ist zutiefst frauenfeindlich. Doch angesichts rassistischer Angriffe ist es für viele Frauen auch ein Zeichen kultureller Identität. Die Rechte will unter dem Vorwand „Frauenrechte“ z.B. ein Kopftuchverbot. Doch ein solches würde nicht zur Befreiung von patriarchalen Zwängen führen, sondern helfen, muslimische Frauen weiter zu isolieren. Statt z.B. mit Kopftuch Lehrerin zu sein, würden viele nach einem Verbot (immer noch mit Kopftuch) zu Hause bleiben. Als SozialistInnen stehen wir für ein Programm gegen Frauenunterdrückung, das sich nicht an Symbolen orientiert, sondern die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen ins Zentrum stellt. Also das Recht auf kostenlosen Bildungszugang, einen ordentlich bezahlten Job und leistbare Wohnungen.
Die Angriffe auf „den Islam“ kommen meist aus einem rechten Eck und haben rassistischen bzw. christlich fundamentalistischen Hintergrund (so erklärte der Papst in seiner Grußbotschaft an die christlichen FanatikerInnen von HLI, dass „Europa nur auf der Grundlage christlicher Familien eine Zukunft verheißen ist“). Aber das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass Linke „den Islam“ an sich verteidigen müssen. Es geht darum, rechte Hetze zu entlarven, Rassismus zu bekämpfen und religiöse Selbstbestimmung zu verteidigen. Was uns als MarxistInnen nicht an einer grundsätzlichen Kritik an Religion und Glauben hindert.
Der Islam dient den Herrschenden in aller Welt als Mittel gegen soziale Proteste. Im Westen, weil sich an dieser Frage MigrantInnen und Nicht-MigrantInnen spalten lassen. In der muslimischen Welt als Ventil, um soziale Gerechtigkeit auf ein anderes Leben zu verschieben und die Menschen von ArbeiterInnen-Organisationen fernzuhalten. Der Schwerpunkt in dieser Ausgabe von „vorwärts“ widmet sich dem Thema, das in so vielen aktuellen Debatten eine Rolle spielt: dem Islam.