Di 08.09.2009
Sind all die IranerInnen, die in dieser Zeit "Gott ist groß" von den Dächern Teherans rufen, automatisch reaktionäre FundamentalistInnen? Oder fertige soziale RevolutionärInnen? Diese überspitzt formulierte Frage führt zu einem wesentlichen Thema, das nicht nur in Iran von Bedeutung ist: die Religion. In ihren Ursprüngen tragen Religionen oft sozialrevolutionäre Züge in sich. Ideen der Gleichheit, der Barmherzigkeit etc. drücken einen Protest der Unterdrückten gegen ihr jeweiliges Gesellschaftssystem aus. Als Form der Rebellion eignet sich Religion jedoch kaum. Etablierte Religionen, und vor allem ihre "irdischen" VertreterInnen predigen seit jeher Gehorsam und vertrösten ihre Gläubigen auf ein Paradies im Jenseits. Natürlich nicht ohne Eigennutz: Egal ob katholischer Priester oder islamischer Mullah, Geistliche profitierten immer von Klassengesellschaften und nutzten gemeinsam mit den Herrschenden die Religion als Spaltungs- und Unterdrückungsmittel, so auch in Iran.
Fakt ist, dass ein immer größerer Teil des iranischen Volkes von dem fundamentalistischen Mullah-Regime, das nur durch soziale Rhetorik und Versprechungen an die Macht kam, nichts wissen will. Doch das geheuchelte Mitgefühl der entwickelten kapitalistischen Länder mit den iranischen DemonstrantInnen ist nichts wert. Wer hat denn den radikalen Islamismus salonfähig gemacht? Imperialistische Mächte wie die USA unterstützten und bauten gezielt islamistische Gruppen auf, um gegen die Sowjetunion zu kämpfen. Das waren nicht einmal irgendwelche Geheimprojekte. So schießt sich Sylvester Stallone beispielsweise im Kinohit "Rambo" Seite an Seite mit heldenhaften islamistischen Kämpfern durch Reihen feindlicher "Kommunisten". Nach dem Wegfall der Systemalternative hatten die USA jedoch keine Verwendung mehr für die Fundamentalisten und überließen sie sich selbst. Ironisch, aber logisch: Genau aus diesen Gruppen bildeten sich Organisationen wie die Taliban, die nun den Jihad gegen ihre einstigen Waffenlieferanten und Ausbilder führen. Auch Israel förderte gezielt fundamentalistische islamische Organisationen wie die Hamas, um der Palästinensischen Befreiungsfront den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die arabische Welt besteht also nicht, wie es uns westliche Medien weismachen wollen, von Natur aus aus religiösen FanatikerInnen, die sich und andere in ihrem Wahn in die Luft sprengen wollen.