Proteste gegen Bildungsmisere

Die Sektionen der ISA drücken international Bildungsprotesten ihren Stempel auf.
Lukas Kastner, internationalsocialist.net

Schon vor Corona stauten sich international in den verschiedenen Bildungssystemen massive Probleme auf. Egal welches Land – die Situation ist für die Beschäftigten ähnlich trist. Unterfinanzierung, unsichere Jobs, übermäßige administrative Arbeit außerhalb des Unterrichts und allgemein miese Arbeitsbedingungen gehören zum Alltag. Die Coronakrise hat die Probleme für alle sichtbar gemacht und nochmals verschärft. Doch anstatt zu reagieren, taten die Politiker*innen weltweit nichts. Einerseits wurde den Lehrkräften erklärt, wie wichtig sie nicht wären. Andererseits wurde ihnen gezeigt, dass sie den Herrschenden in der Realität nichts wert sind und dass Schulen im Kapitalismus lediglich Stätten zur Disziplinierung und Aufbewahrung von Kindern dienen (damit die Eltern Zeit haben, sich im Betrieb ausbeuten zu lassen). Diese Entwicklung führte sowohl zu viel Frust als auch zu neuem Selbstbewusstsein. Die Folge ist ein Trend an zunehmenden Protesten und Streiks.

Bereits im Sommer 2020 drohten die US-amerikanischen Lehrer*innen angesichts der Corona-Situation im Falle einer unsicheren Öffnung der Schulen mit Streik. Anfang 2021 stimmten 70% der Chicago Teachers Union (CTU) dafür, zuhause zu bleiben und notfalls auch zu streiken. Anfang dieses Jahres stimmten 73% für Kampfmaßnahmen für sicheren Unterricht. Dass die Proteste nicht erfolgreich waren, lag an der Sabotage der Gewerkschaftsbürokratie. Aktivist*innen unserer Schwesterorganisation Socialist Alternative (SA) unterstützten das Lehrpersonal und forderten, den Streik auf das ganze Land und verschiedene Branchen auszuweiten. Alle Kampfmaßnahmen sollten von Beschäftigten abgestimmt werden, wurde klargemacht.

In Britannien konnten Ende 2020/ Anfang 2021 die Öffnungspläne Boris Johnsons zurückgeschlagen werden, indem die Gewerkschaften National Education Union und UNISON die Lehrkräfte dazu aufriefen, zuhause zu bleiben. Auch hier sollten die Lehrer*innen ohne ausreichenden Corona-Schutz in die Schulen zurück. An einem online-Protesttreffen nahmen sogar 400.000 Menschen teil. Unterstützt wurde die Initiative auch von unserer britischen Schwesterorganisation Socialist Alternative, die forderte, dass sämtliche Öffnungsschritte von Beschäftigten, Schüler*innen und Eltern getroffen werden müssen. Doch auch Forderungen nach mehr Gehalt und allgemein besseren Arbeitsbedingungen werden immer populärer.

Bereits Anfang 2020 streikten irische Lehrkräfte für die gleiche Bezahlung neuer Kolleg*innen. Anfang März 2022 traten in Minneapolis (USA) 4.000 Lehrkräfte, die in der Gewerkschaft Minneapolis Federation of Teachers (MFT) organisiert sind, in den Streik. Gefordert werden ein Mindestgehalt von 31.633 Euro/Jahr für sogenannte Educational Support Professionals, mehr Mittel für den Umgang mit und die Prävention von psychischen Problemen, kleinere Klassengrößen und eine Lohnerhöhung um 20%. Täglich fanden Kundgebungen statt. Dass diese auch vor den großen Unternehmen abgehalten wurden, zeigt, dass die Kolleg*innen wissen, wo das Geld zu holen ist. Ein Streikkomitee mit 300 Mitgliedern wurde ins Leben gerufen. An den regelmäßig von Socialist Alternative organisierten Treffen nahmen zahlreiche Lehrer*innen teil. Aktivist*innen der Socialist Alternative sind u.a. im Betriebsrat vor Ort und der Streikorganisation an der Schule aktiv. Eine von Socialist Alternative und Lehrkräften ins Leben gerufene Petition fordert eine Fortführung des Streiks, bis über ein Verhandlungsergebnis abgestimmt wird, sowie die Einberufung von Treffen, um die nächsten Schritte zu besprechen.

Auch im französisch-sprachigen Teil Belgiens sind die Lehrer*innen kampfbereit. Am 10. Februar gingen mindestens 10.000 auf die Straße. Die Forderungen umfassten mehr Ressourcen, kleine Klassen und Unterrichtsstätten in gutem Zustand. Im Unterschied zu Minneapolis wurden die Aktionen jedoch nicht zum Streik ausgeweitet. Aus den Reihen der Beschäftigten wurde jedoch klar bemängelt, dass die Aktionen „zu nett“ wären. Unsere belgische Schwesterorganisation Linkse Socialistiche Partij (LSP)‎/Parti Socialiste de Lutte (PSL) forderte demokratische Versammlungen zur Planung weiterer Aktionen. Auf diesen hätten die Beschäftigten ihre Wut, ihre Kampfbereitschaft weiter zum Ausdruck bringen und gegen die Gewerkschaftsbürokratie effektivere Maßnahmen (d.h. einen Streik) durchsetzen können. Weitere Forderungen von LSP/PSL-Aktivist*innen sind die Beschränkung der Klassengrößen auf 15 Schüler*innen und eine große Einstellungsoffensive.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass gute freie Bildung für alle und Kapitalismus unvereinbar – aber Millionen bereit dafür zu kämpfen – sind. Die Diskussion darüber, wie und mit welchen Zielen diese Kämpfe geführt werden, ist wichtig – Aktivist*innen der ISA bringen sich mit einem sozialistischen Programm und kämpferischen Methoden ein, um einen Weg aufzuzeigen, wie diese Kämpfe nicht nur geführt, sondern gewonnen werden können.

 

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