Mi 13.07.2011
Wenn jemand bereits zu Lebzeiten als Gespenst gelten konnte, dann er: Otto Habsburg. Getrieben von der Überzeugung per Geburt für Höheres auserkoren zu sein, wollte er so gerne einmal als Player in der europäischen Politik gelten. In der Praxis ließ sich freilich gerade ein Häuflein Ewiggestriger von ihm etwas sagen – wie der versoffene Schriftsteller und Monarchist Joseph Roth, dem er angeblich einmal erfolgreich das Trinken verbat. Seine reale Bedeutungslosigkeit hinderte Otto freilich nicht daran, sich wahlweise als obersten Widerstandkämpfer gegen Hitler zu betrachten oder sich selbst den Fall des eisernen Vorhangs zuzuschreiben. Nicht unwesentlich unterstützt wurde dieser persönliche Größenwahn des kaiserlichen Gerippes durch die Kirche und konservative gesellschaftliche Kräfte. Dies sind freilich historisch betrachtet jene geistigen Strömungen die einst zu den Stützen der kaiserlich-königlichen Diktatur zählten und daher ein vitales Interesse an der nostalgischen Verklärung des Staates und Geschlechts der Habsburger besitzen. Doch bei nüchterner Betrachtung gibt es da wenig zu verklären.
„A failed state“ - Die Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Die Verbrechen und Kriege welche das Haus Habsburg über Jahrhunderte als führende katholische Großmacht zu verantworten hat, können hier nicht aufgezählt werden. Tatsache ist jedenfalls, dass mit den Bildern dieser fanatischen Glaubenskämpfe – Stichwort „Türkenbelagerung“ – bis heute (rechte) Politik gemacht wird. Aus heutiger Sicht zentral erscheint aber vielmehr, dass sich die Monarchie nach der gescheiterten Revolution 1848 von der Großmacht zum kranken Mann an der Donau entwickelte. Im europäischen Vergleich war dieser Staat nicht nur wirtschaftlich zunehmend rückständig. Auch dessen politisches System wurde einmal treffend als „Despotie gemildert durch Schlamperei“ bezeichnet. Große regionale Entwicklungsunterschiede und die Herrschaft deutscher (und ungarischer) Eliten befeuerten zudem die nationale Frage. Ein von Militaristen kontrollierter Staatsapparat setzte – obwohl ein Krieg nach dem anderen verloren ging – auf eine aggressive Politik, die sich zunehmend auf den Balkan als Feld für imperialistische Experimente konzentrierte. Genau hier sollte schließlich der erste Weltkrieg ausbrechen – ein Krieg der gerade auch von österreichischer Seite als totaler, als Vernichtungskrieg geführt wurde. (Legendär etwa der Einsatz von Giftgas an der Front unter Ottos Vater Karl im Jahre 1917.) Völlig zurecht ging dieser Staat 1918 unter. Und zwar nicht nur an seinen inneren Widersprüchen, die sich die westlichen Alliierten durch die Unterstützung neuer, verbündeter Nationalstaaten zu nutze machen konnten. Es war immerhin eine beginnende sozialistische Revolution die sich 1918 auch in Zentraleuropa ausbreitete, die sich gegen den Krieg und das System Habsburg richtete und beide Übel schließlich beendete.
Freund der Diktatoren – Ottos historischer Beitrag
Ebenso unangebracht wie jegliche Nostalgie gegenüber dem Staat der Habsburger, wäre die Verklärung Ottos zum Demokraten und Freiheitskämpfer. Otto Habsburg war Nutznießer und Unterstützer des austrofaschistischen Regimes 1934-1938, welches durch die Beseitigung der legalen ArbeiterInnenbewegung die Basis für den „Anschluss 1938“ legte. Er war der Freund verschiedener rechtsextremer Diktatoren und bekam nicht umsonst von Francesco Franco den spanischen Thron angeboten. Als Politiker und Abgeordneter der bayrischen CSU machte er sich gegen Frauenrechte stark. Als Zeitzeuge beschwor er auf Einladung der ÖVP den Mythos, dass Österreich 1938 lediglich ein Opfer gewesen wäre. In seinen letzten Lebensjahr engagierte sich der Erzherzog gegen Homosexuelle und gab rechtsextremen Zeitungen Interviews in denen er sich schon einmal über den Anteil der „Juden“ und „Schwarzen“ in der US-Administration beschwerte. Sein Erbe Karl geht demgegenüber nach einem Ausflug bei der ÖVP die Sache weniger politisch an: Er ist bisher vor allem als Quizmaster, Juwelenschmuggler und im Zusammenhang mit der Veruntreuung von Spendengeldern aufgefallen.
Feige Grüne
Doch muss das alles gerade jetzt gesagt werden? Ja - weil die wesentlichen politische Akteure bereits aktiv an Ottos Verklärung arbeiten. Nicht nur ÖVP und FPÖ feiern den Habsburgerspross ab. Auch Eva Glawitschnig ist sich nicht zu schade (eigene) historische Peinlichkeiten zum Thema Otto zum Besten zu geben: "Mit Otto Habsburg geht ein Teil österreichischer Geschichte. Die Jahrzehnte, in der er als politischer Mensch und Politiker tätig war, gehörten zu den herausforderndsten Phasen in Österreichs jüngerer Vergangenheit. Viele seine Reden haben auch Diskussionen ausgelöst. Uns bleibt besonders in Erinnerung, dass er gemeinsam mit dem ungarischen Staatsminister und Reformer Imre Pozsgay Schirmherr des 'Paneuropäischen Picknicks' war, in dessen Folge Hunderte DDR-Bürger nach Österreich flüchten konnten.“ Aus welcher – restaurativen - Motivation ein Otto Habsburg den Fall des eisernen Vorhangs wollte bleibt ausgespart. Ebenso wie die Tatsache dass – sicher ohne an Otto zu denken - in Polen die ArbeiterInnen damals bereits längst streikten und erst die Massendemonstrationen IN der DDR (und nicht die Flucht aus ihr) den Mauerfall brachten.
Lernens Geschichte Herr Faymann!
Im selben seltsamen Tonfall wie die Grünen-Chefin äußert sich schlussendlich Werner Faymann, der nicht nur Ottos angeblich demokratisches Engagement lobt, sondern auch seine „entschiedene Gegnerschaft zu Nationalsozialismus UND Faschismus (!!!)“ hervorhebt. Lernens Geschichte Herr Faymann! „Wenn es ums Land geht, bin ich zu jeglicher Sache bereit“ kommentierte nämlich Habsburg die Ereignisse 1933/34, also den Putsch der Austrofaschisten. Darüber, dass eine - allerdings noch anders verfasste – SPÖ gemeinsam mit dem ÖGB 1966 durch Massenstreiks Habsburgs Einreise verhindert hat, schweigt die SPÖ heute ebenfalls. Und Minister Darabos schickt sogar eine Ehrenkompanie des Bundesheeres zu Ottos Sarg. Nötig hätten die Habsburger diese öffentliche Subvention ihrer Begräbnisfeierlichkeiten freilich nicht: Ihr Vermögen – nicht zuletzt ausgedehnte Ländereien und Immobilien - wird auf mindestens 100 Millionen geschätzt. Insofern besitzt vielmehr die Forderung nach der Enteignung der Habsburger (1918) erstaunliche Aktualitätsgehalt.