Fr 18.05.2007
Am 8. Mai gab es in Stormont, außerhalb von Belfast, eine Vielzahl von Möglichkeiten für huldvolles Lächeln und Fotos, als die neue nordirische Regierung angelobt wurde – mit dem Anführer der Democratic Unionist Party (DUP), Ian Paisley, als Regierungschef und Martin McGuinness von der Sinn Fein als seinen Stellvertreter. Auch Tony Blair war anwesend und versuchte sich in all dem Lächeln und Händeschütteln zu sonnen in der Hoffnung, dass das die Geschichte milde stimmen würde; dass er als jener Premierminister in die Geschichte eingehen würde, der “Frieden” nach Nordirland gebracht hat und nicht als jemand, der dabei geholfen hat, das blutige Gemetzel in den Irak zu bringen.
Auch der „Taoiseach“ (der irische Premierminister) Bertie Ahern war anwesend, er orientierte sich aber wohl an unmittelbareren Dingen (den momentanen irischen Wahlen). Nur wenige Tage nach seiner Teilnahme in Stormont nutzte er eine Gelegenheit, sich mit Ian Paisley in der Nähe von Drogehda (in der irischen Republik) am Schlachtfeld der Battle of the Boyne (Ort einer Schlacht von 1690 während der Kriege unter William III, derer jedes Jahr von den protestantischen Oranier Orden gedacht wird) fotografieren zu lassen. Dann folgte die erste Rede eines irischen Taoiseach in der Geschichte vor einer gemeinsamen Sitzung von Ober- und Unterhaus des britischen Parlaments in Westminster – alles Schritte um die Chance für die Wiederwahl seiner Regierung am 24. Mai zum irischen Parlament, dem „Dail“ zu erhöhen.
Die Entscheidung von DUP und Sinn Fein die Macht nach Jahren von verschlungenen Verhandlungen gemeinsam auszuüben stellt eine signifikante Kehrtwende von beiden Parteien dar. Es ist noch gar nicht lange her, dass führende Mitglieder von Paisley’s DUP den ehemaligen IRA-Mann Martin McGuinness als den "Schlächter von Bogside" bezeichnet haben (Bogside ist ein katholischer ArbeiterInnenbezirk in Derry). Sinn Fein, wie auch große Teile der katholischen Gemeinde haben Paisley jahrzehntelang als einen urtypischen religiösen Eiferer und als einen der Hauptverantwortlichen für die „Troubles“ (die Konflikte zwischen KatholikInnen und ProtestantInnen, Anm.) angesehen.
Die politische Transformation von Sinn Fein
Dass ein Übereinkommen zwischen den alten Feinden überhaupt möglich geworden ist, ist mehr auf die politische Transformation, die an der Spitze von Sinn Fein stattgefunden hat zurückzuführen, als auf einen Gesinnungswechsel bei der DUP. Anfang der 1980er Jahre als Sinn Fein vor dem Hintergrund der Hungerstreiks von 1981 als wählbare Kraft entstand, hatten sie ein radikales Image präsentiert in dem sie ihren Nationalismus mit links klingender Rheotrik würzten: all das wurde längst über Bord geworfen. Die Führung von Sinn Fein hat die Idee des bewaffneten Kampfes längst aufgegeben, die IRA hat ihre Waffen abgegeben und vor kurzem hat Sinn Fein ihre Unterstützung für die Polizei erklärt. Im Norden sind sie nun in einer Regierung mit Paisley und im Süden brennen sie darauf, mit Bertie Ahern in die Regierung zu gehen. Ihre ursprüngliche Forderung nach einer Erhöhung der Unternehmenssteuern im Süden haben sie im Zuge des laufenden Wahlkampfes fallen gelassen als Zeichen an Fianna Fail (die wichtigste bürgerliche Partei der aktuellen irischen Regierung) und die KapitalistInnen im Süden dass sie für einen Regierungseintritt bereit sind.
Die Tatsache, dass die jene zwei Parteien in Nordirland, die am stärksten für eine harte Linie stehen, nun gemeinsam die Regierung bilden, bedeutet auch, das es wenig oder gar keine parlamentarische Opposition zum neuen Übereinkommen gibt. Das bedeutet, dass die neue Regierung für eine gewisse Periode überleben kann. Aber eine Galgenfrist die auf einer „Politik des Lächelns“ und nicht viel darüber hinaus beruht, kann nicht ewig halten. Die Wahrheit ist, dass hinter diesem Pakt an der Spitze, Nordirland so polarisiert entlang von sektiererischen Bruchlinien bleibt, wie es war. Es gibt keine inhaltliche, keine Willenseinigung in Bezug auf die Nationale Frage oder diverse umstrittene Punkte, die regelmäßig daraus resultieren.
Paisley rechtfertigt die neue Regierung damit, dass die „Kastration“ von Sinn Fein die Union mit Britannien sicher macht. Gleichzeitig versucht Sinn Fein ihre UnterstützerInnen davon zu überzeugen, dass, wenn Sinn Fein MinisterInnen im Norden und im Süden hat, dass irgendwie ein Schritt auf dem Weg zu einem vereinigten Irland ist.
Opposition gegen die sektiererischen Parteien
Sowohl Sinn Fein als auch die DUP haben ein starkes Interesse daran, dass die Gesellschaft – und speziell die ArbeiterInnenklasse – strikt entlang von sektiererischen Linien gespalten bleibt.Die Tatsache, dass sie übereingekommen sind die Macht zu teilen, was nichts anderes bedeutet, als die sektiererische Ausbeute der Ämter unter sich aufzuteilen, wird nichts dazu beitragen, die Spaltung zu überwinden. Früher oder später wird das Lächeln abklingen und die alten Spaltungen werden wieder auftauchen.
Der eine Punkt in dem es wahrscheinlich eine tatsächliche Einheit zwischen allen etablierten Parteien geben wird, ist in bezug auf ihre Wirtschaftspolitik. Ein Regierungskomitee unter Einbeziehung aller Parteien hat sich bereits auf ein Programm im Interesse der KapitalistInnen geeinigt – mit Steuerkürzungen und Subventionen an die Privatwirtschaft neben Privatisierung und Angriffen auf den Öffentlichen Dienst. Das Parlament hat zwar zugestimmt, die Wassergebühren zu „überprüfen“ aber der verantwortliche Minister, Conor Murphy von Sinn Fein, wird wahrscheinlich die Einführung der Gebühren in irgendeiner Form für das nächste Jahr vorschlagen (die Wassergebühren bedeuten eine enorme Verschlechterung für ArbeiterInnen und es gibt dagegen aus der ArbeiterInnenklasse, unter Beteiligung der Socialist Party, der irischen Sektion des CWI, eine Kampagne, Anm.).
Es gibt keinen Zweifel daran, dass – vielleicht sogar sehr rasch – Opposition gegen die neu gebildete Regierung an die Oberfläche kommen wird. Aber es ist nicht von vorneherein gesagt, dass diese Opposition v.a. von sektiererischen DissidentInnen von beiden Seiten getragen sein wird. Themen wie die Wassergebühren und Privatsierung können auch zu gemeinsamem Widerstand aus der ArbeiterInnenklassse, katholische und protestantische, führen. Die Tatsache, dass regionale Parteien nicht mehr den Luxus von permanenter Opposition haben kann die Möglichkeiten für den Aufbau einer vereinigten ArbeiterInnenbewegung schaffen, die die Basis für einen wirklichen Ausweg legen kann.