Mo 12.11.2007
Seit der türkischen Einmarschdrohung in den Nordirak gehen auch bei uns die Emotionen hoch. Immer wieder berichten die Medien über Schlägereien zwischen TürkInnen und KurdInnen. Die SLP verteidigt das Selbstbestimmungsrecht der KurdInnen und tritt gegen einen türkischen Angriff auf den Nordirak ein. Die SLP ist gegen nationalen Chauvinismus und für den gemeinsamen Kampf von türkischen und kurdischen ArbeiterInnen gegen die türkische Regierung und die türkischen Militärs.
Solidarität statt Nationalismus und Kriegshetze!
KurdInnen und TürkInnen in Österreich haben sehr ähnliche Probleme. Dem Hausherrn eines Abbruchhauses ist es egal, ob seine Horrormieten von KurdInnen oder TürkInnen bezahlt werden. Dem Besitzer eine Baufirma, der auf „Schwarzarbeit“ durch Subfirmen umsteigt, ist es egal, ob er kurdische oder türkische ArbeiterInnen entlässt. Eine türkische Billaverkäuferin hat mit eine kurdischen Kollegin viel mehr gemeinsam, als mit einem türkischen General oder einem österreichischen Großunternehmer! Wenn sich TürkInnen und KurdInnen streiten werden die Sozialabbauer und Rassisten die lachenden Dritten sein. Der Kampf TürkInnen gegen KurdInnen hilft der türkischen Regierung und der türkischen Rechten.
Die „Probleme-Macher“ sind doch nicht die türkischen oder kurdischen Nachbarn, die ArbeitskollegInnen oder die MitschülerInnen! Wir fragen: Was macht tatsächlich Probleme: Keine Lehrstelle, schlechte Bezahlung und dazu der Rassismus. Oder KurdInnen die ihre Sprache sprechen wollen?
Wer sind die tatsächlichen Feinde? Die FPÖ, die Nazis und rechte Hetzer die gegen religiöse und soziale Rechte von allen MigrantInnen in Österreich vorgehen. Oder ein Volk das seine demokratischen Rechte will?
Statt sich von den Nationalisten aufhetzten zu lassen ist ein gemeinsamer Kampf von TürkInnen und KurdInnen für gute Ausbildung, gute Bezahlung und leistbare Wohnungen notwendig.
Die SLP ist eine junge Partei unabhängig vom „großen Geld“ und der „großen Politik“. Wir wollen gemeinsam gegen Sozialabbau und Rassismus kämpfen – unabhängig von der nationalen und religiösen Herkunft!
Wer profitiert vom Krieg im kurdischen Nordirak/irakischen Kurdistan?
Der kurdische Nordirak ist reich an Erdöl und anderen Bodenschätzen. Deswegen hat die irakische Regierung ein vitales Interesse an der Region. Die türkische Regierung, die seit Jahrzehnten die Rechte der KurdInnen mit Füssen tritt und brutal gegen sie vorgeht, will diesen Krieg, weil sie in einem kurdischen autonomen Gebiet eine Gefahr sieht. Sie will von den sozialen Problemen in der Türkei ablenken, ihren Einfluss in der Region stärken und steht unter dem Druck des türkischen Militärs. Der türkische Nationalismus wird auch eingesetzt, um von der Vorherrschaft des US-Imperialismus in der türkischen Politik abzulenken.
Was bedeutet es, wenn der Krieg kommt? KleinbäuerInnen und ArbeiterInnen werden die Zeche zahlen. Die reichen TürkInnen werden Wege finden, sich vom Kriegseinsatz zu drücken. Die Opfer werden junge Türken und Kurden aus ArbeiterInnenfamilien sein. Was bringt der türkische Nationalismus wenn die ersten Särge kommen?
Die SLP ist Teil des „Komitees für eine ArbeiterInneninternationale“. Weltweit kämpfen wir für eine Welt ohne Krieg, Rassismus und Ausbeutung.
Nein zur FPÖ-Hetze - volle politische Rechte für MigrantInnen!
Die FPÖ hat bereits begonnen, gegen die kurdischen und türkischen Demonstrationen zu hetzten. Sie will TürkInnen und KurdInnen in ihren demokratischen Rechten einschränken. Die FPÖ versucht die Situation zu nutzen, um Ängste gegen TürkInnen und KurdInnen zu schüren - dagegen ist gemeinsamer Widerstand nötig.
Die SLP ist seit Jahren gegen die FPÖ aktiv. Wir fordern nicht nur volle soziale, sondern auch volle demokratische Rechte für alle hier lebenden Menschen. Das bedeutet selbstverständlich auch das Recht für MigrantInnen und AsylwerberInnen, sich politisch zu betätigen.
Der US-Imperialismus kann dem kurdischen Volk keine Lösung bieten
Seit dem Golfkrieg 1991 steht der kurdische Nordirak unter Schirmherrschaft der US-Armee. Dieser Landesteil wird selbst von der US-Führung als „Kurdistan“ bezeichnet. Viele KurdInnen empfinden diese Situation als Fortschritt gegenüber der Hussein–Diktatur. Es gibt seit 16 Jahren (erstmalig in der kurdischen Geschichte) ein Gebiet mit in weiten Teilen kurdischer Verwaltung, kurdischer Sprache, kurdischen Schulen, Polizei, usw.
Der Nordirak war immer eine Operationsbasis für die PKK und andere kurdische Organisationen. Weniger die PKK, mehr die Existenz einer Art „freien Kurdistans“ an sich ist für die türkische Regierung ein Problem. Das Gebiet hat außerdem reiche Erdölvorkommen und ist wirtschaftlich attraktiv. Darauf möchte weder die US-Regierung, noch die irakische Marionettenregierung verzichten. Auch diese Interessen stehen einem wirklich freien Kurdistan entgegen.
Die Situation zeigt die Sackgasse des Imperialismus auf. Einerseits sind die KurdInnen im Nordirak wahrscheinlich der einzige (bis jetzt) loyale Bündnispartner in der Region. Zum anderen ist die US-Regierung auf die Türkei angewiesen und möchte auch die kurdische Befreiungsbewegung im Iran nicht komplett fallen lassen. Das Dilemma zeigt sich schon an der Tatsache, dass die Verwendung des Wortes „Kurdistan“ durch die US-Außenministerin Rice für einen Eklat in der Türkei sorgte.
Türkischer Angriff würde gesamte Region massiv erschüttern.
Ein Einmarsch der türkischen Armee in den Nordirak könnte auch ein Ende des Irak bedeuten. Sowohl im sunnitischen als auch im schiitischen Teil des Landes ist die Bereitschaft zur Verteidigung der kurdischen Gebiete relativ gering ist. Die schiitischen Milizen und Parteien würden nichts unternehmen, was die Stabilität des Iran und die Zusammenarbeit mit Iran und Türkei gefährden würde. Andererseits könnte ein Angriff auch zu bewaffnete Aktionen in Iran und Syrien hervorrufen. Und in der Türkei selbst könnte es in den kurdischen Gebieten zu einem bürgerkriegsähnlichen Zustand kommen.
Wie kann das Selbstbestimmungsrecht der KurdInnen erkämpft werden?
Im Visier der türkischen Militärs steht die PKK. Aber die PKK kann die KurdInnen in der Türkei kaum schützten. Sie versteht sich als nationale Befreiungsorganisation, von ihren linken Ansätzen ist, insbesondere nach dem Zusammenbruch des Stalinismus, nicht mehr viel übrig.
Als MarxistInnen verteidigen wir das Recht auf nationale Selbstbestimmung. Dazu gehört auch das Recht einer Massenbewegung auf bewaffneten Widerstand gegen militärische Unterdrückung. Keine imperialistische Macht hat das Recht, die PKK und ihrer KämpferInnen dafür als „terroristisch“ zu brandmarken. Wir verteidigen den Kampf der KurdInnen, nehmen uns aber auch das Recht, die Politik der PKK kritisch zu bilanzieren. Was hat die militärische Orientierung gebracht?
Im „nationale Befreiungskampf“ sollen kurdische Unternehmer, Großbauern und Stammesfürsten mit kurdischen ArbeiterInnen vereint werden. Um das zu schaffen, mussten alle sozialistischen Ansätze verschwinden.
Der „Befreiungskampf“ wurde auf eine reine militärische Auseinadersetzung mit dem türkischen Staat reduziert. Obwohl tausende KurdInnen in den großen türkischeen Industriezentren arbeiten, gab es keine Versuche, gemeinsame Kämpfe von kurdischen und türkischen ArbeiterInnen für bessere Lebensbedingungen zu organisieren. Die individuellen Terrorakte mit zivilen türkischen Opfern haben die Solidarität zwischen türkischen und kurdischen ArbeiterInnen extrem erschwert und es dem türkischen Chauvinismus leicht gemacht.
Öcalans Verhaftung stürzte PKK in die Krise
Im Zuge der militärischen Auseinandersetzung wurde die PKK immer autoritärer und obskurer organisiert. Durch die Verhaftung von Abdullah Öcalan kam die Krise zum Ausbruch. Ohne sozialistisches Konzept und Führung brach der Kampf der PKK zumindest vorübergehend in sich zusammen. Die extrem hohe Opferbereitschaft tausender KurdInnen war tragischerweise vergebens. Die restliche PKK-Führung setzte auf eine Anerkennung durch die EU und Öcalan rief vor dem türkischen Gericht auf, den bewaffneten Kampf einzustellen.
Der Rückzug der PKK, und ihre extrem auf die Person Öcalan zugeschnittene Führung hinterließ ein großes politisches Vakuum. Denn obwohl die PKK und ihre Vorfeldorganisationen nach wie vor eine gewisse Unterstützung haben, haben sich doch auch viele KurdInnen enttäuscht zurückgezogen. Der Großteil der türkischen KurdInen war orientierungslos. Ein kleiner Teil unterstütze die individuellen Terrorakte von Splittergruppen, ein anderer Teil die verschieden „legalen“ kurdischen Parteien. Viele lokale Kapitalisten und ihre AnhängerInnen setzten auf Entspannung durch lokalen Handel. Viele KurdInnen hoffen auf die USA bzw. die EU. Viele wählten bei der letzten Wahl die AKP, als „Antikemalistische Alternative“ oder bürgerliche Parteien mit kurdischen KandidatInnen.
Wie geht’s weiter
Ein türkischer Angriff würde zu einem radikalen Meinungsumschwung gegen die USA unter der kurdischen Bevölkerung des Nordiraks führen. Viele KurdInnen wären – trotz aller Kritik an der PKK - nicht bereit, sie als „Bauernopfer“ auszuliefern. Die Aussage eines kurdischen Politikers, er würde nicht einmal „eine kurdische Katze“ ausliefern, trifft wohl den Nerv viele KurdInnen. Aber der Nordirak ist nicht frei von sozialen Spannungen. Die nordirakische KurdInnenführung ist keine Befreiungsbewegung sondern eine bürgerliche Politikerelite, die vor allem an ihren sozialen Privilegien interessiert ist. 2006 gab es einige Streiks mit Verhaftungen. Die kurdischen Spitzenpolitiker könnten sich mit einem „Bauernopfer PKK“ abfinden um die Privilegien zu erhalten. Ein Großteil des kurdischen Volks würde eine Auslieferung von PKK-Kämpfern an die Türkei oder die USA als Verrat am Befreiungskampf sehen. Bei einer PKK-Auslieferung könnte es zu einem offenen Konflikt kommen. Bei einem türkischen Angriff könnte die Spaltung zwischen kurdischer Regierung und kurdischem Volk zwar noch gekittet werden, längerfristig gesehen würden die unterschiedlichen sozialen Interessen aber verstärkt aufbrechen.
Wir stehen für:
- gegen jeden Einmarsch der türkischen Arme in den kurdischen Nordirak
- fremde Truppen raus aus dem Irak
- Gegen jede Auslieferung von KurdInnen an den türkischen Staat.
- Schluss mit der Vorherrschaft der USA und der Türkei über kurdische Gebiete
- Gegen Armut, Arbeitslosigkeit, die Politik der Privatisierungen und der Ungleichheit.
- Gegen die Vorenthaltung demokratischer Rechte und Freiheiten, für wirkliche Demokratie, für politische und gewerkschaftliche Freiheiten.
- Gemeinsamer Kampf aller kurdischen, türkischen und arabischen ArbeiterInnen gegen das soziale Elend, Krieg, US-Besatzung und den türkischen Militarismus
- Gemeinsamer Kampf aller Völker im Nordirak für echte Selbstbestimmung
- Gemeinsamer Kampf für die Verstaatlichung der Öl-Förderung und internationale Konzerne unter ArbeiterInnenselbstverwaltung – zum Wohle der Völker der Region
- Für eine freies sozialistisches Kurdistan als Teil einer sozialistischen Föderation in der Region.