Nein zum SWÖ-KV-Abschluss 2018!

Stellungnahme der Basisinitiative Sozial aber nicht blöd zum Abschluss

 

Wären die Streiks weitergegangen, hätten wir gemeinsam viel mehr erreichen können!

Tausende ArbeitnehmerInnen im Sozialbereich und in der Pflege sind zornig und enttäuscht. Dieser Abschluss ist keine Verbesserung. Löhne und Gehälter bleiben niedrig. Bei der Arbeitszeit ist so gut wie nichts passiert. Der Angriff auf die Ruhezeiten ist gesundheitsgefährdend. Die Verbesserungen in der Pflege sind positiv, aber unzureichend. Mit Streiks wäre mehr drinnen gewesen. Positiv bleibt, was davor passiert ist. Wir haben gezeigt, dass wir streiken können. Im streikarmen Österreich ist das viel. Wir AktivistInnen von „Sozial, aber nicht blöd“ wollen diese Erfahrungen nutzen. Wir haben in den letzten Wochen viel dazu gelernt und mit unzähligen KollegInnen sehr gut zusammengearbeitet. Gemeinsam mit vielen anderen kämpferischen KollegInnen wollen wir so stark werden, dass wir uns solche Abschlüsse nicht mehr gefallen lassen müssen.

Wie es zu den Streiks kam. Auch im Sozialbereich haben ArbeitnehmerInnen und Unternehmer unterschiedliche Interessen...

Was ist bei uns Beschäftigten passiert? In den letzten 10 Jahren hat sich der Sozial-und Pflegebereich verändert. Gute Arbeit braucht gute Arbeitsbedingungen. Wir Menschen im Sozialbereich wollen immer noch, dass es unseren KlientInnen gut geht, aber immer mehr KollegInnen erkennen, wie wichtig es dafür ist, dass es auch ihnen gut geht. Die rasant gestiegenen Lebenserhaltungskosten lassen einen spüren, welche Armutsfalle der Sozialbereich geworden ist. Dazu kommt: Das Stichwort „Burnout“ ist in aller Munde. Aber wer tut was gegen die Ursachen von Burnout? Ein Engagement gegen die immer schlimmer werdende Arbeitszeitflexibilisierung und für eine echte Arbeitszeitverkürzung ist vielen KollegInnen wichtig geworden. Die schlechte Bezahlung und die Einkommensschere zu Einkommen in anderen Arbeitsfeldern haben viele kampfbereit gemacht. Dazu kommt: Die Debatte um die Pflege, die erfolgreichen Bewegungen in Landes -und Gemeindespitälern in Salzburg, Kärnten und teilweise Wien (etwa durch die Basisinitative „CARE-Revolution) haben auch den SWÖ-Pflegebereich zum Kämpfen aufgerüttelt.

Und was war bei den Arbeitgebern?

Auch wenn SWÖ-Chef Fenninger gerne links außen blinkt und auf Demos auftritt, den Rückenwind der neuen Bundesregierung haben die Arbeitgeber gerne genommen. 12-Stunden-Tag und Arbeitszeitflexibilisierung brachten Druck für die Arbeitgeber von blauschwarz. Aber nicht nur von Blau-Schwarz gab es Rückenwind: Auch die zahlreichen Kürzungsankündigungen auf Landesebene halfen den Arbeitgebern. Im „rot“-grünen Wien kündigte der Geschäftsführer des FSW, Peter Hacker, an, die Förderungen für die Sozialvereine nur mit 1% zu erhöhen. Auch das half den Arbeitgebern, mit dem Pseudoargument: Wir kriegen ja selber kein Geld und können Euch daher nichts gebenin die Verhandlungen zu gehen. Auch wenn es viele von uns überrascht hat, es war nicht unlogisch, dass diese Interessensgegensätze aufeinander prallten.

 

„Lieber Streik als schlechter Abschluss“

dachten sich zu Jahreswechsel schon viele KollegInnen. Diesmal wollten viele mehr als eine Demonstration im Jänner. „Sozial, aber nicht blöd“ griff diese Stimmung auf. Mit den entsprechenden Slogans auf Kundgebungen, Demos und im Internet. Mit dem Angebot nach Workshops für Kundgebungen und Streiks, und mit Aktionen. Bei der Wiener Demonstration am 24.1. und beim Aktionstag am 30.1 war die kämpferische Stimmung spürbar. Als am 31.1. die Verhandlungen ergebnislos verliefen, wurden die ersten Streikbeschlüsse gefasst, Streikkomitees gewählt und die Gewerkschaften starteten Streikschulungen. Schon diese Phase brachte eine große Politisierung. Als am 12.2. die Verhandlungen abgebrochen wurden, zeigte sich, wie wichtig die Vorbereitung die Wochen davor war. Dort, wo verschiedene kämpferische KollegInnen sich zusammen schlossen, waren die Durchführung der Streiks besonders erfolgreich. Weil wir im Sozialbereich größtenteils keinen Profit produzieren, ist die Öffentlichkeit so wichtig. Diese wurde aber von der Gewerkschaftsspitze hintangehalten. Auf den Streikschulungen wurde fälschlicherweise vielen KollegInnen erzählt, es sei nicht erlaubt, bei einem Streik die Betriebe zu verlassen. Eigene öffentliche Aktionen gab es kaum, zudem wenig Medienarbeit. Der weitgehende Boykott der bürgerlichen Medien tat sein Übriges. Viele KollegInnen waren von der geringen öffentlichen Wahrnehmung der Streiks enttäuscht. AktivistInnen von „sozial, aber nicht blöd“ versuchten daher schon bei den ersten Warnstreiks, die Öffentlichkeit zu erreichen. Etwa mit der Versammlung und der öffentlichen Aktion in der Wiener AK durch die KollegInnen von der Wiener Kinder- und Jugendbetreuung oder das Mitgestalten der Aktion beim Wiener Samariterbund. Der Frust über mangelnde Öffentlichkeit führte bei vielen KollegInnen dazu, sich den Angeboten, die es bei den zweiten Streiks gegeben hätte, anzuschließen. Die öffentliche Streikkundgebung, organisiert vom Streikkomitee der KollegInnen der Wiener Kinder und Jugendbetreuung, für Dienstag den 27.2. wurde von vielen KollegInnen aufgegriffen. Viele Belegschaften (etwa von promente Wien oder dem ASB-WSD) hätten sich der Versammlung angeschlossen. Viele Sozialbereichs-KollegInnen und viele solidarische Menschen wären in ihrer Freizeit zu der Aktion gekommen. Die Aktion hätte sehr groß werden können. Am Mittwoch, den 28.2. hätten viele KollegInnen des Behindertenbereichs gestreikt, da wäre es auch hier zu öffentlichen Aktionen gekommen. Auch in Linz und anderen Städten in Österreich hätte es öffentliche Aktionen gegeben. Es war ein großer Fehler der verhandelnden Gewerkschaften GPA-DjP und VIDA, nicht auf diese öffentlichen Aktionen zu setzen. Wäre dies passiert, wären wir wahrscheinlich nicht mit einem Mini-Abschluss von 2,5%-Lohn- und Gehaltserhöhung konfrontiert.

 

Was bedeutet das Ergebnis?

2,5 % Lohn- und Gehaltserhöhung ist für die meisten von uns ein Festschreiben der schlechten Löhne und Gehälter. Bestürzend ist, dass es so gut wie keine Verbesserungen bezüglich der Arbeitszeiten gab. Die Vorziehung eines Urlaubstags mehr - statt ab 10 schon ab 5 Jahren Dienst in einer Firma und Verbesserungen bei den Mehrstunden für Teilzeitkräfte sind kleine, aber wichtige Verbesserungen. Leider gibt es aber bis jetzt die Möglichkeit, per Betriebsvereinbarung die Ruhezeiten in bestimmten Fällen zu verkürzen. Ein Angriff auf die Gesundheit, vor allem die Gesundheit von KollegInnen, die regelmäßig Nachtdienst machen müssen.

Positiv sind die Verbesserungen in der Pflege, sie wären ohne Rückenwind vergangener Pflegeproteste und der Warnstreiks nicht möglich gewesen. Schlimm ist die Tatsache, keine Verbesserungen für Heimhilfen erreicht zu haben. Es ist zynisch, wenn von manchen VerhandlerInnen behauptet wird, Heimhilfe-Tätigkeit wäre keine Pflege. Jeder in der mobilen Pflege weiß, dass die Pflege zu Hause ohne die Arbeit der Heimhilfen nicht möglich wäre. Heimhilfe-Arbeit ist körperliche und psychische Schwerstarbeit, trotzdem bleiben die Kolleginnen (fast 100% Frauen) in der Armutsfalle stecken. Unterm Strich ist dieser Abschluss abzulehnen.

 

„Sozial, aber nicht blöd“ bedankt sich bei allen 8 Gegenstimmen. Eine Urabstimmung wäre jetzt das Richtige.

Die Gegenstimmen zum Abschluss vertreten österreichweit tausende KollegInnen. Auch aus den Betrieben, deren Betriebsratsvorsitzende dem Abschluss zugestimmt haben, gibt es viel Wut und Gegenstimmen; besonders in der Pflege. Die aktuelle Situation unterstreicht die Notwendigkeit einer Urabstimmung. Es geht um unser Geld und unsere Arbeitszeit. Die Warnstreiks waren unser Risiko. Daher sollte es nach einer ausführlichen Diskussion in den Betrieben die Möglichkeit geben, sich in einer Urabstimmung für den Abschluss oder dagegen und für weitere Streiks zu entscheiden.

KV-Verhandlerin Selma Schacht, Betriebsratsvorsitzende beim Verein Kinder und Jugendbetreuung, Wiener Arbeiterkammerätin der Gewerkschaftsinitiative Komintern, und Aktivistin von „Sozial, aber nicht blöd“ erklärte noch in der Nacht des Abschlusses:

„Ich habe aufgrund des viel zu niedrigen Prozentsatzes und der kompletten Niederlage bei der Arbeitszeitverkürzung gegen diesen Abschluss und für weitere Maßnahmen gestimmt. Ich bin zornig wegen der Blockadehaltung der Arbeitgeber und zornig über die kompromisslerische Haltung vieler Betriebsräte. Der Warnstreik hat gezeigt: Viele KollegInnen sind bereit, für ihre Interessen zu kämpfen!“

Komintern führt in einer ersten Stellungnahme weiter aus: "Vor diesem Hintergrund hätte es gegolten, den Streikkampf flächendeckender und über einen längeren Stundenzeitraum auszudehnen, zu verschärfen, aktiv aus den Einrichtungen auf die Straße zu tragen und auch die an den SWÖ-KV angelehnten Bereiche (Caritas, Diakonie usw.) aktiver einzubeziehen, um die Blockadehaltung der Arbeitgeber aufzubrechen.
Stattdessen setzte sich auf Seiten der engeren Gewerkschaftsführung und – verhandlerInnen wieder das sattsam bekannte sozialpartnerschaftliche Zaudern und Kleinbeigeben durch." Auch die KollegInnen der AUGE-UG und des GLB stimmten gegen den Abschluss. Der GLB verlangt außerdem ebenfalls eine Urabstimmung zum KV-Abschluss.

Viele BetriebsrätInnen, viele KollegInnen in den Betrieben, Gruppen wie die : Gewerkschaftsinitiative und AK-Fraktio, Komintern, die SozialarbeiterInnengruppe KNAST, GLB, AUGE-UG, die Sozialistische LinksPartei - SLP, und andere, haben in den letzten Wochen wichtige Beiträge zur Streikbewegung geleistet. „Sozial, aber nicht blöd“ geht gestärkt aus der Streikbewegung hervor. „Die Beteiligung von streikenden KollegInnen an verschiedenen Kundgebungen vn –„Sozial, aber nicht blöd“ und die gute Zusammenarbeit von „Sozial, aber nicht blöd“ – AktivistInnen mit anderen kämpferischen KollegInnen in verschiedenen Betrieben hat uns geholfen, die Streikbewegung zu dynamisieren, darauf können wir jetzt auch bei anderen Protesten aufbauen“ meint Michael Gehmacher, Flüchtlingsbetreuer, Mitglied der Streikkoordination beim Samariterbund und Aktivist von „Sozial, aber nicht blöd“. Gemeinsam mit den vielen wütenden KollegInnen in den Betrieben, den aktiven BetriebsrätInnen und Gruppen wollen wir in Betrieben, Gewerkschaften, in den Ausbildungsstätten und auf der Straße eine kämpferische Bewegung aufbauen. Angesichts der Angriffe der Bundesregierung, der weiteren Kündigungen im Wiener Flüchtlingsbereich und vieler andere Angrife, werden wir die gewonnenen Erfahrungen schon bald nützen können. Wir werden verstärkt versuchen, den Widerstand von KollegInnen, den es heute schon in unterschiedlichen Bereichen gibt, zu unterstützen.

Wir laden dazu alle, die etwas tun wollen zur Mitarbeit ein. Wir wollen tatsächliche Verbesserungen im Sozialbereich und in der Pflege durchzusetzen. Die Streiks haben gezeigt, dass das möglich ist. Schlechte Abschlüsse wie den SWÖ-KV-Abschluss 2018 wollen wir in Zukunft verhindern. Bald wird es die nächsten Aktionen geben. Wir laden Dich ein, mitzumachen. Lerne uns bei Veranstaltungen kennen, mach Workshops, Aktionen und Veranstaltungen im Betrieb, wir stehen Dir dabei mit Rat und Tat zur Seite! Hilf uns mit Infos und Kommentaren aus Deinem Arbeitsbereich. Gemeinsam können wir viele Verbesserungen durchsetzen!