Nearshoring: Regional statt Global?

Auch im kleinen Rahmen können die Widersprüche des globalen Kapitalismus nicht gelöst werden
Stefan Brandl

Der Welthandel ist aus kapitalistischer Sicht zunehmend unsicher. Lieferprobleme, Zölle und Machtkämpfe sind Risikofaktoren und so wird versucht, das Spiel regional fortzusetzen (= ”Nearshoring”): Abhängigkeitsketten sollen verkürzt werden, die Produktion wird heim bzw. ins “nächstbeste” Ausland mit niedrigerem Lohnniveau verlegt: In Europa ist das v.a. der Balkan (vor allem IT und Software), in den Amerikas Südamerika, in Asien der Pazifik und Polynesien.

Die regionalen Imperialismen verstärken ihre Kontrolle über ökonomisch schwächere Nachbarländer, erhöhen den Druck auf Regierungen oder versuchen, diese durch Handelsverträge direkt zu kontrollieren. Österreich vergrößert seinen Einfluss vor allem am Balkan im Bau- und Bankenwesen weiter. Der Leak der Pandora-Papers weist auf das Tourismusprojekt “Bigova Bay” in Montenegro hin: Finanziert über Kredite der Hypo Alpe-Adria, nach dem Konkurs wurden die Schulden verstaatlicht. 

Als quasi Statthalter war das Amt des Hohen Repräsentanten in Bosnien bis vor kurzem in österreichischer Hand und militärisch hat die Region Priorität fürs Bundesheer. Dort geraten verschiedene Imperialismen unausweichlich aneinander: China will die “Belt and Road”-Initiative über den Balkan nach Europa bringen, Russland will den Balkan als Puffer gegen den EU-Block einsetzen. Das Zurückhalten von Lieferungen oder Kontrollieren von Häfen ist nur das Vorspiel zu Konflikten, bei denen das österreichische Kapital nicht außen vor bleiben kann. 

 

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