Sa 05.01.2008
Türkische Flieger und Artillerie greifen Stellungen der kurdischen Guerilla im Nordirak an. In der Türkei machen das Militär und die Ultra-Nationalisten von der MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) mobil. Der im Parlament vertretenen kurdischen Partei DTP droht das Verbot.
Die Büros und Mitglieder der DTP werden von türkischen Nationalisten attackiert. Es droht die Ausweitung des Krieges auf den Nordirak, bewaffnete Auseinandersetzungen in den kurdischen Städten und eine Vertiefung der nationalen Spaltung in der Türkei.
Dem türkischen Staat geht es nicht hauptsächlich um die Ausschaltung der kurdischen Guerilla. Hinter den Angriffen und Drohungen gegen den Nordirak steckt die Angst der herrschenden Klasse in der Türkei vor dem kurdischen Autonomie-Gebiet. Wenn dieses durch den Anschluss der Ölregion Kirkuk eine wirtschaftliche Basis erhält, wird auch unter KurdInnen in der Türkei der Ruf nach Unabhängigkeit und einem kurdischen Staat lauter werden.
Differenzen unter den Herrschenden
Die USA werden durch das türkische Vorgehen in eine prekäre Situation gebracht. Sie bauen bisher auf die kurdischen Führer Barzani und Talabani. Im Gegenzug für ihre Unterstützung der US-Besatzung haben die irakischen Kurden-Führer freie Hand in ihrem Gebiet. Käme es zu einem türkischen Einmarsch, würde mit Irakisch-Kurdistan die letzte halbwegs funktionierende Region im Irak destabilisiert.
Die herrschende Klasse in der Türkei ist nicht einig. Die Regierung der gemäßigt-islamischen AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) hat in den letzten Jahren die Repression in den Kurden-Gebieten etwas gelockert. Regierungschef Erdogan schließt nicht aus, den Guerilla-Kämpfern eine Amnestie anzubieten. Weil viele Menschen auf solch einen Kompromiss hoffen, konnte die AKP gerade in den kurdischen Gebieten bei den Parlamentswahlen im Juli 2007 zulegen.
Allerdings lehnt auch die AKP das Selbstbestimmungsrecht der Kurden ab und will einen kurdischen Staat im Nordirak verhindern. Diese Haltung und der Druck der nationalistischen Kräfte haben die AKP-Regierung dazu gebracht, den Einmarsch in den Nordirak und die Bombardierung kurdischer Stellungen im Nachbarland zu genehmigen.
Während die MHP-Faschisten und Teile des Militärs bereit wären, mit voller Wucht gegen die KurdInnen im Nordirak vorzugehen und einen Streit mit den USA zu riskieren, ist davon auszugehen, dass Erdogan versucht, den Druck auf die PKK und die Autonomie-Regierung zu verstärken, aber gleichzeitig einen Kompromiss mit den USA zu erreichen.
Auf der Grundlage der anhaltenden Repression und Unterentwicklung werden die Spannungen in Türkisch-Kurdistan zunehmen, selbst, wenn es in den nächsten Monaten nicht zu einem massiven türkischen Einmarsch in den Nordirak kommen sollte. Die nationalistischen Gewalt-Attacken auf KurdInnen und die rassistische Propaganda der MHP-Faschisten geben einen Vorgeschmack auf die Gefahren einer Eskalation in der Türkei.