Di 13.12.2011
Am 1.Oktober versammelte sich eine Gruppe von Jugendlichen in Jarrow (nahe Newcastle), und wartete nervös, ob andere ihrem Aufruf zum Protest folgen würden. Fünf Wochen später kamen sie in London an – unter dem Jubel von Tausenden und einigem Medienaufsehen.
Der „Jarrow March for Jobs 2011“, organisiert von Youth Fight for Jobs (YFJ), hat ein wichtiges Zeichen gesetzt. Er kann Bezugspunkt für eine neue Generation werden, die keine Wahl hat, als für ihre Zukunft zu kämpfen. Der Jarrow March knüpft an die Tradition der „Jarrow Crusade“ von 1936 an, einem Arbeitslosenmarsch von Jarrow nach London. Im Nordosten Englands ist dieser Marsch tief im kollektiven Gedächtnis der ArbeiterInnenklasse verankert. Nachkomme eines Jarrow Marchers zu sein, ist etwas, worauf die Menschen stolz sind – wie die jungen Jarrow Marcher 2011 feststellen konnten.
Britannien im Jahre 2011 ist kein guter Ort um jung zu sein. Eine Million Jugendliche sind Arbeitslos. Studienbeihilfen wurden gestrichen, Studiengebühren dagegen verdreifacht. Jugendzentren werden geschlossen. Jugendliche müssen aufgrund der Wohnungsknappheit ihren Start ins Erwachsenenleben mit einer eigenen Wohnung verschieben. Gleichzeitig regiert eine kleine Elite über ein System, das Jugendliche zur Arbeitslosigkeit verdammt, bevor sie ihr Arbeitsleben überhaupt begonnen haben.
Bei den Unruhen im August ist die enorme Wut unter Jugendlichen explodiert. Ihnen wird der Zugang zu Jobs, Bildung und Jugendeinrichtungen verwehrt und sie werden von der Polizei drangsaliert. Randalieren ist keine Lösung, aber wenn es keinen organisierten Widerstand gibt, kann es neue Unruhen geben. Widerstand ist möglich – die Studierendenbewegung 2010/11 hat gezeigt, dass dort, wo es organisierte Proteste gibt, sich Jugendlichen zu Tausenden anschließen. Der Jarrow March hatte es Jugendlichen ermöglicht, der Wut einen organisierten Ausdruck zu verleihen.
Die Jarrow Marcher haben pro Tag 10-15 Meilen (16-24 km) zurückgelegt. Es war genau dieses Marschieren, das die Herzen der Menschen erreicht hat - es zeigte unsere Entschlossenheit. Wir haben enorme Unterstützung erfahren – von Gewerkschaften wie der PCS (eine linksdominierte Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst), von Jarrow-VeteranInnen und AnrainerInnen. Uns wurde auf der Straße zugejubelt. Die PCS hat ein Mitglied abgestellt, das uns medizinisch betreute. Jugendliche haben sich spontan angeschlossen. Von AnrainerInnen wurden wir mit Essen versorgt. Eine Frau hat uns Tee gebracht und uns erzählt, dass ihre Großmutter bereits 1936 die Jarrow Marcher mit Tee versorgte und wie stolz die Familie darauf war. Ein Mann hat uns erzählt, dass sein Großvater 1936 von der Polizei verprügelt worden war, als er für die Marschierenden einen Schlafplatz organisieren wollte. ArbeiterInnen einer Fabrik, die geschlossen worden war, haben unsere Spende abgelehnt mit den Worten „Ihr braucht das dringender – wir wollen euch unterstützen“. Die historische Natur des Marsches war es auch, die die Aufmerksamkeit der Medien brachte. Jede Fernsehstation und Tageszeitung hat über den Marsch berichtet. Wir waren diejenigen die befragt wurden, wenn es um Jugendarbeitslosigkeit ging!
Der Jarrow March hatte fünf simple Forderungen: Die Regierung muss echte Jobs schaffen, Studienbeihilfe wieder einführen, Studiengebühren abschaffen, leistbare Wohnungen bauen und Jugendzentren dürfen nicht geschlossen sondern müssen ausgeweitet werden. Natürlich kam von der Regierung ein kategorisches Nein – das Land sei pleite und die Forderungen unrealistisch und überzogen.
Aber das hat nur unterstrichen: Wenn der Kapitalismus sich keine Zukunft für die Jugend leisten kann, dann können wir uns dieses System nicht leisten! Unsere Antworten sind Vermögensbesteuerung, Verstaatlichung und eine demokratisch geplante Wirtschaft. Um diese Forderungen umzusetzen, müssen wir eine Massenbewegung aufbauen – und wir müssen die Kämpfe der Jugend mit jenen der ArbeiterInnenklasse verbinden. Denn sie hat allein die Macht, die Gesellschaft zu verändern. Umso wichtiger war es, dass der Jarrow March die Unterstützung verschiedenster Gewerkschaften hatte. Viele GewerkschafterInnen waren besorgt um die Zukunft ihrer Kinder. Der Jarrow March kann, gemeinsam mit dem Generalstreik im öffentlichen Dienst am 30.11., eine Brücke zwischen den besten Traditionen der ArbeiterInnenbewegung und der Jugend sein.