Fr 30.01.2004
Vor 25 Jahren wurde der iranische Schah durch Massendemonstrationen gestürzt. ArbeiterInnen besetzten Fabriken und viele iranische Kapitalisten flüchteten ins Ausland. Am Ende dieser Revolution stand aber keine gerechte, sozialistische Gesellschaft, sondern ein reaktionäres und unterdrückerisches Regime der Mullahs, das sich bis heute gehalten hat. Wie konnte aus den Hoffnungen auf eine bessere Gesellschaft der Aufstieg des islamischen Fundamentalismus im Iran werden?
Bis 1978/79 herrschte im Iran eine brutale Diktatur, unterstützt von den USA, mit guten Beziehungen auch nach Deutschland. 65.000 Polizisten der SAVAK, der berüchtigten Geheimpolizei, sorgten mit Verhaftungen, Folter und Morden für Friedhofsruhe im Land. Jede politische Opposition wurde zerschlagen, Gewerkschaften waren illegal und das Militär wurde aufgerüstet.
Die Arbeits- und Lebensbedingungen dieser Beschäftigten waren katastrophal, häufig mußte 18 Stunden am Tag gearbeitet werden. 1978 waren in Mesched zwei Drittel der TeppicharbeiterInnen Kinder zwischen sechs und zehn Jahren und selbst in der Hauptstadt Teheran gab es keine Kanalisation.
Demonstrationen
Wegen des Verbots aller oppositionellen Parteien und Organisationen sammelte sich die Opposition vor allem in den Moscheen. Da keine linken Kräfte auch nur versuchten, Widerstand zu organisieren, konnten radikale Predigten einen großen Einfluss auf die unzufriedenen Massen bekommen. Der Schah hatte zuvor den Grundbesitz der religiösen Institutionen enteignet und so die Hauptvertreter des schiitischen, iranischen Islams gegen sich aufgebracht.
Zwischen Oktober 1977 und Februar 1978 kam es zu illegalen Massendemonstrationen für demokratische Rechte. Die Unterdrückung durch Armee und Polizei stachelte die Bevölkerung nur weiter auf. Es kam zu Protesten der Studierenden, der Kaufleute und schließlich auch der ArbeiterInnen. Massenstreiks in der Industrie forderten die Freilassung politischer Gefangener und Rückkehrmöglichkeiten für politische Flüchtlinge. Die Beschäftigten der iranischen Zentralbank enthüllten während eines Streiks, dass die herrschende Elite in drei Monaten eine Milliarde Pfund ins Ausland gebracht hatte. Daraufhin brannten wütende DemonstrantInnen 400 Banken nieder.
Flucht des Schahs
Nachdem Streiks und Demonstrationen sich im Januar 1979 immer weiter ausbreiteten und die Armee sich in die Kasernen zurückziehen musste, weil sie drohte auseinanderzubrechen, floh der Schah aus dem Land.
Die Liberalen konnten die Hoffnungen der Bevölkerung nicht annähernd erfüllen. Nur wenige Wochen nach der Flucht des Schahs wurde ihre Bachtiar-Regierung deshalb gestürzt.
Schon lange richteten sich die Forderungen der Massendemonstrationen nicht mehr nur gegen den Schah: die BäuerInnen, Jugendlichen und Beschäftigten sahen die Möglichkeit, grundlegend etwas an ihren Lebensbedingungen zu verändern.
Hoffnung erweckte der Ajatollah (geistiger islamischer Führer) Khomeini, der aus dem Exil zurückkehrte und sich klar für ein Ende der Monarchie und gegen eine Militärdiktatur aussprach. Wegen dieser Positionen für Freiheit und Demokratie bekamen die Mullahs und Khomeini Unterstützung von großen Teilen der Mittelschicht und teilweise auch der ArbeiterInnen.
Khomeini
Khomeini nutzte diese Situation aus, um sich mit einem nicht gewählten „Revolutionsrat“ an die Spitze der Gesellschaft zu stellen und eine islamische Republik auszurufen. Während er für eine utopische Gesellschaft eintrat, die in vielen Punkten ein Zurück zum Mittelalter bedeutet hätte (zum Beispiel Zinsen und Wucher abzuschaffen, ohne das kapitalistische Profitsystem anzutasten), wurde er unter dem Druck der Massenbewegung zu immer weitergehenden Maßnahmen getrieben.
Nur knappe vier Monate nach dem Zusammenbruch des Schahregimes wurden die Banken, Versicherungen und der große Teil der iranischen Industrie verstaatlicht, ohne dass die Eigentümer sich trauten, offen Widerstand zu leisten.
Während Khomeini von den Aufständen zu diesen Maßnahmen gezwungen wurde, versuchte er gleichzeitig die Bewegung zu bremsen, wo immer er konnte. Als Reaktion auf die Bewaffnung der Massen forderte er alle auf, die Waffen an den Kasernen oder Moscheen abzugeben.
Als nach dem Aufstand im Februar 1979 eine Welle von Streiks und Betriebsbesetzungen begann, warnte er die ArbeiterInnen vor AktivistInnen mit „attraktiven Forderungen“ und bezeichnete diejenigen, die den Generalstreik fortsetzen wollten, als „Verräter“ .
Trotzdem setzten die ArbeiterInnen ihre Streiks fort. Wo die Bosse geflohen waren, versuchten sie die Produktion selbst wieder aufzunehmen. Es kam zu einer Massenabwanderung iranischer Kapitalisten und immer öfter zu Zusammenstößen zwischen DemonstrantInnen und Khomeinis Revolutionsgarden, die versuchten, die Arbeiterbewegung zurückzuhalten.
Immer wieder blieb dem „Revolutionsrat“ nichts anderes übrig, als den Forderungen der ArbeiterInnen nachzukommen, um sich an der Macht zu halten. So wurde zum Beispiel eine kostenlose medizinische Versorgung, kostenloser Transport, die Streichung von Strom- und Wasserrechnungen und die Subvention von Konsumgütern erreicht. Die Streiks in den Betrieben wurden dabei durch Massenmärsche der Arbeitslosen und Landbesetzungen durch die BäuerInnen unterstützt.
Zunehmend setzte Khomeinis „Revolutionsrat“ dagegen auf direkte Unterdrückung der AktivistInnen.
Auch sonst wurde immer deutlicher, für welche reaktionären Ideen Khomeini stand: das Verbot von Musik, das Auspeitschen von nicht verheirateten Liebespaaren, das Erschießen von Prostituierten ... Der Versuch Schleierpflicht für Frauen einzuführen scheiterte zunächst im März 1979 am Widerstand von ArbeiterInnen, aber während die Entfremdung vieler Beschäftigter von Khomeini zunahm, fehlte eine Alternative.
Arbeiterbewegung ohne Organisation
Die iranischen ArbeiterInnen waren durch die Massenproteste, den viermonatigen Generalstreik und den Aufstand im Februar 1979 die entscheidende Kraft in der Bewegung gegen den Schah. Die Fabrikbesetzungen hatten im Ansatz gezeigt, zu was die ArbeiterInnen in der Lage gewesen wären, wenn sie ein klares Programm nicht nur zum Sturz des Schahs, sondern auch des kapitalistischen Ausbeutungssystems gehabt hätten.
Wegen ihrer ökonomischen Macht und durch die gemeinsame Erfahrung im Kampf gegen die Unternehmer ist die arbeitende Bevölkerung die Kraft in der Gesellschaft, die eine sozialistische Revolution anführen kann.
Im Iran stand eine Revolution der Beschäftigten, BäuerInnen und Arbeitslosen auf der Tagesordnung, die mit Ausbeutung und Unterdrückung für immer Schluss gemacht hätte. Die Erfolge, die während der iranischen Revolution erzielt wurden, gingen auf die Aktivität der ArbeiterInnen zurück.
Eine marxistische Partei, mit Verankerung in den Betrieben und den richtigen Vorschlägen zum weiteren Aufbau der Revolution hätte verhindert, dass die islamischen Kräfte um Khomeini mit ihren schwammigen Parolen die Macht in die Hände bekommt, um die Uhr zurück zu drehen. Sie hätte damit angefangen Rede- und Organisationsfreiheit, freie Wahlen und Pressefreiheit zu fordern, für den Acht-Stunden-Tag und die Fünf-Tage-Woche zu kämpfen und dies mit der Forderung nach einer revolutionären verfassungsgebenden Versammlung verbunden. Neben der Verstaatlichung der großen Industrien hätte auch der Außenhandel verstaatlicht und die gesamte Industrie unter die demokratische Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden müssen. In den besetzten Betrieben und Ländereien wäre es notwendig gewesen, Komitees zu wählen. Nur durch eine gesellschaftliche Planung hätte der Reichtum des Landes gerecht verteilt und die Reste der feudalen Struktur aufgehoben werden können.
Eine revolutionäre Kraft, mit einer klaren Vorstellung einer demokratischen sozialistischen Gesellschaft hätte es einfach gehabt, die Armee nicht nur vorübergehend außer Kraft zu setzen, sondern für den gemeinsamen Kampf zu gewinnen Das hätte enorme Auswirkungen auch auf alle umliegenden Länder gehabt.
Tudeh – die Kommunistische Partei
Doch die Kommunistische Partei, Tudeh, hängte sich nach dem Sturz des Schahs an den Rockzipfel Khomeinis.
Im Januar 1979 veröffentlichte sie eine Erklärung, „die der Forderung nach der Errichtung islamischer Revolutionsräte im ganzen Land volle Unterstützung gibt. [...] Die Tudeh-Partei sagte, sie sehe das politische Programm von Ajatollah Khomeini in Übereinstimmung mit der Position, die sie selbst eingenommen hatte.“ („Morning Star“, Zeitung der britischen KP, 27. Januar 1979)
Gerade in dem Moment, in dem die Massen die Macht in den Händen hielten, als der Schah gestürzt war und ein gewisses Machtvakuum existierte, sprach die Tudeh von der Errichtung „einer demokratischen moslemischen Republik“.
Mit dieser Vorstellung einer bürgerlichen, demokratischen Republik – mit Rücksicht auf den moslemischen Klerus – ordnete die Tudeh die Bedürfnisse der kämpfenden ArbeiterInnen, die die Revolution trugen, den Bedürfnissen der Mittelschichten und einheimischen Kapitalisten unter. Dies entspricht der stalinistischen „Etappentheorie“ der Kommunistischen Parteien: Ihr zufolge stellt sich für rückständige Länder die Aufgabe, zunächst eine kapitalistische „Etappe“ zu erkämpfen, um dann auf der Grundlage der kapitalistischen Entwicklung für eine sozialistische Revolution einzutreten. Doch für diesen Zwischenschritt, der bürgerlichen Entwicklung wie etwa in England oder Frankreich nach den bürgerlichen Revolutionen, lässt heute die Aufteilung der Welt unter den imperialistischen Mächten, ihre ökonomische und politische Vorherrschaft, keinerlei Spielraum. Auf kapitalistischer Grundlage gibt es keinen Ausweg, diese Länder zu entwickeln. Somit kann – wie bei der Russischen Revolution 1917 – von rückständigen Ländern aus die Revolution begonnen werden. Sie muss aber, solange sie einen Ausweg für die ArbeiterInnen und kleinen BäuerInnen aufzeigen soll, einen sozialistischen Charakter annehmen. Sie kann nur im internationalen Rahmen, durch die Ausbreitung der Revolution, letztendlich erfolgreich sein.
Hintergrund der „Etappentheorie“ war, dass die Tudeh, wie auch die kommunistischen Parteien in anderen Ländern, weitgehend von der Moskauer Bürokratie beherrscht wurde. Nach der russischen Revolution gelang es der Bürokratie mit Stalin an der Spitze – aufgrund der Rückständigkeit Russlands und der internationalen Isolation der russischen Revolution –, die Kontrolle über den Staatsapparat zu gewinnen. Anstatt der ArbeiterInnen durch Räte (auf russisch: Sowjets) herrschte eine abgehobene Schicht. Kapitalismus und Großgrundbesitz blieben in Russland abgeschafft, aber die Gesellschaft stand unter der Diktatur dieser Bürokratie. Stalin und Co hatten kein Interesse mehr an der Ausbreitung einer sozialistischen Revolution. Viel mehr hätte eine demokratische, sozialistische Gesellschaft ihre eigene Macht bedroht, wenn die Bevölkerung der Sowjetunion diesem Beispiel gefolgt wäre und die Bürokratie gestürzt hätte.
Ziel der Sowjetunion war deshalb nicht mehr die Ausbreitung der Revolution, sondern die eigenen außenpolitischen Interessen. Noch im Dezember 1978 hatte Stalins Nach-Nachfolger Breschnew dem Schah einen Geburtstagsgruß mit vielen Freundschaftsbeteuerungen geschickt.
Iran-Irak-Krieg
Im September 1980 begann der Irak mit dem Angriff auf den Schatt el Arab den Krieg gegen den Iran. Der irakische Präsident Sadam Hussein hatte zum einen gehofft, die iranische Armee sei durch die Revolution geschwächt. Zum anderen wollte er ein für alle mal die Gefahr ausschließen, eine Revolution unter Führung der Mullahs könnte in den Irak überschwappen.
Allerdings hatte er sich dabei verschätzt. Die irakische Armee war zwar technisch viel besser ausgerüstet, stand aber einer viel motivierteren iranischen Revolution gegenüber und konnte so kaum Erfolge erzielen. Die iranische Bevölkerung hatte ihre Revolution noch nicht verloren gegeben und, weil viele ehemalige Generäle des Schahs auf Seiten des Iraks kämpften, konnte Khomeini den Krieg als Verteidigung der Revolution darstellen.
Militärisch war keine Seite in der Lage, die andere zu besiegen, nicht zuletzt wegen den enormen militärischen Lieferungen der USA und anderer imperialistsicher Staaten an den Irak.
Während des achtjährigen Krieges gab es insgesamt über eine Million Tote und Verletzte und auf beiden Seiten wurden barbarische Methoden angewandt.
Die anfängliche Motivation, mit dem Khomeini-Regime die Revolution zu verteidigen, ließ in der iranischen Bevölkerung auch schnell nach.
Iran heute
Nachdem die Revolution und die Möglichkeit zum Sturz des Kapitalismus vorbei waren gelang es der Regierungsclique, ein relativ stabiles reaktionär-islamisches Regime aufzubauen. Die Linke und jede Form von Opposition wurden brutal unterdrückt. Die meistem versteckten sich, mussten fliehen oder waren Haft und Folter ausgesetzt.
Der islamische Fundamentalismus verbreitete sich in der moslemischen Welt. Einerseits fand damit eine Stimmung Ausdruck, die sich radikal gegen den US-Imperialismus wandte. Andererseits drückte sich damit der Verrat der arabischen nationalen Führer und der Kommunistischen Parteien aus. Der politische Islam gab und gibt der antiimperialistischen Stimmung ein reaktionäres Gesicht, zumal die radikalen Töne schnell verloren gingen, die Kohmeini zu Beginn der Revolution und in Folge der Stärke der Arbeiterklasse noch anschlagen musste.
Die Taliban oder Al-Qaida bieten ArbeiterInnen keinerlei Alternative und keinen Weg, ihre Unterdrückung zu beenden. Im Gegenteil, sie orientieren den Widerstand gegen den Imperialismus auf reaktionäre, religiöse Ziele. In den letzten Jahren hat es im Iran immer wieder Proteste, vor allem von Jugendlichen und Studierenden gegeben. Die iranische Elite ist gespalten, wie sie mit diesem wachsenden Unmut umgehen soll. Ein moderaterer Teil um den Präsidenten Chatami setzt auf Zugeständnisse und kleine Reformen, um die Bevölkerung ruhig zu halten, ein anderer auf stärkere Unterdrückung. Während noch bei den Studentenprotesten 1999 viele der DemonstrantInnen Hoffnungen in den moderateren Teil hatten, hat sich das jetzt geändert. Bei den letzten großen Protesten im Juni 2003 forderten die Studierenden die Abschaffung der islamischen Republik und bekamen große Unterstützung aus der Bevölkerung.
Es kann sehr schnell gehen, dass die Wut gegen das Regime und die anhalten Angriffe auf den Lebensstandard der iranischen Bevölkerung in einer großen Welle von Streiks und Protesten ausbricht.